Optimale Immobiliennutzung bleibt Daueraufgabe
Aktivitäten rund um Immobilien gehören zu den größten Verursachern von klimaschädlichen Emissionen. Der gesamte Lebenszyklus, die Errichtung, der Betrieb und schließlich der Rückbau einer Immobilie sind nicht nur mit Kosten, sondern auch mit erheblichen Belastungen für das Klima verbunden. Die wirtschaftliche Optimierung des Immobilienbestands gehört seit jeher zu den Hauptaufgaben des aktiven Immobilienmanagements. Dabei werden Erträge und Kosten nachhaltig und langfristig optimiert. Die Energieeffizienz spielt hier als wesentlicher Kostentreiber eine bedeutende Rolle. Mit der wirtschaftlichen Optimierung sind auch nachhaltig positive Effekte für das Klima verbunden. Lebenszyklusmanagement Zu den systematisch werterhaltenden und -schöpfenden Immobilienstrategien gehört das Lebenszyklusmanagement. Kern der Strategie ist, dass der Wert beziehungsweise die Ertragskraft einer Immobilie über den gesamten Zeitraum der Halteperiode zu betrachten ist. Im Lebenszyklusmanagement steckt somit ein erheblicher Werthebel.Das Lebenszyklusmanagement ist die Anwendung des Prinzips der nachhaltigen Bewirtschaftung auf den Immobilienbestand. Bereits 1713 erkannte Hans Carl von Carlowitz die Bedeutung der Nachhaltigkeit in Bezug auf die Forstwirtschaft. Übertragen auf den Immobilienbestand ist die sehr lange wirtschaftliche Betrachtung entscheidend. Letztlich geht es in der Forst- wie auch in der Immobilienwirtschaft um die optimale langfristige Nutzung einer Lage. Dazu gehört auch die energetische Bilanzierung einer Immobilie.Aus Investoren- und Bestandshaltersicht ist das Nutzerverhalten eine zentrale Komponente für ein gutes energetisches Nachhaltigkeitsergebnis einer Immobilie. Die Gebäude müssen den Bedürfnissen ihrer Nutzer entsprechen, ebenso muss das Nutzerverhalten mit den gebäudespezifischen technischen Konzepten in Einklang stehen. Diese Symbiose zwischen Gebäude und Nutzer kann durch entsprechende Vereinbarungen, beispielsweise in Form von “Green Leases”, dokumentiert werden. Sofern Mieter und Vermieter das gleiche (Umwelt-)Ziel verfolgen, stehen im Rahmen grüner Mietverträge Möglichkeiten zum Energiedatenaustausch und -monitoring und zum umweltbewussten Umgang des Mieters mit dem Gebäude in Abhängigkeit mit Energieeinsparzielen oder der Vereinbarung zur Aufrechterhaltung eines bereits erteilten Zertifikates.Grüne Regelungen sollten nicht als starres Korsett gesehen werden, sondern sollten variabel je nach Bedarf und Motivation der Vertragsparteien einsetzbar sein. So lassen sich in der Praxis die höchsten Gewinne nicht nur für die beteiligten Vertragsparteien, sondern auch für Klima und Umwelt erzielen.Die Nachhaltigkeit steht in einem ambivalenten Verhältnis zur Technik nach neuestem Stand. Die Zusatzkosten für modernste Gebäudeausstattung und -technik zur Steigerung der Energieeffizienz können erheblich sein. Je komplexer die Gebäudetechnik, desto häufiger und teurer sind die laufende Wartung und die später anfallenden Instandhaltungsmaß-nahmen. Daraus resultiert häufig eine kürzere wirtschaftliche Lebensdauer der Technik, die das Gebäude schneller altern lässt. Die Frage, ob diese Kosten innerhalb der Lebensdauer durch höhere Mieteinnahmen kompensiert werden können, ist sicherlich entscheidend für die Beurteilung der Nachhaltigkeit – ebenso sollten auch der potenzielle Mehrwert der