Prüfung und Betreuung ist ein Eckpfeiler der Stabilität
Ich gratuliere der Frankfurter Volksbank zu ihrem Jubiläum. Als genossenschaftlicher “Platzhirsch” in der Finanzmetropole steht sie für 150 Jahre erfolgreich gelebte Mitglieder- und Kundenorientierung. Es ist kein Zufall, dass die Frankfurter Volksbank und der Genossenschaftsverband beide im Mai 2012 ihr 150-jähriges Jubiläum begehen: Die Gründung des ersten Verbandes war ein natürlicher Ausfluss der Gründung von Genossenschaften. In der aktuellen Ausprägung ist der Genossenschaftsverband im Laufe der Zeit durch Fusionen aus 16 Vorgängerverbänden gewachsen. Eigenverantwortung gezeigtJeder einzelne brachte seine eigenen spezifischen Traditionen, seine historischen Erfolge und Leistungen in die weitere Entwicklung des Ganzen ein. Auch die Frankfurter Volksbank ist in ihrer heutigen Gestalt aus einer Reihe von traditionsreichen Vorgängerinstituten hervorgegangen, die in ihr weiterleben und ihr vor Ort ein unverwechselbares Gesicht geben. Wir sind stolz auf unser Mitglied, das in den letzten Jahren mit immer neuen Erfolgsbilanzen die Leistungsfähigkeit des Geschäftsmodells der Kreditgenossenschaften unter Beweis gestellt hat. Die Frankfurter Volksbank ist ein Musterbeispiel dafür, wie Verband und Genossenschaften in einer partnerschaftlichen und nach vorne gerichteten Beziehung miteinander arbeiten. Das spiegelt sich gerade auch in der jüngeren Verbandsgeschichte durch das Engagement führender Persönlichkeiten der Volksbank wie Albert Weber und Hans-Joachim Tonnellier in wichtigsten genossenschaftlichen Gremien wider.Die Historie der Genossenschaften und ihrer Verbände beweist, wie durch die Übernahme von Aufgaben in eigener Regie, in eigener Verantwortung, Lösungen zu erarbeiten sind. So war die genossenschaftliche FinanzGruppe in der Finanzkrise die einzige, die ohne jegliche staatliche Hilfen auskam. Die Prüfung und Betreuung durch die Genossenschaftsverbände ist ein Eckpfeiler dieser bemerkenswerten Stabilität unserer Gruppe. All das sollte denen bewusst sein, die jetzt die Wirtschaftsprüfung reformieren wollen und dabei auch in jene vielfach bewährten Strukturen eingreifen, die eigentlich Vorbildcharakter für eine Neuausrichtung haben müssten. Parallelen zur Novelle 2006″Ich denke, dass der Sektor Änderungen braucht”: Mit diesen Worten hat der für Binnenmarkt und Dienstleistungen und damit auch für die Abschlussprüfung zuständige EU-Kommissar Michel Barnier im November 2011 die Kommissionsvorschläge zur Neuregulierung der Abschlussprüfung begründet. Hintergrund war der zu verzeichnende Vertrauensverlust in die Abschlussprüfung im Zuge der Finanzkrise. Die vermeintliche Sicherheit uneingeschränkter Bestätigungsvermerke war nicht mehr gegeben. Insoweit ergeben sich diverse Parallelen zum Auslöser der letzten Novellierung der EU-Vorgaben für die Abschlussprüfung 2006. Damals waren es die Insolvenzen großer Industriekonzerne wie Enron und Parmalat, welche Neuregulierungen zur Unabhängigkeit und Vermeidung von Interessenkonflikten für Abschlussprüfer zur Folge hatten.Diese verschärften Regelungen waren und sind insbesondere bei der Prüfung solcher Unternehmen relevant, die börsennotierte Wertpapiere emittieren. Für die genossenschaftlichen Prüfungsverbände waren die neuen Anforderungen zur Unabhängigkeit und zur Vermeidung von Interessenkonflikten kein Problem, da beides durch die Pflichtmitgliedschaft schon seit jeher in einem weit höheren Maße gewährleistet ist. Bei der Bestimmung des Prüfers durch das Gesetz handelt es sich um die unabhängigste Form der Prüferauswahl. Darüber hinaus wurde 2006 von der EU ein mehrschichtiges internes und externes Überwachungssystem zur Sicherung der Prüfungsqualität installiert, das bis heute Bestand hat. Auch der Genossenschaftsverband als regionaler Prüfungsverband und die ihm nahestehende WP-Gesellschaft Awado Deutsche Audit unterliegen diesem Überwachungssystem, das von uns uneingeschränkt begrüßt und unterstützt wird. Radikaler Umbau geplantIm Gegensatz zu früheren Novellierungen wird von der Kommission jetzt ein weit radikalerer Umbau angedacht. Vergleichbar der Neuregulierung des Finanzmarktes wird eine Mixtur aus unmittelbar geltender EU-Verordnung zur Prüfung von “Unternehmen des öffentlichen Interesses” und einer von den Staaten umzusetzenden EU-Richtlinie zur Prüfung der anderen Unternehmen gewählt. Die Verordnung soll dabei für die Prüfung aller Kreditinstitute Anwendung finden. Sie ist von noch strengeren Verhaltensregeln zur Auftragsvergabe, zur Unabhängigkeit und zur Vermeidung von Interessenkonflikten geprägt. So ist z. B. vorgesehen, der internen Rotation eine externe Rotation an die Seite zu stellen. Die interne Rotation, bei der für die Prüfung kapitalmarktorientierter