Quoniam-Chef sieht keinen Mangel an ESG-Daten
Im Gespräch: Nigel Cresswell
“Es gibt keinen Mangel an ESG-Daten”
Der Quoniam-CEO über den Umgang mit grünen Daten und den Sinn von ESG-Benchmarks
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Vielen Unternehmen mangelt es bislang an Kennzahlen für die ESG-Steuerung. Oft seien grüne Daten nicht verfügbar, viele greifen auf verteilte Datenquellen in unterschiedlichen Formaten zu. Der Klage über ESG-Daten mag Nigel Cresswell, CEO von Quoniam, einem quantitativen Assetmanager, nicht zustimmen.
Vielen Unternehmen mangelt es bislang an Kennzahlen für die ESG-Steuerung. Das ist ein Ergebnis der KPMG-Studie „Nachhaltig steuern“. Oft seien grüne Daten nicht verfügbar, viele greifen auf verteilte Datenquellen in unterschiedlichen Formaten zu. Der Klage über ESG-Daten mag Nigel Cresswell nicht zustimmen: „Einen wirklichen Mangel an ESG-Daten gibt es aus unserer Sicht nicht. Wir analysieren und bewerten jeden Tag eine riesige Menge von Daten, um beispielsweise Portfolios zu konstruieren.“
„Nachhaltigkeitsdaten werden dabei in den generellen Datenprozess einbezogen“, sagt der CEO von Quoniam, einem quantitativ ausgerichteten Assetmanager. „Für uns ist es sicherlich ein bisschen einfacher, mit ESG-Daten in großer Menge umzugehen bzw. diese zu integrieren. Wir sind es gewohnt, große Datenmengen zu strukturieren.“
Datenauswahl entscheidend
Die Verarbeitung von ESG-Daten ist eine Big-Data-Aufgabe und mit erheblichem Aufwand verbunden. „Wir nutzen dazu einen cloudbasierten Ansatz, der sich sehr gut skalieren lässt.“ Der Aufwand liegt aus Sicht von Cresswell am Anfang des Prozesses. „Bevor die Daten verarbeitet werden, ist im ersten Schritt die Komplexität auf Researchseite sehr groß. Es gilt, aus der Masse von Daten diejenigen herauszufiltern, die aussagekräftig sind.“ Quoniam, eine Tochter von Union Investment, betreut 20 Mrd. Euro in rund 100 institutionellen Mandaten, davon werden 22% der Assets nach ESG-Kriterien gemanagt. Die Investment-Boutique verwendet bei Daten verschiedene Quellen, um die Qualität sicherzustellen.
„Viele historische ESG-Daten beispielsweise zu CO2-Emissionen sind vorhanden, doch zukunftsorientierte ESG-Daten basieren in der Regel auf Schätzungen und Zielen“, sagt Investmentfachmann Cresswell. So oder so müssten alle Informationen verifiziert werden.
Druck vom Markt
„Die Datenqualität ist im ESG-Bereich deutlich besser geworden“, so Cresswell, der den Chefposten bei Quoniam 2021 übernommen hat und zuvor das europäische Investmentgeschäft bei Willis Towers Watson (WTW) geleitet hatte. Die Qualität der Daten sei durch die Regulierung besser geworden, aber auch der Markt fordere dies ein. „Man darf als Investor nicht abwarten, bis die letzten Daten zur Verfügung stehen, bevor man handelt und Portfolios ESG-konform ausrichtet.“
Aus Sicht von Cresswell gibt es ausreichend ESG-Werte über alle Assetklassen und alle Segmente. „Sicherlich haben Large Caps mehr Daten, aber auch im Bereich der Nebenwerte ist das Angebot ausreichend.“ Ein Problem sei, dass die Vergleichbarkeit aufgrund unterschiedlicher Methoden nicht immer gegeben ist.
Wichtig ist es aus Sicht des Quoniam-Chefs aber auch, neben den guten ESG-Daten darauf zu achten, dass ein Unternehmen eine klare ESG-Strategie verfolgt. „Solche Unternehmen verhalten sich ganz anders als traditionelle Gesellschaften. Analysen zeigen, dass Unternehmen, die sich nachvollziehbar zur Reduktion von Emissionen verpflichten, auch tatsächlich ihren CO2-Fußabdruck in den Folgeperioden verbessern.“ Während die meisten ESG-Daten vergangenheitsbezogen sind – etwa der Energieverbrauch – geht es für Cresswell in der Analyse auch darum, einen zukunftsorientierten Ansatz zu entwickeln. „Es reicht nicht mehr zu sagen, wer in der Vergangenheit den geringsten CO2-Ausstoß hatte, sondern wir brauchen Informationen darüber, wer in der Zukunft führend sein wird. Ein gutes Beispiel für eine zukunftsorientierte Kennzahl sind die grünen Patente eines Unternehmens.“
Benchmark-Ansatz greift zu kurz
Wenig hält Cresswell von einem Benchmark-Ansatz bei ESG wie einem MSCI-Paris-Aligned-Index. „In dem Fall kauft man Unternehmen, die heute häufig aufgrund ihres Geschäftsmodells bereits niedrige Emissionen haben. Doch das kann problematisch sein, denn diese Unternehmen werden wahrscheinlich in der Zukunft nicht zu einer deutlichen Reduzierung von Emissionen beitragen.“
Beim Benchmark-Ansatz komme hinzu, dass heute grüne Unternehmen oft überteuert seien. „Der Markt schaut auf die historischen ESG-Daten und die zukünftigen Entwicklungen werden noch nicht eingepreist.“ Sich als Investor an einem Paris-Aligned-Index zu orientieren, möge eine gute Absicht sein, doch damit vergebe man die Chance auf einen größeren Impact.