GASTBEITRAG

Positive Effekte von alternativen Anlagen unter Solvency II

Börsen-Zeitung, 5.4.2016 Alternative Anlagen steigern die Diversifikation des Gesamtportfolios, reduzieren den Duration-Gap zwischen der Aktiv- und Passivseite, optimieren die Neuanlagenrendite und vermindern die Volatilität der Erträge. Alternative...

Positive Effekte von alternativen Anlagen unter Solvency II

Alternative Anlagen steigern die Diversifikation des Gesamtportfolios, reduzieren den Duration-Gap zwischen der Aktiv- und Passivseite, optimieren die Neuanlagenrendite und vermindern die Volatilität der Erträge. Alternative Anlagen haben traditionell im Portfolio von Versicherungsunternehmen bis vor kurzem eher einen niedrigen einstelligen Prozentsatz ausgemacht. Doch im anhaltenden Niedrigzinsumfeld hat ein Umdenken eingesetzt. Um ihre Renditeverpflichtungen erfüllen zu können und die benötigten Erträge zu erzielen, beschreiten Versicherer neue Wege bei der Kapitalanlage. Dabei steigt das Interesse an Investitionen in Infrastruktur- oder Flugzeugfonds als ergänzende Portfoliobeimischung.Für Anlagen in Infrastruktur sprechen eine hohe Stabilität und ein hoher Substanzwert. Flugzeuge sind ein langlebiges Standardgut, flexibel einsetzbar und im Angebot begrenzt. Ihre üblicherweise mittel- bis langfristige Vermietung im Rahmen von Operating-Leasing-Verträgen sorgt für planbare, stabile Cashflows. In der anhaltenden Niedrigzinsphase bieten beide Anlageklassen bessere Renditechancen im Vergleich zu Anleihen und können mit der Einführung von Solvency II ihre Vorteile verstärkt ausspielen. Marktrisiko berechnenSolvency II stellt Versicherungsunternehmen vor neue Herausforderungen. Zum einen müssen sie über so viel Eigenkapital verfügen, dass sie Negativereignisse wie Großschäden durch Naturkatastrophen oder extreme Verwerfungen an Aktien- und Anleihemärkten verkraften können. Zum anderen müssen sich die Versicherungsunternehmen laufend mit ihrer Risiko- und Finanzlage befassen, denn es gilt, auf Basis eines Durchschauverfahrens das Marktrisiko der Kapitalanlagen zu berechnen und so die Solvenzkapitalanforderung (Solvency Capital Requirement, SCR) eigenverantwortlich zu ermitteln.Sind die vorhandenen Eigenmittel höher als die Solvenzkapitalanforderung, ist die Bedeckungsquote beziehungsweise das Verhältnis von Eigenmitteln des Unternehmens zur Solvenzkapitalanforderung größer als 100 %. Die über diese Quote hinaus bestehenden Eigenmittel sind der errechnete Risikopuffer für den zugrunde gelegten Schock und können gezielt für die Generierung von Zusatzerträgen genutzt werden. Sind hingegen weniger Eigenmittel verfügbar, als die Solvenzkapitalanforderung verlangt, liegt die Bedeckungsquote unter 100 %. Dies führt zu einem Eingriff der Versicherungsaufsicht.Vor diesem Hintergrund können alternative Anlagen gezielt zur Optimierung des Portfolios eingesetzt werden. Denn auch unter Solvency II geht es für die Versicherungsunternehmen darum, eine attraktive Gesamtverzinsung zu erzielen, um Zinsgarantieansprüche im aktuellen Umfeld bedienen zu können. Ein rein nach nominellen Solvenzkapitalanforderungen optimiertes Anlageportfolio erscheint deshalb ökonomisch weniger sinnvoll. Denn Anlagen mit niedriger SCR wie festverzinsliche Titel erweisen sich derzeit als ertragsschwach und sind somit wenig geeignet, die notwendigen Erträge zu erwirtschaften. Eine Übergewichtung von Zinstiteln ist zudem gleichbedeutend mit geringerer Risikodiversifikation und erhöhtem Zinsrisiko.Alternative Anlagen dagegen wirken sich unter dem Gesichtspunkt der Risikodiversifizierung unter Solvency II positiv im Portfolio aus, da diese diversifizierende Effekte zeigen und im Standard-Portfolio von Versicherern gegenwärtig meist untergewichtet sind. Somit ergibt sich ein teils erheblicher Unterschied zwischen der nominellen und der effektiven SCR