Frankfurt Digital Finance

Plädoyer für engeren Schulterschluss im europäischen Kapitalmarkt

Europas Kapitalmarkt schöpft sein Potenzial nicht aus: Es braucht eine andere Aktienkultur, weniger Regulierung und vor allem mehr Kooperation, wie ein deutsch-französisches Panel konstatiert.

Plädoyer für engeren Schulterschluss im europäischen Kapitalmarkt

Plädoyer für engeren Schulterschluss

Frankfurt Digital Finance: Deutsch-französische Kooperation kann EU-Kapitalmarkt stärken

scd Frankfurt

Es braucht eigentlich kein hervorragend besetztes Panel, um zu erkennen, dass der europäische Kapitalmarkt sein Potenzial nicht ausschöpft. Dennoch lohnt es, sich ein paar Relationen vor Augen zu führen. In den USA gehen etwa 0,8% des BIP in Venture Capital, mehr als viermal so viel wie auf dem alten Kontinent. „Ich denke, das ist ein deutliches Zeichen dafür, welches Aufholpotential wir hier noch haben“, betonte Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Mauderer auf der Frankfurt Digital Finance.

Zu wenig am Kapitalmarkt investiert

Ingrid Hengster, CEO von Barclays Germany, ergänzte, dass Europa zwar ein großer, entwickelter Kapitalmarkt sei. Verglichen mit den USA sei der Rückstand aber groß. Die Marktkapitalisierung mache in Europa rund 60% des Bruttoinlandsprodukts aus. In den USA seien es 180%. Einer der wesentlichen Gründe: In Europa seien 20 bis 30% der Menschen im Kapitalmarkt investiert, in den USA seien es rund zwei Drittel. „Wir brauchen dringend Fortschritte im Verbriefungsgeschäft, wenn wir kompetitiv sein wollen“, so Hengster. Es brauche in Europa mehr Pensionsfonds, „sei es privat oder staatlich.“ Für Vorbilder müsse man nicht einmal in die USA blicken. Auch in Schweden, der Niederlande oder Großbritannien gebe es erfolgreiche Modelle.

Augustin de Romanet, Chairman Paris Europlace, setzt auf eine deutlich engere Kooperation der beiden europäischen Schwergewichte Frankreich und Deutschland. Er hat ein jährliches Treffen von Vertretern der beiden Finanzplätze Paris und Frankfurt angekündigt, um die Abstimmung zu verbessern. Daran, davon ist de Romanet überzeugt, habe es im wesentlichen gemangelt. „Wir sind ein wenig wie früher Paris St. Germain. Ein starker Verein mit fantastischen Starspielern, die aber nicht gut genug kooperieren, um ihre Stärken voll auszuspielen.“ Philippe Oddo, Managing Partner and Chairman of the Managing Board Oddo BHF, konstatierte, dass Europas Kapitalmarkt international „hinterherhinke“. Aber jetzt sei „keine Zeit zum Jammern, sondern eine Zeit, zu handeln.“ Das Zeitfenster sei günstig, um Anpassungen fehlgeleiteter Regulierung anzugehen. Als ein Beispiel nannte er Mifid 2: „Wo stehen wir zehn Jahre nach der Einführung? Die Zahl der Analysten hat sich in einer Dekade mehr als halbiert.“ Brüssel müsse klargemacht werden, wohin falsche Regulierung führen könne. „Denn wenn wir Research zu europäischen Firmen nicht mehr finanzieren können, wer macht es dann?“

Plädoyer für Offenheit und Diversität

Oberste Priorität hat für Oddo, die Europäer dazu zu bringen, in Aktien zu investieren. Dazu gebe es ohnehin keine Alternative, pflichtete de Romanet bei: „Wir laufen auf eine demografische Wand zu. Die Menschen müssen selbst vorsorgen, weil sie nicht davon ausgehen können, dass die arbeitende Bevölkerung die Renten in Zukunft weiter bezahlen wird.“ Auch Mauderer rät dazu, Vorbildern wie Schweden mit einem kapitalgedeckten Rentenanteil nachzueifern, damit mehr Menschen direkt am Kapitalmarkt investiert sind. Die Bundesbankerin plädiert aber auch für eine weitere Komponente im Kampf gegen die Demografie. „Wir sollten divers und offen für Talente aus anderen Ländern bleiben. In der heutigen Zeit ist es besonders wichtig, das zu betonen. Nicht nur für die europäische Idee.“