GASTBEITRAG

Ohne Gießkanne wachsen die Erträge

Börsen-Zeitung, 30.7.2013 Das Feld der betrieblichen Altersversorgung ist noch zu einem erstaunlich großen Teil unbestelltes Brachland. Es systematisch zu beackern verspricht nützliche Erträge für Lebensversicherer, die in ihren angestammten...

Ohne Gießkanne wachsen die Erträge

Das Feld der betrieblichen Altersversorgung ist noch zu einem erstaunlich großen Teil unbestelltes Brachland. Es systematisch zu beackern verspricht nützliche Erträge für Lebensversicherer, die in ihren angestammten Betätigungsfeldern mit sinkenden Beitragseinnahmen, schrumpfendem Neugeschäft und niedriger Verzinsung zu kämpfen haben.Erst rund jeder zweite der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland nutzt derzeit Angebote zur betrieblichen Altersversorgung (bAV). Rund 13 Millionen Arbeitnehmer könnten Versicherer theoretisch für bAV-Angebote gewinnen, zeigen Analysen von PwC. Dazu kommen rund 10 Millionen Arbeitnehmer, die zwar bereits einen Vertrag über eine betriebliche Altersversorgung abgeschlossen haben, die Vorsorge per bAV-Angebot aber erhöhen könnten. Vielfach reicht nämlich die bestehende bAV-Lösung nicht zur Absicherung des Einkommens im Alter aus.Berücksichtigt man Faktoren wie Tarifverträge, die zum Teil Vorgaben zur Ausgestaltung der betrieblichen Altersvorsorge machen, die bAV-Durchdringung in unterschiedlichen Branchen und Branchenspezifika bei Gehältern und Gehaltsverteilungen, ergibt sich ein Potenzial von 6,5 Mrd. Euro an zusätzlichen Beitragseinnahmen, das die Versicherer in den kommenden drei bis sieben Jahren erschließen könnten. Grundlage für OffertenZwar ist der Eintritt in den bAV-Markt nicht leicht, denn die meisten Unternehmen in Deutschland haben bereits Rahmenverträge mit Versicherungen über bAV-Angebote abgeschlossen oder bieten Direktzusagen und/oder eigene Versorgungswerke an. Diese Rahmenverträge sind die Grundlage für die Offerten an die Arbeitnehmer, die dann Teile ihrer Einkommen steuer- und sozialabgabenfrei in die Altersversorgung investieren können. Jährlich kommen jedoch, zum Beispiel durch Neugründungen, rund 900 000 Unternehmen hinzu, die einen Anbieter für ihre bAV-Angebote erst noch finden müssen. Grundsätzlich kommt, wenn die Mitarbeiter darauf dringen, kein Arbeitgeber darum herum, Angebote für die betriebliche Altersversorgung zu unterbreiten; denn der Gesetzgeber räumt jedem Arbeitnehmer den Anspruch auf eine vom Arbeitgeber durch die Möglichkeit der Entgeltumwandlung geförderte betriebliche Altersversorgung ein. Möglichkeiten ausschöpfenErheblich größeres Potenzial als die Vereinbarung zusätzlicher Rahmenverträge bietet für die Assekuranz aber der systematische Ausbau von Ausschöpfungsquoten bestehender Rahmenvereinbarungen. Denn auch wo ein Rahmenvertrag geschlossen ist, nutzen im Durchschnitt kaum zwei von zehn Arbeitnehmern die bestehenden Möglichkeiten. Und wenn, dann selten in vollem Umfang: Den Maximalbetrag von 4 % der Beitragsbemessungsgrundlage, den der Gesetzgeber höchstens durch die Steuerbefreiung bei der Entgeltumwandlung subventioniert, nutzt gerade einmal ein Fünftel der Versicherungsnehmer.Mit erstmaligen oder vertiefenden Informationen zum Thema – etwa in Betriebsversammlungen – scheint noch einiges Brachland erschließbar, auch in der Betreuung bestehender bAV-Verträge können Versicherer augenscheinlich auf die Möglichkeit der Anpassung der gezahlten Beiträge noch erheblich gezielter hinweisen.Zusätzliche