im Vergleich verschiedener Anlagen.Um die effektive SCR alternativer Anlagen zu berechnen, ist ihre diversifizierende Wirkung auf das bestehende Gesamtanlageportfolio zu erfassen. Insbesondere vier Aspekte werden hierbei positiv berücksichtigt. Erstens verbessern alternative Anlagen, die eine geringe Korrelation mit Zinstiteln als Hauptanlagen mitbringen, die Risikoposition des Gesamtportfolios. Dies führt unter Solvency II zu “Diversifikationsgutschriften”. Zweitens erhöhen langfristige Investitionen mit Anlagedauern von zwölf bis 15 Jahren auf der Aktivseite die Duration. Damit tragen sie zu einer Reduzierung des Duration-Gaps bei, das sich bei Lebensversicherern zwischen der Aktiv- und der Passivseite bildet.Drittens tragen sie zu einer möglichst hohen durchschnittlichen Kapitalverzinsung in der Neuanlage bei. Viertens schließlich vermindern Anlagen, die eine geringe Volatilität hinsichtlich der Ertragserwartung ins Portfolio bringen, die Streuungsbreite der Gesamterträge. Über diese geringere Ertragsvolatilität reduzieren sich die Passivpositionen für “Optionen und Garantien”, was wiederum das verfügbare wirtschaftliche Eigenkapital stärkt und die Solvenzdeckung verbessert.Je besser ein Versicherer bereits in seinem Portfolio diversifiziert ist oder das Duration-Gap minimiert hat, desto geringer fallen diese Boni auf die Eigenkapitalhinterlegung aus. Aus diesen Gründen kann die effektive SCR immer nur konkret für ein Versicherungsunternehmen berechnet werden. Dennoch lassen sich mit den beispielhaften Ergebnissen zur SCR-Veränderung bei verschiedenen Anlagegegenständen wichtige Stellschrauben aufzeigen. SCR-SimulationMit Hilfe einer etablierten Solvency-II-Berechnungssoftware lässt sich die effektive SCR-Belastung von alternativen Investments wie Infrastruktur- oder Flugzeugfonds für die durchschnittliche deutsche Lebensversicherung simulieren. Dabei wird die effektive Belastung unter Berücksichtigung der wesentlichen Effekte auf der Aktiv- und Passivseite einer Versicherungsbilanz berechnet. Das Beispiel zeigt, dass die Solvency-II-Bedeckungsquote beim Tausch von Unternehmensanleihen in ein alternatives Investment wie Flugzeugleasing nur um 1 % sinkt. Gleichzeitig jedoch steigt die Renditeerwartung überproportional an.Werden Aktien des Typs 1, die auf regulierten Märkten in Ländern des europäischen Wirtschaftsraums und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gelistet sind, in ein alternatives Investment wie Flugzeugleasing getauscht, lässt sich auf diese Weise gezielt die SCR-Bedeckungsquote steigern und damit das Portfolio unter Solvency-II-Gesichtspunkten weiter optimieren.Versicherer können auch unter Solvency II renditestarke alternative Investments tätigen, ohne viel Eigenkapital zu verbrauchen, da die risikominimierenden Effekte sich nun in Zahlen zeigen. Darüber hinaus wird deutlich, dass nur die Gesamtbetrachtung der SCR im konkreten Vergleich gemeinsam mit dem Kapitalertrag eine solide Grundlage für die richtige Anlageentscheidung bildet.Rendite-Optimierung: Werden 225 Mill. Euro (1,5 % des Portfolios) gegen Unternehmensanleihen (1,5 % des Portfolios) getauscht und in einen Flugzeugportfoliofonds investiert, sinkt die Solvency-II-Bedeckungsquote im Vergleich zum Musterportfolio um einen Prozentpunkt auf 118 %. Die Eigenmittelanforderung liegt um 2 % (4 Mill. Euro) höher als bei einem Unternehmensanleihen-Portfolio. Gleichzeitig steigt die Renditeerwartung um 3,8 %. OptimierungSCR-Optimierung: Werden 225 Mill. Euro (1,5 % des Portfolios) gegen Aktien des Typs 1 (1,5 %% des Portfolios) getauscht und in einen Flugzeugportfoliofonds investiert, steigt die Solvency-II-Bedeckungsquote im Vergleich zum Musterportfolio um fünf Prozentpunkte auf 124 %, jedoch sinkt die Renditeerwartung um 2 % bezogen auf das Tauschvolumen.—-Gert Waltenbauer, Chief Executive Officer KGAL