Paris will grüne Finanzhauptstadt Europas werden
Paris ist einer der führenden Finanzplätze für grüne Finanzen. Ausgerechnet die Hauptstadt Frankreichs, das als Land der Atomkraft gilt. Bisher konzentrieren sich die Akteure auf den Kohleausstieg. Doch auch dabei gibt es nach Ansicht von Nichtregierungsorganisationen noch einiges zu tun.Von Gesche Wüpper, ParisDie Ökologie sei der grüne Faden, der sich durch den Plan zur Wiederankurbelung der Wirtschaft zieht, betont die französische Umweltministerin Barbara Pompili. Präsident Emmanuel Macron will, dass Frankreich Vorreiter für den Klimaschutz und Paris das Zentrum der grünen Finanzwirtschaft wird. Die Stadt ist bereits jetzt einer der weltweit führenden Plätze für grüne Finanzen – obwohl Frankreich als Land des Atomstroms gilt.Auch andere Finanzplätze wie London wollen beim Thema grüne Finanzen ganz vorn dabei sein, gibt die Direktorin der Nichtregierungsorganisation Reclaim Finance, Lucie Pinson, zu bedenken. Außerdem gebe es noch viel zu tun, um die Versprechen für den Kohleausstieg einzulösen. “Aber Paris ist sicherlich einer der Finanzplätze, der das meiste für den Klimaschutz tut”, räumt Pinson ein. So waren Crédit Agricole und BNP Paribas 2009 in Europa führend beim Underwriting von grünen Anleihen. Gleichzeitig war Frankreich weltweit gemessen an der Summe der ausgegebenen Green Bonds die Nummer 3.”Der Finanzplatz Paris hat ganz klar eine führende Rolle bei dem Thema”, meint Axa-Investitionschef Pascal Christory. Einer der Gründe dafür sei der Weltklimagipfel COP21, der 2015 in Paris abgehalten wurde. Der Finanzplatz will dessen Ziele erreichen. “Paris ist wirklich Vorreiter bei der Gesetzgebung, die mit Artikel 173 des Energiewendegesetzes Unternehmen zwingt, ihre Engagements bezüglich Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien zu veröffentlichen”, sagt Christory. Die europäischen Regulierungsbehörden hätten deshalb die französische Gesetzgebung als Vorbild genommen “Sie ist eines der Elemente, die Paris zu einem führenden Platz für grüne Finanzen macht, genau wie das Ökosystem der verschiedenen Akteure, die Hand in Hand arbeiten”, meint der Axa-Investitionschef. “Die Märkte haben sich von Frankreich inspirieren lassen.”Außerdem gebe es “in Frankreich ein Ökosystem an verantwortlichen Banken, wichtigen NGOs und anerkannten Wissenschaftlern”, sagt Eric Campos, der Direktor für gesellschaftliche und ökologische Verantwortung (CSR) bei Crédit Agricole. “Der Finanzplatz Paris hat Einfluss.” Dabei hilft ihm auch der seit 2015 jährlich durchgeführte Climate Finance Day. Ähnlich äußert sich Antoine Sire. Er ist bei BNP Paribas als Head of Company Engagement für das gesellschaftliche Engagement der Bank zuständig. “BNP Paribas und Crédit Agricole gehören zu den Top Ten der weltweit größten Banken, und wir haben Assetmanager, die zu den 30 wichtigsten gehören”, sagt er. Gleichzeitig habe die Politik in Europa recht hohe Standards vorgegeben. “Allein wegen seiner Größe ist der Finanzplatz Paris gut platziert, um diese Standards zu verbreiten.”Allerdings dürften das die Umweltschützer in Deutschland anders sehen, da Frankreich als Land der Atomenergie gilt. Dagegen wird in Frankreich oft kritisiert, dass Deutschland nach dem Atomausstieg vermehrt Kohlekraftwerke nutzt und damit viel CO2 freisetzt. Es gibt aber auch einen anderen Grund, warum der Finanzplatz Paris der Atomkraft nicht den Rücken kehrt. “Wissenschaftler glauben, dass erneuerbare Energien allein nicht ausreichen werden, den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis 2100 zu schaffen, sondern dass dafür auch Atomenergie benötigt wird”, sagt Eric Campos von Crédit Agricole. “Die IEA, die Internationale Energieagentur, geht in ihrem Szenario, das das wissenschaftliche Referenzsystem unserer Klimastrategie ist, davon