Maßnahmen für den Mieter und deren Wirtschaftlichkeit aus Sicht des Vermieters in die Analyse mit einfließen.Gerade die Technologie zur Verbesserung der Energieeffizienz macht derzeit große Fortschritte, was sehr zu begrüßen ist, aber eben auch bedeutet, dass die technische und wirtschaftliche Verfallsgeschwindigkeit steigt. Besonders in Deutschland besteht eine starke Tendenz, Gebäude immer auf dem letzten Stand der Technik zu halten – unter der Perspektive der Nachhaltigkeit und einer energetischen Bilanzierung zu hinterfragen.Aus der Perspektive des Lebenszyklusmanagements ist jedes Objekt individuell zu analysieren und zu optimieren. Gleichwohl tun große Bestandshalter von Immobilien gut daran, einen synoptischen Überblick ihrer Objekte zu haben. Dieser ist nicht nur geeignet, die gesamten Aktivitäten und den Entwicklungsstand hinsichtlich der energetischen Modernisierung abzubilden, er hilft auch Potenziale hinsichtlich der wirtschaftlichen und nachhaltigen Optimierung zu identifizieren. Wertvoll für StakeholderVor dem Hintergrund der klimatischen Herausforderungen und der sich daraus ableitenden Regulatorik zum Beispiel im Rahmen der EU-Taxonomie stellt sich die Frage nach der Quantifizierbarkeit von Nachhaltigkeit im Immobilienportfolio. Sollen zur Messung und Optimierung der Nachhaltigkeitsperformance im Bestand “fertige” Systeme angewandt oder eigene Scoring-Instrumente zur quantitativen und qualitativen Beurteilung der Nachhaltigkeit entwickelt werden? Erstgenannte Ansätze bauen auf einem standardisierten Normengerüst auf, welches sich von unternehmensindividuellen Ansätzen unterscheiden wird. Eigene Scoring-Instrumente sind für die Stakeholder wertvoll, allerdings erschweren sie die Harmonisierung von Beurteilungskriterien und damit die Schaffung übergreifender Markttransparenz. Ruf nach mehr TransparenzDer Ruf vieler Marktteilnehmer nach mehr Transparenz und besserer Vergleichbarkeit “grüner” Portfolien wird lauter. Einheitliche Beurteilungskriterien für ein Benchmarking werden zwar aus verschiedenen Positionen heraus erarbeitet, aber noch stehen sie aus. Für stark transaktionsorientierte, zumal international ausgerichtete Unternehmen oder im Rahmen der externen Berichterstattung steht eine standardisierte Vergleichbarkeit umweltrelevanter Faktoren deutlich im Vordergrund. Dagegen werden bestandsorientierte Unternehmen ohne größere externe Berichtserfordernisse der internen Steuerungsfunktion den Vorzug geben und deswegen ein eigenes maßgeschneidertes Modell wählen. Auf diese Weise lassen sich im Rahmen der Nachhaltigkeitsbeurteilung individuelle Schwerpunkte setzen. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung.Die an Energieeffizienz orientierte Instandhaltung hat unter den Instrumenten zur Optimierung der Umweltperformance des Gesamtportfolios an Bedeutung gewonnen. In diesem Zusammenhang sind auch bei der Auswahl von Dienstleistern, Property und Facility Managern nachhaltige Kriterien entscheidend. Im Rahmen von Sanierungs- und Revitalisierungsprojekten hat die Meag einen anspruchsvollen Kriterienkatalog entwickelt, der verbindlich anzuwenden ist. Die aktuelle Pandemie beschleunigt und verstärkt einen bereits länger anhaltenden Trend bei Büroimmobilien: Viele Nutzer verzichten mehr und mehr darauf, jedem Mitarbeiter einen eigenen Schreibtisch zur Verfügung zu stellen. Auch vor Corona hatte das mobile