Politik gefährdet Immobilienanlage

Investoren zögern bei Berlin-Engagement - Kreditprozess wird digital

Politik gefährdet Immobilienanlage

tl Frankfurt – Politische Risiken sind nach Meinung von JLL eine Quelle von Störfaktoren für die (Immobilien-)Märkte. Dazu gehöre insbesondere ein Handelskrieg, sagte Timo Tschammler, CEO JLL Deutschland, auf dem 15. Immobilientag der Börsen-Zeitung. Im dritten Quartal 2019 galt diese Gefahr bei Marktteilnehmern als deutlich größer als noch im Quartal zuvor. “Diesen Spitzenplatz wird der Handelskrieg wohl auch im weiteren Verlauf dieses Jahres verteidigen.”Die Diskussion über Mietendeckel und Enteignungen, aber auch die verstärkte Nutzung des Vorkaufsrechts durch die Kommunen, wirkt sich nach den Worten von Tschammler bereits deutlich aus. “Beim Vorkaufsrecht werden wir häufig gefragt, worauf man sich einstellen muss. Und die Modernisierungs- und Instandhaltungsbudgets werden reduziert.” Die politischen Einflüsse hätten bereits negative Auswirkungen auf das Transaktionsvolumen in Berlin, stellt der JLL-Deutschlandchef fest. Beim Thema Enteignungen gehe es nicht nur um das Wegnehmen von Wohnungen, sondern auch um indirekte Effekte. Diese zeigten sich deutlich an der Kursentwicklung der Deutsche-Wohnen-Aktie seit April dieses Jahres. Handelskrieg, Zölle, BrexitDie größten Risiken für die deutsche Konjunktur und damit auch für die Immobilienkonjunktur sind für Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba, ein Handelskrieg mit China, US-Zölle auf Autoimporte und ein chaotischer Brexit. Sie hält das aber für wenig wahrscheinlich – der Brexit werde vermutlich bis Januar verlängert und US-Präsident Donald Trump sei auf einen Deal angewiesen, um die US-Konjunktur nicht abzuwürgen, was seine Wiederwahl gefährden könnte. In Deutschland gebe es zwar zu wenige Wohnungen. “Die Lösung ist aber nicht, das Fieberthermometer wegzuwerfen oder zu zerstören, sondern mehr zu bauen”, sagte Traud.Auch für Sascha Klaus ist der in Berlin diskutierte Mietendeckel “extremst verstörend”. Angesichts von Mietpreisreduzierungen bei einem Mieterwechsel sprach der Chef der Berlin Hyp von einer “heimlichen Enteignung”. Auch er beobachtet deutliche Auswirkungen dieser Diskussion: “Etliche institutionelle Investoren machen inzwischen einen Bogen um Berlin.” Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass es am Gesetzentwurf noch Änderungen geben wird.Im Zuge der Digitalisierung – laut Klaus das Topthema in der Branche – werde die Berlin Hyp ihren gesamten Kreditprozess neu strukturieren. “Wir wollen dem Kunden früh sagen, ob er die gewünschte Finanzierung bekommt oder nicht.” Klaus hat keine Angst vor Kredit-Plattformen. “Die werden bleiben. Deshalb arbeiten wir mit ihnen zusammen. Die traditionelle Immobilienfinanzierung werden sie in den nächsten zehn Jahren aber nicht ablösen.”Der Berlin-Hyp-Chef verglich die Banken mit einer Waschmaschine: “Die Risiken gut zu strukturieren und im Markt gut zu verteilen, wird die größte Kompetenz der Banken sein.” An eine komplette Automatisierung der gewerblichen Immobilienfinanzierung glaubt er nicht. “Wir brauchen weiter einen Piloten, der überwacht und seine subjektive Meinung einfließen lässt.””Eine Kooperation von Proptechs, Fintechs und Banken ist sinnvoll”, sagte Carl-Friedrich von Stechow von Zinsland in der anschließenden Podiumsdiskussion. Dabei müssten Proptechs aber ihre Freiheit gelassen werden. Klaus wies darauf hin, dass ihre Reputation für Banken ein hohes Gut sei. “Daher können wir mit Fintechs und Proptechs nur bis zu einem bestimmten Limit herumexperimentieren.” Die Bank kooperiert mit der Online-Plattform Brickvest und ist an ihr beteiligt.Michael Müller von PriceWaterhouseCoopers empfahl allen Beteiligten, angesichts der geplanten Fristverlängerungen bei der grunderwerbsteuerfreien Übertragung von Immobilien gesund zu leben. Damit die Gesetzesnovelle nicht gegen das Grundgesetz verstößt, sollen alle börsennotierten Gesellschaften davon ausgenommen werden, so Müller. Sie sei auch europarechtlich fragwürdig, da eine EU-Richtlinie nicht berücksichtigt werde. Informationen in EchtzeitNach Meinung von Jörg Quentin von der Deutschen Pfandbriefbank muss die Immobilienbewertung der Zukunft wesentliche Informationen aus den umfangreichen Datenbeständen (Big Data) möglichst in Echtzeit zur Verfügung stellen. Die Informationen müssten ohne subjektive Einflüsse ausgewertet und für die unterschiedlichen Anforderungen so aufbereitet werden, dass eine ständige Überwachung des Risikoprofils und der Immobilienwerte bzw. des Immobilienportfolios auch automatisiert möglich ist. “Den Gutachter als Berater und Analyst braucht’s aber weiter.”Die Regulierung auf dem deutschen Wohnungsmarkt sieht Konstantin Kortmann von JLL mit gemischten Gefühlen. Sie setze keinen Anreiz für Erhalt oder Verbesserung von Wohnraum, erhöhe aber die Kosten. Außerdem würden Preis- und Knappheitssignale unterdrückt. So würden in Wiener Gemeindewohnungen jährlich nur etwa 5 000 neue Mietverträge abgeschlossen.