Plädoyer für nationale Bankfusionen

Für SocGen-Chairman Bini Smaghi ist Konzentration innerhalb der Landesgrenzen das Gebot der Stunde

Plädoyer für nationale Bankfusionen

Während sich Anleger auf eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank vorbereiten, verdichten sich Anzeichen, dass auch Unicredit an einer Übernahme der Commerzbank interessiert ist. Lorenzo Bini Smaghi, Chairman von Société Générale, plädiert für nationale Konsolidierung im europäischen Sektor. Von Gerhard Bläske, MailandFür Lorenzo Bini Smaghi, Chairman der Société Générale (SocGen), sind nationale Zusammenschlüsse im Bankensektor das Gebot der Stunde. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung will er sich zwar nicht konkret zu einer Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank äußern. Das langjährige Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) macht aber deutlich: “Priorität hat die nationale Konsolidierung. Die Bedingungen für transnationale Fusionen sind wegen politischer, ökonomischer und regulatorischer Hürden noch nicht gegeben.”Bini Smaghi meint, dass es “vor allem in Deutschland und Italien zu viele Banken gibt”. Und zu viele davon seien wenig rentabel. Vor grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen, in denen “Synergien nur sehr schwer zu erreichen sind”, müssten große nationale Akteure gebildet werden. Nach seiner Ansicht erwirtschaften nur große Banken mit vielen Kunden und größeren Geschäftseinheiten die nötigen Margen.Nationale Fusionen böten die Chance, durch die Vereinheitlichung der IT, die Bildung größerer Einheiten, Filialschließungen und Personalabbau Synergien zu erreichen, argumentiert er. Erst wenn dieser Prozess abgeschlossen sei, könne man an internationale Operationen denken. Das gelte auch für SocGen: “Wir wollen weiter wachsen und sind bereit, eine wichtige Rolle im internationalen Konsolidierungsprozess zu spielen, wenn die Bedingungen dafür vorhanden sind”, erklärt er.”Jedes Land braucht drei bis vier große Banken. In Italien müssen da noch ein bis zwei weitere dazukommen”, findet Bini Smaghi, der heute zwischen Paris und Rom pendelt. Im Fall der Genueser Krisenbank Carige, bei der immer mehr Interessenten abspringen, glaubt er, dass mögliche Übernehmer so lange warten, bis sie das Institut zum Nulltarif bekommen – wie 2017 zwei Banken aus Venetien, die sich Intesa Sanpaolo für 1 symbolischen Euro einverleibt hat.In einer nächsten Stufe ist die Bildung europäischer Champions laut Bini Smaghi dringend nötig: “Es ist wichtig, große europäische Banken zu schaffen, um die finanzielle Stabilität in Europa zu verbessern und mit den US-Banken konkurrieren zu können. Ohne große europäische Banken gibt es keinen wirklichen europäischen Kapitalmarkt.” Angebliche Übernahmepläne der italienischen HVB-Mutter Unicredit für die Commerzbank will der Banker nicht kommentieren. Bei Unicredit hieß es auf Anfrage, man äußere sich grundsätzlich nicht zu “Gerüchten und Spekulationen”. Kritik an Regulierung Bini Smaghi beklagt eine aus seiner Sicht zu restriktive nationale Regulatorik in vielen Ländern, welche die Mobilität des Kapitals behindere. Die Positionen in Deutschland und in den Niederlanden etwa in Bezug auf die Voraussetzungen für eine europäische Einlagensicherung seien extrem. Mit ihrem Bestehen darauf, dass Italiens Banken zuerst Bestände an faulen Krediten und Staatsanleihen abbauen müssten, hätten sie zur Verschärfung der Krise im italienischen Bankensektor beigetragen. Bini Smaghi kann die Überlegungen des italienischen Bankenverbandes Abi, Schadenersatzforderung an Brüssel in Höhe von 12 Mrd. Euro zu prüfen, nicht nachvollziehen. Diese waren erhoben worden, nachdem ein EU-Gericht kürzlich eine Entscheidung von EU-Wettbewerbskommissarin Marghrete Vestager korrigiert hatte. Vestager hatte 2015 die Rettung einer Bank durch italienische Privatbanken untersagt. “Ich weiß nicht, auf welcher Basis die Forderung erhoben wird.” Schaden erlitten hätten vor allem die Volksbank von Bari sowie die Bondholder von vier italienischen Banken, die pleitegegangen sind. Für die privaten Banken sei die folgende Rettung mehrerer Institute durch den Staat kostengünstiger gewesen. Andernfalls hätten sie zahlen müssen.Keinen Kommentar wollte Bini Smaghi zur Diskussion um die Nachfolge von EZB-Chef Mario Draghi abgeben. Kritik an dessen Geldpolitik wies er zurück: Die EZB habe die Zinsen seinerzeit eher zu spät gesenkt. Es gebe keine Alternative zum eingeschlagenen Kurs.Die Übernahme eines politischen Amtes schließt Bini Smaghi aus. An der aktuellen Situation Italiens, das in einer Rezession steckt, trügen frühere Regierungen entscheidend mit Schuld. Die langjährige Niedrigzinsphase sei leider nicht zum Schuldenabbau genutzt worden. Der Schuldenstand sei sogar weiter gestiegen. Bini Smaghi fordert dringend Reformen. Er befürchtet, dass die Neuverschuldung im nächsten Haushalt auf 4 bis 4,5 % steigt. Die Lage verschärfe sich durch Brexit, Handelskriege und eine drohende Finanzkrise. “Wir stehen am Ende eines Wachstumszyklus”, meint der überzeugte Europäer. Bini Smaghi hofft, dass der Brexit den Europakritikern eine Lehre ist. “Europa bringt Vorteile für alle und ist im gemeinsamen Interesse. Jeder muss dafür in bestimmten Fragen nachgeben.” Vielleicht werde die voraussichtliche Stärkung der Populisten bei den Europawahlen dazu beitragen, die Diskussionskultur über die Zukunft Europas zu beleben, hofft Bini Smaghi.