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Rätselraten über Chinas neue Börse

Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping hat in einer Rede zur Vitalisierung des Dienstleistungssektors überraschend Pläne für den Aufbau einer neuen Aktienbörse in Peking verkündet. Der Fokus soll auf innovativen Unternehmen liegen.

Rätselraten über Chinas neue Börse

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Zur allgemeinen Überraschung der chinesischen Finanzszene hat Staatspräsident Xi Jinping in einer Rede zur Vitalisierung des Dienstleistungssektors Pläne für den Aufbau einer neuen Aktienbörse in Peking verkündet, mit der kleine und mittlere Unternehmen (KMU) verbesserte Chancen zur Direktfinanzierung erhalten sollen. Da sich der Präsident allerdings nur in zwei kryptischen Sätzen mit der Thematik befasst hat, gibt es nun einiges Rätselraten über die Bedeutung der neuen Initiative und das Zusammenspiel mit den etablierten chinesischen Börsenplätzen in Schanghai und Shenzhen.

Nebenwerte im Schatten

Bislang gibt es keine förmliche Börsenorganisation in Peking, wohl aber eine wenig regulierte elektronische Handelsbühne für Nebenwerte mit dem Namen National Equities and Exchange Quotations (NEEQ), die im Jahr 2013 aufgezogen wurde und bislang ein Randdasein fristet. Die seit einigen Jahren auch als New Third Board bezeichnete Veranstaltung ist im Prinzip ein Handelssystem für Kleinstfirmen, die nicht die Voraussetzungen für ein förmliches Initial Public Offering (IPO) bzw. ein Listing in Schanghai oder Shenzhen erfüllen. Der Zugang zum New Third Board ist bislang institutionellen Händlern und auch vermögenden Privatinvestoren vorbehalten, die bestimmte Qualifikationskriterien erfüllen müssen.

Upgrade für Third Board?

Die Ankündigung scheint auch Chinas Wertpapieraufsichtsbehörde China Securities Regulatory Commission (CSRC) einigermaßen überrumpelt zu haben, die nun augenscheinlich dazu mandatiert wurde, das neue Börsenprojekt mit Leben zu füllen. Seitens der CSRC jedenfalls hieß es in einer eiligen, der Präsidentenrede nachgeschobenen Mitteilung, dass der Aufbau der künftigen Beijing Stock Exchange eine wichtige Maßnahme sei, um eine nationale innovationsgetriebene Entwicklungsstrategie und strukturelle Reformen für den chinesischen Kapitalmarkt voranzubringen.

Auch wird erwähnt, dass man die Reform des New Third Board energisch vorantreiben werde. Aus den Ankündigungen des Präsidenten und der CSRC geht allerdings noch nicht eindeutig hervor, ob die neue Beijing Stock Exchange letztlich nur ein Upgrade des New Third Board bedeutet oder aber eine völlig neue Börsenorganisation entstehen wird, die den New Third Board in irgendeiner Form mit einbezieht.

Brokeraktien schießen hoch

Trotz der noch nebulösen Börsenaufbaupläne zeigt sich die chinesische Wertpapierszene von der Initiative angetan, wie die teils euphorischen Kursreaktionen bei führenden chinesischen Brokerhäusern zeigen. Ein entsprechender Index, der die insgesamt 56 auf dem Festland gelisteten Wertpapierhäuser abbildet, zog am Freitag um gut 4% an und steht nun wieder auf dem höchsten Niveau seit Ende Januar. Die Brokerhäuser versprechen sich ein belebtes Emissionsgeschäft mit der Begleitung von künftigen Börsengängen kleiner und mittelgroßer chinesischer Unternehmen an einer neuen Beijing Stock Exchange. Besonders kräftig sprang die Notierung des zu Chinas Platzhirschen zählenden Brokerhauses Shenwan Hongyuan Group, die knapp 10% zulegte.

Gegenwärtig kennt man neben den sogenannten Main Boards der Shanghai Stock Exchange und der Shenzhen Stock Exchange noch zwei weitere Plattformen, die in den vergangenen zwei Jahren neu aufgezogen oder stark reformiert wurden, um mit flexibilisierten Listingregeln insbesondere Börsengänge von Technologieunternehmen zu erleichtern. Dabei handelt es sich um den vor zwei Jahren neu aufgezogenen Shanghai Star Market, der auch für größere IPOs in Frage kommt, sowie das eher als Small-Cap-Handelsplatz gedachte Börsensegment Chinext in Shenzhen.

Anders als in westlichen Ländern ist das chinesische Wertpapierhandelsgeschehen eine ausschließlich staatlich kontrollierte Angelegenheit und kennt keine privaten gewinnorientierten Börsenbetreiber, wie man sie etwa in New York, London, in Frankfurt, Paris und andernorts vorfindet.

Gigantisches Marktkapital

Angesichts des riesigen Firmenuniversums in China sind die Börsen im Reich der Mitte eine Mammutveranstaltung, auf der sich mehr als 4200 gelistete Unternehmen tummeln. Entsprechend haben Chinas Aktienmärkte auch im globalen Maßstab ein erhebliches Gewicht. Zur Jahresmitte 2021 betrug die gesamte Marktkapitalisierung der in Schanghai notierten Werte 7,6 Bill. Dollar, was im weltweiten Handelsplatzranking Platz 3 hinter der New York Stock Exchange und der New Yorker Technologiebörse Nasdaq bedeutet.

Ziemlich knapp dahinter folgt auf Platz 4 die für internationale Investoren besser zugängliche Hong Kong Exchanges mit rund 6,8 Bill. Dollar Marktkapital. Der Markt in der südchinesischen Metropole Shenzhen kommt mit 5,8 Bill. Dollar hinter dem Euronext-Verbund und der Tokioter Börse immerhin auf den siebten Platz und liegt damit noch um einiges vor der London Stock Exchange mit 3,9 Bill. Dollar.

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