Immobilienmarkt

Profis treiben Immobilienfonds an

Lange Zeit hatten offene Publikumsfonds für Immobilien viel mehr Gewicht als ihre Pendants im Spezialfondsmantel. Vor zehn Jahren war fast dreimal so viel Geld in den Retailprodukten investiert. Doch nachdem viele Publikumsprodukte in der...

Profis treiben Immobilienfonds an

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Lange Zeit hatten offene Publikumsfonds für Immobilien viel mehr Gewicht als ihre Pendants im Spezialfondsmantel. Vor zehn Jahren war fast dreimal so viel Geld in den Retailprodukten investiert. Doch nachdem viele Publikumsprodukte in der Finanzkrise gescheitert sind und in den Folgejahren abgewickelt wurden, haben die Spezialfonds aufgeholt – und bis zuletzt dank üppiger Zuflüsse auch höhere Wachstumsraten erzielt (siehe Grafik). Zur Jahresmitte lag in deutschen offenen Spezialfonds für Immobilien laut Bundesbank ein Vermögen von 142 Mrd. Euro, annähernd ein Fünftel mehr als in Publikumsfonds. Allerdings sind beide Segmente ungeachtet der Coronakrise auf Wachstumskurs.

Fokus wird enger

Die Zuwächse beim Fondsvermögen zeigen, dass Immobilienfonds über alle Anlegergruppen gefragt sind, insbesondere aber bei den Profianlegern wie Pensionskassen, Versorgungswerken und Stiftungen. Die Investoren suchen mittlerweile nicht mehr den breit diversifizierten, global anlegenden Fonds, sondern Produkte, die genau in ihre Allokation passen. „Es gibt immer mehr spezialisierte Fonds, die zum Teil in ‚exotische‘ Nutzungsarten rund um Betreiberimmobilien investieren. Zum Beispiel Gesundheitsimmobilien, die zurzeit einen regelrechten Boom erleben“, beschreibt Verena Rock von der TH Aschaffenburg die Entwicklung. Diese Art von Produkten seien meistens Spezialfonds für institutionelle Anleger.

Besonders gefragt sind Wohnimmobilien und entsprechende Fonds. Für Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer von Industria Wohnen, sind institutionelle Anleger das deutlich größere Geschäftsfeld, das sein Haus mit Immobilienspezialfonds bedient. Thomas Beyerle, zuständig für das Research bei Catella, sieht in den vergangenen vier bis fünf Jahren einen regelrechten Boom bei Wohnungsfonds. Innerhalb des Segments gebe es inzwischen eine Aufteilung von Fonds für Mini-Apartments über Produkte für Quartiersentwicklung bis hin zum Thema Social-Impact-Fonds, die in preisgebundene Wohnungen investieren.

Doch nicht nur nach Nutzungsarten unterscheiden die Experten. „Bei Wohnimmobilien führt der Trend zur Spezialisierung auch zu kleinteiligeren Fonds, die sich beispielsweise auf eine bestimmte Region wie München konzentrieren“, sagt Rock, die an der Hochschule Aschaffenburg über Immobilieninvestment lehrt.

Bei Investitionen gibt es in der Branche den Trend, dass das Mindestanlagevolumen zurückgeht –gezwungenermaßen, denn Objekte für 50 Mill. Euro und mehr sind kaum noch zu bekommen, so dass inzwischen nur noch Objekte für 10 bis 20 Mill. gekauft werden können, hat Beyerle beobachtet.

Zudem sind krisenresistente Nutzungsarten wie Lebensmitteleinzelhandel, Wohnen und innenstadtnahe Logistik per se kleinteiliger als Bürohäuser. „Die großen 1A-Immobilien sind kaum im Angebot. Daran hat Corona noch nichts geändert, denn bislang gab es kaum Insolvenzen von großen Immobilienportfolios“, sagt Rock. Allerdings sei das Management kleinvolumiger Fonds aufwendiger und erzeuge höhere Kosten auf Seiten der Fondsmanager. Das Investment in kleineren Einheiten hat im Bereich der offenen Immobilienfonds ein neues Segment geschaffen. Die Ratingagentur Scope unterscheidet inzwischen in „Small Portfolios“ und „Large Portfolios“.