Unternehmen der verantwortliche Wirtschaftsprüfer nach spätestens sieben Jahren wechselt, ist ein System, welches der Genossenschaftsverband seit langem für alle von ihm durchgeführten Abschlussprüfungen freiwillig umsetzt. Künftig soll nach dem Willen der Kommission auch die Prüfungsgesellschaft als solche nach sechs Jahren (bzw. neun Jahren bei Gemeinschaftsprüfungen) für vier Jahre von der Prüfung ausgeschlossen sein.Dieses Vorhaben ist ebenso diskussionswürdig wie die erweiterten Anforderungen an die strikte Trennung von Prüfung und Beratung, die bis hin zur Entstehung reiner Prüfungsgesellschaften reichen. Leider werden dabei – wie so oft bei internationalen Regulierungen – Äpfel und Birnen in einen Topf geworfen. Denn diese Veränderungen sollen auch für die Prüfung der nicht systemrelevanten Kreditgenossenschaften gelten und würden damit just jene bewährten Strukturen in Frage stellen, die ein entscheidender Faktor für die Krisenresistenz unserer Gruppe sind. Die Pflichtprüfung ist keine austauschbare Discountware, welche sich auf reines Zahlenhaken beschränkt. Sie wird erst zusammen mit der dauerhaften Betreuung und den komplementären Leistungen in Beratung sowie Qualifizierung zu einem voll wirksamen Instrument im Interesse der Genossenschaft und ihrer Mitglieder.Dabei kommt auch den Governance-Strukturen und besonders dem Zusammenspiel von Abschlussprüfung und Aufsichtsrat eine zentrale Rolle zu. Für uns als genossenschaftlicher Prüfungsverband ist der enge Informationsaustausch mit dem Aufsichtsrat eine seit über 120 Jahren praktizierte Selbstverständlichkeit. Von Anfang bis Ende der Prüfung befinden sich der Aufsichtsratsvorsitzende und der Prüfer im Dialog. Am Ende der Prüfung erläutert der Abschlussprüfer die Ergebnisse im Prüfungsbericht dem gesamten Aufsichtsrat in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Vorstand. Seit 1934 beurteilen wir entsprechend unserem gesetzlichen Auftrag die Einhaltung der geltenden Normen im Jahresabschluss, die Ordnungsmäßigkeit der betriebenen Geschäfte und damit eingegangene Risiken, die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die eingetragene Genossenschaft hat die geringste Insolvenzquote aller Rechtsformen. Regeln kaum durchschaubarVor besonderen Herausforderungen stehen derzeit die Prüfer, welche Kreditinstitute zu ihrer Mandantschaft zählen. Sowohl Bank als auch Prüfung sehen sich mittlerweile einem schwer durchschaubaren Geflecht aus nationalen und europäischen Regelungen und Aufsichtsbehörden gegenüber. Der Katalog der Änderungen in allen Bereichen des Bankgeschäftes ist enorm; und der Höhepunkt steht noch aus. Erschwerend kommt hinzu, dass die Regulierung zunehmend auch bei einfach strukturierten Kreditgenossenschaften Spezialistenwissen in verschiedenen Bereichen erfordert. Neben den neuen Eigenkapitalanforderungen aus Basel III umfassen die Änderungen Fragen des Verbraucherschutzes im Rahmen der Anlageberatung oder auch der Geldwäscheprävention genauso wie erweiterte Anforderungen an das Risikomanagementsystem. Dem genossenschaftlichen Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe folgend begleitet der Genossenschaftsverband als unabhängige Instanz und Abschlussprüfer von 315 Banken die Umsetzung der neuen Anforderungen mit qualifizierten Informationen, diversen Schulungsangeboten und qualitätssichernden Prüfungen. Darüber hinaus stellt er als Dienstleister, z. B. über Outsourcingangebote, Möglichkeiten zur spürbaren Entlastung von den durch die Regulierung verursachten hohen Kosten zur Verfügung.Wie nur wenige der 2 710 in Deutschland registrierten WP-Gesellschaften ist der Genossenschaftsverband, der bundesweit zu den Top 10 der Prüfungsgesellschaften zählt, in der Lage, ein breites Spezialwissen einschließlich rechtlicher und steuerlicher Fragestellungen vorzuhalten. Die schnelle interdisziplinäre Aufarbeitung und Umsetzung aktueller Themen ermöglicht Synergieeffekte, von denen nicht nur die angeschlossenen rund 1 900 Genossenschaften, sondern auch mittelständische Kunden anderer Rechtsformen profitieren. Stärken statt gefährdenDie EU-Pläne zur Reform der Abschlussprüfung sind, wie auch die Stichworte Basel III und IFRS, ein Beispiel für die Gefahr, dass funktionierende mittelständische Strukturen in einer zunehmend von angloamerikanischen Maßstäben dominierten Ökonomie nicht ausreichend gewürdigt werden. Genossenschaften wie die Frankfurter Volksbank und ihr Verband sind unverzichtbare Selbsthilfeeinrichtungen des Mittelstands. Die regulatorischen Antworten auf die Herausforderungen durch die Globalisierung müssen solche Selbsthilfeeinrichtungen stärken und dürfen nicht ihre Existenz gefährden. Dafür werden der Genossenschaftsverband und seine Mitglieder gemeinsam eintreten.