BANKEN IM BANN VON CORONA

Private Banken fordern Kapitalerleichterungen

BdB warnt Aufsicht vor "massiv selbstverstärkenden" Mechanismen und negativen Folgen für die Eigenmittelausstattung durch Corona

Private Banken fordern Kapitalerleichterungen

Deutschlands private Banken verlangen umfangreiche Lockerungen bilanzieller und regulatorischer Vorgaben, um “massiv selbstverstärkenden” Effekten der Corona-Krise auf die Institute entgegenzuwirken. Dies zeigt ein der Börsen-Zeitung vorliegender Brief des Verbands an den Ausschuss für Finanzstabilität. bn Frankfurt – Deutschlands Privatbanken fordern im Lichte der Corona-Krise umfangreiche Erleichterungen durch Aufsicht, Regulierung und Geldpolitik. Dies geht aus einem Schreiben des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) an den Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) hervor, das der Börsen-Zeitung vorliegt. Die Argumentation: Es müssen nun alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um es Banken zu ermöglichen, Kunden in der Krise die Stange zu halten – auch wenn sich die Lage der Kunden verschlechtern sollte und auf Ergebnisse und Kapitalbedarf der Banken durchschlägt.Damit nehmen die Forderungen aus der Branche nach regulatorischen Lockerungen im Lichte der Krise zu. Vor Tagen hatte sich bereits der italienische Bankenverband dafür starkgemacht, die aufsichtlichen Vorgaben zum Umgang mit notleidenden Krediten zu lockern. Dem Vernehmen setzt der deutsche Bankenverband denn auch darauf, für seinen Vorstoß die Unterstützung der Deutschen Kreditwirtschaft, dem Zusammenschluss der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände in Deutschland, sowie des europäischen Bankenverbands EBF zu erhalten.Politisch ist der Vorstoß für den Verband, aber erst recht für Politik und Aufsicht heikel. Schließlich musste die Politik erst vor zwölf Jahren Banken mit großem Aufwand an Steuergeld stabilisieren. Nach Darstellung des BdB geht es in der Corona-Krise um einen Angebotsschock, den es rasch abzumildern gilt. Angesichts der unter Druck geratenden operativen Stabilität in Firmenzentralen durch Krankheit und Quarantäne ausgelöste Engpässe, erster Schließungen von Firmenzentralen sowie eines spürbaren Buchungsrückgangs im Gastronomie-, Hotel- und Reisegewerbe müsse mit “erheblichen Störungen in den operativen Cash-flows” von Unternehmen gerechnet werden, schreibt der Verband. Die Turbulenzen könnten dazu führen, dass die von Banken bereitgestellten Liquiditätslinien von Unternehmen voll gezogen, Zahlungsrückstände deutlich zunehmen und Kreditvereinbarungen (Covenants) gebrochen werden. Daher müsse damit gerechnet werden, dass der Liquiditätsbedarf der Banken “insgesamt massiv steigen wird”.Zugleich werden die regulatorischen und bilanziellen Anforderungen an Banken “zu erheblichen Kapitalbelastungen im Bankensektor führen”, wie der Verband schreibt. Er verweist darauf, dass sich die Bonität von Kunden verschlechtern dürfte und Kreditlinien stärker beansprucht werden könnten. So würden im Geschäft mit Unternehmen die bilanziellen Vorgaben zur Bildung von Risikovorsorge in Verbindung mit den Regeln zum Umgang mit faulen Forderungen “die negativen Auswirkungen auf die Wertberichtigungen und die Kapitalseite noch weiter signifikant verstärken”. Die regulatorischen und bilanziellen Mechanismen wirkten besonders in einer solchen rapiden, sektorübergreifenden Krise “massiv selbstverstärkend”. “Flexibler” Umgang mit IFRS 9Die Organisation regt an, die Bilanzregeln zur Risikovorsorge nach IFRS 9 sowie die regulatorische Ausfalldefinition “flexibler” zu handhaben, “um einem in dieser Ausnahmesituation potenziell überhöhten Risikovorsorgeniveau und Kapitalbedarf entgegenzuwirken”. Die Bilanznorm IFRS 9 sieht vor, dass Banken, sobald sich die Bonität eines Schuldners bedeutend verschlechtert, aus der Forderung zu erwartende Belastungen nicht mehr auf Sicht von nur einem Jahr, sondern über die gesamte Laufzeit als Risikovorsorge bilden. Schon bei Einführung der Vorgabe Anfang 2018 war in der Branche kritisiert worden, IFRS 9 werde prozyklisch wirken, gerade wenn sich die Bonität von Schuldnern im Falle eines Konjunkturabschwungs auf breiter Front verschlechtern sollte.Ferner fordert der BdB, den antizyklischen Kapitalpuffer und den Kapitalerhaltungspuffer sowie den Kapitalzuschlag für nationale Systemrelevanz zu reduzieren. Aufschläge auf die Risikoaktiva etwa infolge der Überprüfung bankinterner Modelle zur Kalkulation des Eigenkapitalbedarfs “sowie alle weiteren geplanten Kapitalbelastungen” seien “bis auf weiteres auszusetzen”. Da die nötigen Gesetzesänderungen kurzfristig nicht umsetzbar sind, soll zur Überbrückung die European Banking Authority (EBA) durch “dezidierte Meinungsäußerungen” eine flexiblere Handhabung der Ausfalldefinition ermöglichen und die europäische und die nationale Bankenaufsicht die Effekte etwa von IFRS 9 “über eine angemessene Absenkung” des individuellen Zuschlags der Aufsicht auf die Mindestkapitalanforderung der Banken ausgleichen.Geht es nach dem BdB, verringert zudem die Notenbank ihre Abschläge auf bei ihr hinterlegte Sicherheiten, um die Refinanzierung zu sichern. Das langfristige, am 23. Februar geschlossene EZB-Refinanzierungsgeschäft (TLTRO3) sollte offengehalten werden, heißt es. Zudem könnte die Europäische Zentralbank ein ergänzendes Programm (LTOR) zum Einlagensatz initiieren. Nicht zuletzt fordert der Verband eine befristete Lockerung der Regeln zur Durchführung bestimmter Tätigkeiten außerhalb der Geschäftsräume. Dies dürfte etwa auf Handelsaktivitäten gemünzt seien. Für sie gelten technische und aufsichtliche Anforderungen, die nicht jeder Mitarbeiter im Home-Office erfüllen dürfte.