Neue Spieler mischen mit

Doch auch das Segment der Publikumsfonds zeigt sich stark, denn hier gibt es viele neue Produkte – und der Trend dürfte sich fortsetzen. Das zeigte jüngst eine Meldung der britischen Fondsgesellschaft Schroders, die seit Juni mit der Gothaer Versicherung den „Schroders Immobilienwerte Deutschland“ anbietet.

In den vergangenen vier Jahren wurden nach Angaben von Scope insgesamt zwölf neue Immobilienfonds für Privatanleger aufgelegt. Die neuen Produkte verwalten ein Vermögen von rund 6 Mrd. Euro. Weitere Fonds dürften bald in den Markt gehen. Scope hat als Grund für die Neuauflagen die große Nachfrage ausgemacht. Das sieht auch die DWS, die Fondstochter der Deutschen Bank. „Am Beispiel des Grundbesitz Fokus Deutschland kann man sehen, dass man mit einem spezialisierten Produkt sehr erfolgreich sein kann“, sagt Anke Weinreich von der DWS. Der Fonds zählt in der Gruppe der offenen Immobilienfonds mit einem Alter von gut sechs Jahren immer noch zu den jüngeren Produkten.

Michael Birnbaum von Kanam, die den Publikumsfonds „Leading Cities Invest“ managen, bestätigt: „Der Trend zu neuen Fonds ist ungebrochen. Es gibt inzwischen bei offenen Immobilienfonds eine Vielfalt, die früher nicht denkbar war.“ Tobias Kotz von Real I.S., einer Tochter der BayernLB, sagt: „Die Kunden schätzen, dass sie in ein Produkt investieren können, welches auf die Zukunft ausgerichtet und genau jetzt in der Portfolioaufbauphase ist.“

Rendite unter Druck

Die Neuauflagen fallen in eine Zeit, in der die erfolgsverwöhnten Immobilienfonds andererseits mit Problemen zu kämpfen haben. Die durchschnittliche Rendite ist von 3,2% im Jahr 2019 auf 2,1% im vergangenen Jahr gesunken. Für Immobilienspezialfonds liegen keine Zahlen vor. Die Manager versuchen zu beruhigen. Kanam-Sprecher Birnbaum meint: „Büroraum ist immer im Wandel, und Corona hat dazu geführt, dass man im Büro wegen der neuen Abstandsregeln mehr Platz braucht. Wenn Sie neue Leute einarbeiten wollen, ist Homeoffice tödlich. Daher kann man schon jetzt sagen, dass Homeoffice nicht das Ende vom Büroraum ist.“

Die Gesellschaft Industria Wohnen beobachtet als Folge von Corona eine Verlagerung der Nachfrage aus den Innenstädten in die Speckgürtel. „Wir mischen dem Fonds seit geraumer Zeit auch geförderten Wohnraum bei. Dieses sehr konjunkturunabhängige Teilsegment führt zu einer weiteren Stabilisierung der Fondsperformance“, sagt Geschäftsführer Ahlborn und weist darauf hin, dass unterm Strich die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland im Coronajahr ungebremst weiter gestiegen seien. Mit dem Ergebnis, dass sich dieser Anstieg auch in der Wertentwicklung der Fondsimmobilien zeige.

Während die Nachfrage nach vermeintlich sicheren Immobilieninvestments im Fondsmantel weiter anziehen dürfte, scheint andererseits auch der Rückgang der Renditen ausgemacht. Die Ratingagentur Scope erwartet, dass die durchschnittliche Rendite der offenen Immobilienfonds im laufenden Jahr auf rund 1,5% fallen wird. Denn ungeachtet der beschwichtigenden Worte der Gesellschaften hat es etliche Fonds kräftig erwischt mit erheblichen Abwertungen bei Hotels und Einkaufszentren, und auch ein hoher Büroanteil wirft Fragen auf. Immerhin: Verglichen mit sicheren Staatsanleihen ist die Rendite der Immobilienfonds aber immer noch attraktiv.

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