Chinas Immobilienkrise

Peking drängt die Banken zu mehr Hypothekengeschäft

China entlastet Banken bei den Kapitalanforderungen, damit diese wieder mehr Hypothekenkredite vergeben und den schwächelnden Immobilienmarkt ankurbeln.

Peking drängt die Banken zu mehr Hypothekengeschäft

Peking drängt die Banken ins Hypothekengeschäft

Finanzaufseher sorgen für Entlastung bei Kapitalanforderungen – Konjunkturpolitischer Einsatz gefordert – Rückläufige Realkredite erregen Aufmerksamkeit  

Chinas Staat fordert von den führenden Banken mehr Einsatz zur Stützung der Wirtschaft. Als besondere Schwachstelle gilt der Immobilienmarkt. Nun gilt es auch mit regulatorischem Entgegen­kommen bei den Kapital­anforderungen das Hypotheken­kreditgeschäft anzukurbeln.

nh Schanghai

Die gewaltigen Herausforderungen zur Wiederbelebung des von einer Verschuldungskrise bei führenden Bauträgern geprägten chinesischen Wohnimmobilienmarkts lassen Chinas Finanzregulatoren nach neuen Wegen suchen, die Hypothekenkreditvergabe anzukurbeln.

Wenige Tage nach Abschluss der Central Financial Work Conference, mit der Chinas Parteiführung und Regierung Prioritäten für die Steuerung des Finanzsektors setzen, kündigt die Finanzaufsichtsbehörde National Administration of Financial Regulation (NAFR) mit Wirkung zum 1. Januar 2024 neue Regeln für die Berechnung von Kapitalanforderungen der Geschäftsbanken an. Sie bringen chinesischen Großbanken insbesondere bei der Anrechnung von Hypothekenkrediten im Rahmen der Kapitalunterlegungspflichten eine wesentliche Entlastung. Des Weiteren wurden auch Risikogewichte für die Kreditvergabe im Retailkundengeschäft sowie gegenüber bestimmten Unternehmensgruppen und anderen Finanzinstitutionen herabgesetzt.

Angepasste Risikogewichte

Wie aus einer Mitteilung der NAFR vom Donnerstag hervorgeht, wird den Instituten für eine Übergangsperiode von zwei Jahren eine erweiterte Differenzierung von Risikogewichtsklassen ermöglicht. Je nach Schwerpunkten ihres Kreditportfolios führt dies zu einer erleichterten Erfüllung von Kapitalabdeckungsvorschriften beziehungsweise zu einer indirekten „Kapitalersparnis“. Die Neuverteilung der Risikogewichte führt insbesondere bei der Hypothekenkreditvergabe an Private zu einer signifikanten Reduzierung der mit Eigenkapital zu unterfütternden Risikoaktiva von im Durchschnitt etwa 25% – obwohl sich das Hypothekengeschäft der Banken seit dem vergangenen Jahr tatsächlich riskanter darstellt. Bei allen Instituten ist in diesem Segment die Non-Performing Loans Ratio, sprich der Anteil der notleidendenden Kredite am Gesamtportfolio, deutlich angestiegen.

Signifikante Kapitalersparnis

Der Regulator ändert nichts an den Minimalanforderungen zur Erfüllung von Kapitaladäquanzvorschriften, die auf eine Kernkapitalquote (Core Tier 1) von 5% hinauslaufen. Er sorgt mit der Risikogewichtsanpassung jedoch für eine kräftige Kapitalfreisetzung.

Die von der neuen Regelung begünstigte Eigenkapitalkonservierung dürfte sich gemäß einer Überschlagsrechnung chinesischer Sektoranalysten für die zentralstaatlich kontrollierten Großbanken sowie rund 120 als City Commercial Banks bezeichnete Kreditinstitute auf etwa 1 Bill. Yuan (128 Mrd. Euro) belaufen. Einer Researchnotiz der Investmentbank China International Capital Corp (CICC) zufolge führen die Regelveränderungen bei einzelnen Instituten zu einer Erhöhung ihrer regulatorischen Kernkapitalquote in einer Größenordnung von 0,2 bis 0,35 Prozentpunkten.

Das regulatorische Entgegenkommen steht im engen Zusammenhang mit den Bestrebungen Pekings, die staatskontrollierten Großbanken für die Verfolgung von wirtschaftspolitischen Zielen direkter einzuspannen. Sie sind quasi öffentlich dazu aufgerufen, einen Beitrag zur Gesundung der unerwartet zäh laufenden Konjunktur leisten.

Peking setzt Prioritäten

In sehr allgemeinen Verlautbarungen zu den Ratschlüssen der Central Financial Work Conference hatte es am Dienstag geheißen, dass die Regulierung und Überwachung der Bauträger sowie ihr Zugang zu Finanzierungsquellen verbessert werden sollen. Gleichzeitig wird auf eine Anregung der Wohnimmobiliennachfrage nach lokalen Gegebenheiten abgestellt, wobei auch die von Stadtverwaltungen und Gebietskörperschaften austarierten Vorschriften zu Beleihungsgrenzen und Anzahlungsraten für kreditfinanzierte Neuwohnungskäufe eine Rolle spielen.

In den vergangenen zwei Jahren haben die massiven Überschuldungs- und Liquiditätsprobleme von mittlerweile berühmt-berüchtigten Immobilienentwicklern wie Evergrande oder Country Garden den typischerweise von hoher Nachfrage geprägten Neuwohnungsmarkt schwer kompromittiert. Dies führt zu einer starken Zurückhaltung bei kreditfinanzierten Vorverkäufen von Neuwohnungen in den meist riesigen Hochhausanlagen, deren zeitgerechte Fertigstellung durch die prekäre Situation der Bauträger kompromittiert wird.

Die gebremste Realkreditvergabe und ein kräftiger Rückgang der privaten Immobilieninvestitionen sind ein wesentlicher konjunktureller Bremsfaktor, der Chinas Wirtschaftslenkern Kopfzerbrechen bereitet. Eine kürzlich veröffentlichte Kreditstatistik der Zentralbank sorgt dabei für Aufsehen. In der Aufstellung zum Septemberultimo ist der Bestand an Realkrediten der Geschäftsbanken gegenüber Vorjahr um rund 100 Mrd. auf 53,2 Bill. Yuan gesunken.

Absolutes Novum

Ausschlaggebend für den Trend sind nicht die auf Pekinger Geheiß anziehenden Kredite der Geschäftsbanken an Immobilienfirmen, sondern das Versiegen von privaten Hypothekenkrediten. Hier ist der Bestand Ende des dritten Quartals um knapp 500 Mrd. Yuan auf 38,4 Bill. Yuan gesunken. Es mag sich um einen geringfügigen Rückgang handeln, dessen Signifikanz dennoch nicht zu unterschätzen ist. Eine solche Kreditkontraktion ist ein absolutes Novum in Chinas wachstumsstrotzender Wirtschaftshistorie. Gerade im Immobiliensektor sah man vor der Pandemie zweistellige Kreditzuwachsraten.

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