Paris überholt erstmals London
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Paris hat London erstmals als größter Börsenplatz in Europa abgelöst. Die Börsenkapitalisierung der an der Euronext Paris gelisteten Unternehmen hat zu Beginn der Woche die der in London notierten Konzerne überstiegen – und das, obwohl der FTSE 100 den Turbulenzen in diesem Jahr besser getrotzt hat als der CAC 40. Zu verdanken hat der Finanzplatz Paris das nicht nur dem Brexit, sondern auch der hohen Bewertung der im französischen Leitindex notierten Schwergewichte, allen voran der Luxusgüterkonzerne LVMH, Kering, Hermès und L’Oréal.
Sie machen inzwischen von der Börsenkapitalisierung her 30 % des CAC 40 aus, während der Dax stärker von Industriewerten geprägt ist. LVMH ist mit einer Börsenkapitalisierung von 350,2 Mrd. Euro der größte börsennotierte Konzern Europas. L’Oréal kommt immerhin auf 184,5 Mrd. Euro, Hermès auf 152,5 Mrd. Euro und Kering auf 66,85 Mrd. Euro. Die gesamte Börsenkapitalisierung der in Paris gelisteten Unternehmen beträgt laut Bloomberg 2823 Mrd. Dollar, die der in London notierten 2821 Mrd. Dollar.
Dabei war der Börsenplatz London mit mehr als 4 000 Mrd. Dollar 2014 noch gut doppelt so groß wie der Finanzplatz Paris, der damals auf eine Börsenkapitalisierung von gerade mal 2 234 Mrd. Dollar kam. Doch dann stimmte eine Mehrheit der Briten 2016 für den Ausstieg aus der Europäischen Union und läutete damit den Bedeutungsverlust der City ein. Viele große Investmentbanken verlegten ihre zuvor in London angesiedelten Mannschaften ganz oder zumindest teilweise an andere Standorte in Europa, nach Deutschland, Irland, Luxemburg und eben Frankreich. Durch ihren Umzug nähmen sie inzwischen auch andere Investitionsmöglichkeiten in Europa außerhalb Großbritanniens besser wahr, meinen Branchenkenner. Gleichzeitig wandten einige Börsen-Schwergewichte der London Stock Exchange den Rücken zu. So ist Ryanair inzwischen in Dublin notiert und BHP in Sydney. Last but not least hat das Pfund gegenüber dem Euro seit dem Brexit-Votum um 16 % an Wert eingebüßt.
Und doch habe vor zwei, drei Jahren niemand gewettet, dass Paris London überholen könnte, sagte IG-Analyst Alexandre Baradez der Tageszeitung „Libération“. Er ist überzeugt, dass Großbritannien jetzt alles tun wird, damit der Einfluss des Finanzplatzes London wieder steigt. Attraktive Werte gepaart mit einem stabilen politischen Umfeld könnten dem Börsenplatz London wieder nach vorn bringen, meint Baradez. So wie der ehemalige Rothschild-Banker Emmanuel Macron dem Finanzplatz Paris zu neuem Schwung verholfen hat, könnte jetzt auch Rishi Sunak Investoren zurück nach London locken.