Arbeiten bereits kontinuierlich zugenommen. Entsprechend hat sich die Bürofläche pro Arbeitnehmer in den vergangenen zehn Jahren nahezu halbiert. Große Bestandshalter von Büroimmobilien setzen sich intensiv mit diesem Trend auseinander, der mittelbar erhebliche unternehmensspezifische und gesellschaftliche Klimaeffekte hat.Bislang arbeitet gerade einmal jeder Zehnte der 32 Millionen Bürobeschäftigten in Deutschland manchmal oder regelmäßig zu Hause. Dieser Wert dürfte jedoch steigen, der Bürobedarf der Wirtschaft entsprechend sinken. Der Flächenbedarf könnte deutlich zurückgehen, wenn Unternehmen jedem Mitarbeiter erlauben, an einem oder zwei Tagen in der Woche mobil außerhalb des Büros zu arbeiten. Dies hat auch Auswirkungen auf die Entscheidung des Wohnortes relativ zum Standort des Arbeitgebers. Positive ErfahrungenViele Unternehmen haben in der Coronakrise überaus und überraschend positive Erfahrungen mit dem mobilen Arbeiten von Zu Hause gemacht, trotz der plötzlichen und unvorbereiteten Einführung aufgrund der Pandemie und ungeachtet der Belastungen, denen die Beschäftigten aufgrund zusätzlicher Betreuungsaufgaben mit Blick auf Kinder oder andere schutzbedürftige Personen ausgesetzt waren. Beim mobilen Arbeiten von zu Hause entfallen Wegekosten, die mit klimaschädlichen Emissionen verbunden sind.Gleichzeitig hat die IT die Bewährungsprobe Corona und mobiles Arbeiten sehr gut gemeistert. Der Praxistest hat gezeigt, mobiles Arbeiten funktioniert technisch auch breitflächig und auf Zuruf ohne längere Vorbereitung. Anlaufschwierigkeiten aufgrund knapper Bandbreite der Internetverbindungen ließen sich schnell überwinden. Die für die Fernarbeit nötigen technischen Hilfsmittel wie Zoom oder Skype dürften einen ähnlichen Effekt auf den Bedarf an Büroflächen haben, wie ihn Online-Bestellungen auf den Einzelhandel hatten. Entsprechend dürfte Corona auch einen nachhaltigen Effekt auf Geschäftsreisen haben und darüber die Klimabilanz vieler Unternehmen deutlich verbessern. Klimabilanz der BrancheGroße Bestandshalter der Immobilienwirtschaft können mit einem ganzheitlichen Lebenszyklusmanagement erhebliche Wertpotenziale im Bestand heben. Bei der Optimierung ist entsprechend der Halte- und Nutzungsdauer der Objekte immer auf eine sehr langfristige Betrachtung abzustellen. Entsprechend nachhaltig und zukunftsfähig werden Immobilien bewirtschaftet, auch mit Blick auf die Energiebilanz, die in einem engen Zusammenhang mit den klimarelevanten Emissionen steht.Gleichwohl im Lebenszyklusmanagement jedes Objekt für sich erfasst und individuell optimiert wird, wird ein großer Bestandshalter immer darauf achten, ein umfassendes Bild seines Bestands zu haben, auch um im Quervergleich Signale für ungenutzte Potenziale zu erhalten. Die noch nicht ausgestandene Coronakrise wird voraussichtlich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse für die Immobilienwirtschaft liefern, dürfte aber aktuelle Trends verstärken und beschleunigen. Die Effekte der höheren Tendenz zum mobilen Arbeiten und die damit zusammenhängende Entflechtung der Wohnortentscheidung des Arbeitnehmers von der Standortentscheidung des Arbeitgebers sind noch nicht vollständig von den Marktteilnehmern erfasst. Die optimale Bewirtschaftung von Immobilien bleibt eine Daueraufgabe mit stets neuen Herausforderungen. Hans-Joachim Barkmann, Global Head of Real Estate bei der Meag