Einfallstore kann die Assekuranz bei Unternehmen nutzen, die ihren Mitarbeitern bislang ohne Beteiligung von Versicherern Programme zur betrieblichen Altersversorgung angeboten haben: Ihnen können Lebensversicherer zum einen Rückdeckungsversicherungen anbieten, mit denen sie Versorgungsrisiken, etwa Langlebigkeitsrisiken, reduzieren. Zum anderen dürften sogenannte Ausfinanzierungen für diese Unternehmen interessant sein, insbesondere wenn sie Pensionszusagen nicht vollständig rückgedeckt haben.Ungefähr jedes zweite Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern weist in seiner Bilanz Pensionsrückstellungen aus, die nur zu ungefähr der Hälfte ausfinanziert sind. Gegen Zahlung eines Einmalbetrags können Unternehmen die Pensionsansprüche ihrer Arbeitnehmer z. B. auf Pensionsfonds übertragen. Sie ersparen sich damit nicht nur die aufwendige Betreuung und Verwaltung ihrer Ruheständler, die Ausfinanzierung der Pensionsrückstellungen über einen Pensionsfonds verkürzt auch die Bilanz und kann damit Kennzahlen verbessern, die zum Beispiel beim Rating für die Vergabe von Bankkrediten herangezogen werden. Im Vertrieb hakt esWie ertragreich Versicherer das Feld der betrieblichen Altersversorgung beackern, hängt allerdings entscheidend von der Qualität ihrer Vertriebsaktivitäten ab. Die Vertriebsmannschaften müssen nicht nur Unternehmen für Rahmenverträge gewinnen, sondern auch Mitarbeiter zum Abschluss beziehungsweise zur Erweiterung von Policen bewegen. Je genauer und sorgfältiger Versicherer die Bereiche des bAV-Feldes aussuchen und abstecken, die sie beackern wollen, desto größer wird die Ernte ausfallen, die sie einfahren können.Die Assekuranz muss davon wegkmmen, den bAV-Markt nach dem Gießkannenprinzip zu bearbeiten, gefragt ist die gezieltere Auswahl der Zielgruppen. Denn die PwC-Analyse “Wachstumsmarkt betriebliche Altersversorgung” zeigt, dass Verträge zur betrieblichen Altersversorgung in verschiedenen Branchen höchst unterschiedlich verbreitet und für Versicherer äußerst unterschiedlich attraktiv sind.Beispielsweise haben bereits stolze 53 % der Arbeitnehmer im verarbeitenden Gewerbe einen Vertrag über eine betriebliche Altersversorgung abgeschlossen. Die mit durchschnittlich 1 500 Euro durchaus attraktiven Umwandlungsbeträge der Branche dürften Versicherer entsprechend nur mit großem Aufwand für sich gewinnen können. Im Gesundheitswesen, wo bislang vergleichsweise wenige bAV-Verträge geschlossen wurden, sind die Löhne – und damit die potenziellen Umwandlungsbeträge – hingegen so gering, dass die Marktbearbeitung für Versicherer wenig attraktiv scheint. Analyse verfeinernDie Beispiele zeigen: Um die Abschlusswahrscheinlichkeit zu erhöhen und den größtmöglichen Anteil des bAV-Marktes mit dem geringsten möglichen Aufwand zu erschließen, gilt es, Vertriebsmannschaften präzise über bAV-Potenziale zu informieren: Anhand von Unternehmensgröße, Branchenzugehörigkeit und Vorgaben der jeweiligen Branchentarifverträge lassen sich Cluster besonders erfolgversprechender Unternehmen bilden. Mit Daten, die die Versicherer, zum Beispiel aus dem Komposit-Geschäft, ohnehin zur Verfügung haben, lassen sich die Analysen weiter verfeinern. Auf dieser Grundlage werden differenzierte Kundenansprache, passgenaues Kampagnenmanagement und optimierte Bestandsarbeit möglich – drei Schlüsselfaktoren für den Erfolg im Vertrieb von bAV-Angeboten.—-Hendrik Jahn, Partner PricewaterhouseCoopers —-Sebastian Tiedemann, Berater PricewaterhouseCoopers