Planwirtschaft an der falschen Stelle

Es bleibt zu hoffen, dass die Arznei den Patienten nicht nachhaltig schädigt

Planwirtschaft an der falschen Stelle

Für die Immobilienwirtschaft sah es nie besser aus als heute, oder? Die deutsche Wirtschaft wächst, die Zahl der Arbeitslosen sinkt. Die Steuereinnahmen sprudeln. Als “Wahlvorbereitungen” werden schon in der Breite Steuersenkungen diskutiert. Also kommt noch einmal mehr Liquidität und positive Stimmung in den Markt. Und die Zinsen? Die Zinsen bleiben so niedrig wie bisher.Seit einem Jahr hört man nun insbesondere seitens der deutschen Finanzaufsicht von einer deutschen Immobilienblase. Richtig ist, dass sich zumindest in den attraktiven Ballungsräumen im privaten Wohnungsmarkt nachfrage- und zinsgetrieben die Kaufpreise stark erhöht haben – und im letzten Jahr sogar stärker gestiegen sind als die Mietpreise. Wohin mit dem Geld?Aber institutionelle wie private Anleger wissen schlicht nicht mehr, wohin mit ihrem Geld – es sei denn in den Aktien- und Immobilienmarkt. Also kommt es zu einer “Asset-Inflation”, aber diese Art der Wirtschaftsgüter ist leider nicht Teil der Inflationsberechnungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Also geht es weiter mit der Niedrigzinspolitik als Kerntreiber für die Preise von Sachwerten – wie gesagt: Die Zinsen bleiben bestenfalls so niedrig wie bisher. Nun breitet sich ein immer stärker werdender Wettbewerb verschiedener Institutionen aus, die berufen sind oder sich berufen fühlen, in den Immobilienmarkt aus den unterschiedlichsten Gründen einzugreifen.Mit dem Ziel des Umweltschutzes wurden mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) seitens der Bundesregierung aufwendige und kostentreibende Vorschriften etabliert. Mit diesen Vorschriften wurde und wird es dem Durchschnittsbürger zunehmend schwerer gemacht, Immobilieneigentum zu erwerben. Niemand würde heute bauen, ohne ökologische Aspekte zu berücksichtigen. Aber die entsprechenden Vorschriften müssen in ihrer Gesamtheit ökonomisch umsetzbar sein und dürfen nicht bestimmte Bevölkerungsschichten vom Thema Immobilieneigentum schlicht ausgrenzen. Die permanenten Erhöhungen der Grunderwerbsteuer verschärfen dieses Problem noch. Dabei ist bezahlbarer Wohnraum nicht umsonst werbewirksamer Bestandteil nahezu aller Parteiprogramme.Vergleichbar sind die Effekte der noch relativ neuen Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Sie soll Bau- und Kaufwillige vor der Überschuldung bewahren – und die Volkswirtschaft vor der vielzitierten Immobilienblase schützen. Für die deutschen Sparkassen hat diese neue Richtlinie im ersten Halbjahr 2016 zu einem Rückgang der privaten Wohnimmobilienkredite um knapp 9 % geführt – und das, obwohl die Richtlinie erst seit dem 21. März in Kraft ist. Das ist eine bemerkenswerte Bremswirkung.Diese Wirkung entfaltet sich aber nur bei bestimmten Bevölkerungsgruppen, denen eine Kreditaufnahme erschwert oder praktisch unmöglich gemacht wird. Konkret betroffen sind Selbständige, junge Familien und Rentner. Diese werden aber nicht nur von Neugeschäften ferngehalten. Vielmehr werden diese Gruppen ohne wesentliche Änderungen an der Richtlinie in Zukunft massiv in Bedrängnis kommen, wenn Anschlussfinanzierungen für Immobilienkredite anstehen, die vor der Richtlinie abgeschlossen wurden.Ebenfalls wenig vertrauenerweckend sind die aktuellen Diskussionen der Aufsicht und der Regierung über weitere regulatorische Maßnahmen wie Vorschriften für den Loan to Value (LTV – Beleihungsauslauf) oder wieder einmal pauschale zusätzliche Kapitalanforderungen für Immobilienkredite.Denn die erst im Sommer dieses Jahres kommunizierten und noch nicht einmal final festgelegten schärferen Vorschriften zur Eigenkapitalunterlegung aus Basel IV sind ja noch überhaupt nicht richtig wirksam. Ordnungspolitisch wird auch oft die Frage gestellt, ob eine Konzentration der Banken und Sparkassen auf Immobilienkredite nicht automatisch zu einem “Zuwenig” an wachstumsfördernden Innovations-/Investitionsfinanzierungen führt. Davon ist man hierzulande in den aktuellen Zeiten aber weit entfernt. Erste NebenwirkungenInsgesamt kann man schon in Frage stellen, ob der Immobilienmarkt wirklich krank ist. In jedem Fall sind bereits viele “Ärzte” mit unterschiedlichen Therapieansätzen mit dem vermeintlich kranken Patienten beschäftigt. Die verschriebenen Medikamente sind zum Teil noch nicht einmal erprobt und zeigen schon heute erste Nebenwirkungen. Es bleibt zu hoffen, dass am Ende nicht die Arznei den Patienten nachhaltig schädigt. Für die Immobilienwirtschaft sah es nie besser aus als heute, oder?—Oliver Klink, Vorstandsvorsitzender der Taunus Sparkasse