aus, dass der Anteil von Atomenergie 2050 bei 16 % liegen wird.” Ohne Atomstrom geht’s nichtBNP Paribas wiederum verweist auf den Weltklimarat IPCC, der sagt, es sei unmöglich, die Ziele des Pariser Klimaabkommens ohne Atomenergie zu erreichen. “Das ist ein Element unserer Politik”, erklärt Antoine Sire. BNP habe jedoch im Hinblick auf Atomenergie eine sehr strenge Politik und arbeite nur mit Unternehmen zusammen, die sehr strenge Sicherheitsvorgaben einhielten.Bisher sei der Finanzplatz Paris sehr auf das Thema CO2-Ausstoß fokussiert, meinen Vertreter von Nichtregierungsorganisationen wie Lucie Pinson von Reclaim Finance. Den Finanzplatz Paris grüner zu machen könne sich jedoch nicht nur darauf beschränken, räumt sie ein. Allerdings müssten zuerst die Versprechen eingehalten werden, die hinsichtlich des Kohleausstiegs gegeben wurden. Die Finanzplatzvereinigung Paris Europlace und ihre für grüne Finanzen zuständige Einheit Finance for tomorrow haben zugesagt, dazu beizutragen, Mitte des Jahrhunderts die CO2-Neutralität zu erreichen.Finanzverbände und Organisationen haben deshalb gelobt, im Laufe des Geschäftsjahres 2020 Strategien für den Kohleausstieg zu veröffentlichen. Die für Banken und Versicherungen zuständige Aufsicht Autorité de contrôle prudentiel et de résolution (ACPR) und die Börsenaufsicht Autorité des marchés financiers (AMF) wiederum haben angekündigt, die Einhaltung der Versprechen zu beobachten und einen jährlichen Bericht dazu zu veröffentlichen. Der erste wird im November erwartet. Die Banque de France wiederum will einen Stresstest durchführen, bei dem auch Klimarisiken berücksichtigt werden sollen.Fünf Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen verfolgten jedoch nur acht französische Finanzinstitutionen eine stringente Politik für den Kohleausstieg, die auf die damals festgesetzte Begrenzung des Klimaanstiegs auf 1,5 Grad ausgerichtet sei, bedauert Lucie Pinson von Reclaim Finance. Viele kleinere Akteure hätten jedoch keine Strategie, da es weniger Druck auf sie gebe.Die vier börsennotierten Banken BNP Paribas, Crédit Agricole, Société Générale und Natixis sowie Axa dagegen haben versprochen, bis spätestens 2030 die Kohleindustrie in Europa und den OECD-Ländern nicht mehr zu finanzieren und nicht mehr in sie zu investieren, bis 2040 dann auch im Rest der Welt. Unternehmen müssen liefern”Wir sind die erste Geschäftsbank, die alle Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, aufgefordert hat, einen Plan für den Ausstieg aus der Kohle vorzuschlagen”, sagt der CSR-Chef von Crédit Agricole, Eric Campos. “Für uns ist das Thema, wie sich der Klimawandel auf unsere Kunden auswirkt, strategisch äußerst bedeutend. Sie bei ihrer Energiewende zu begleiten ist eine Notwendigkeit.”Kurzfristig jedoch dürfte der Kohleausstieg für die Akteure des Finanzplatzes Paris deutliche Konsequenzen haben – ähnlich wie seinerzeit, als Banken versprachen, Ölsand, Schiefergas und -öl nicht länger zu finanzieren. Damals hat BNP nach Angaben von CSR-Direktorin Laurence Pessez rund 60 Kunden ausgeschlossen, was einem Verlust von jährlichen Einnahmen von 100 Mill. Euro entsprach. Kurzfristig führt ein Ausschluss zwar zu Verlusten, doch er setze auch Geld frei, um die Energiewende zu finanzieren.”Zwei Jahre nachdem wir bei Schiefergas ausgestiegen sind, waren wir führend bei erneuerbaren Energien”, sagt ihr Kollege Antoine Sire. BNP sei langfristig orientiert. “Als wir bei Schiefergas ausgestiegen sind, ging es den Akteuren der Branche gut, doch inzwischen geht es ihnen nicht mehr so gut. Unsere Entscheidung hat sich damit auch wirtschaftlich als richtig erwiesen.” Zuletzt erschienen: Die Börse Stuttgart muss sich noch einmal neu erfinden (10. September) Gastbeitrag: Frankfurt als Schnittstelle zwischen Europa und China (8. September)