EUROPÄISCHE ZENTRALBANK

Rätselhafte Aufsicht

Wie hältst du es mit Heta? Dies ist seit Wochen die Gretchenfrage für die Bilanzchefs deutscher Banken. Alle Spielarten der Rechnungslegung sind zu beobachten im Fall der österreichischen Abwicklungseinheit, die aufgrund eines Zahlungsmoratoriums...

Rätselhafte Aufsicht

Wie hältst du es mit Heta? Dies ist seit Wochen die Gretchenfrage für die Bilanzchefs deutscher Banken. Alle Spielarten der Rechnungslegung sind zu beobachten im Fall der österreichischen Abwicklungseinheit, die aufgrund eines Zahlungsmoratoriums vorerst keine Tilgungen mehr leistet. Die Palette reicht vom völligen Abschreibungsverzicht bis zur Wertkorrektur um rund die Hälfte. Damit ist nach dem Eingriff der Europäischen Zentralbank wohl Schluss. Der Bankenaufseher empfiehlt einen Schnitt um mindestens 50 % und kündigt eine genaue Prüfung an, ob die Vorstände sich folgsam zeigen.Die Aufregung in der Bankenlandschaft und bei Wirtschaftsprüfern ist groß. Dies mag auf den ersten Blick erstaunlich erscheinen. Schließlich bringt das Machtwort Vorteile. Das einzelne Institut hat eine Richtschnur. Die Investoren ihrerseits profitieren durch eine bessere Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse. Außerdem spricht die EZB nur eine Empfehlung aus.Tatsächlich jedoch etablieren die Frankfurter eine Aufsichtspraxis, die sich schon in der Asset Quality Review angedeutet hatte und die sich vom früheren Vorgehen der hiesigen Finanzaufsicht BaFin unterscheidet.Erstens: Statt sich auf aufsichtsrechtliche Instrumente wie etwa Kapitalzuschläge zu beschränken, greift die EZB in die Rechnungslegung ein. Diese verantwortet aber Vorstand und Rechnungsprüfer. Selbst wenn der EZB-Brief nur aufsichtsrechtlich gemeint sein sollte – und so liest er sich nicht – wäre das Management zur Wertkorrektur fast gezwungen, um die Welt der IFRS-Rechnungslegung und der Aufsichtsdaten nicht grotesk divergieren zu lassen. Schließlich soll den Investoren unter IFRS ein zutreffendes Bild der Lage gegeben werden. Dieses ist im Einzelfall – zweitens – nicht mehr gegeben durch die pauschale Vorgabe einer Korrektur um mindestens 50 %. Denn die Portfolien einzelner Institute unterscheiden sich sehr wohl.Dies führt zum zentralen dritten Kritikpunkt: Die Festlegung auf eine Wertkorrektur von mindestens 50 % ist rätselhaft. Die Marktwerte lagen zuvor höher, auch bei einer Abwicklung dürfte mehr abfallen. Wie also kommt die EZB zu der Zahl? Wenn sie nicht mehr weiß als alle anderen, darf sie keine Empfehlung aussprechen. Wenn sie bessere Kenntnisse hat als alle Investoren, dann beeinflusst sie mit der Nennung der Abschreibungsquote den Markt.Die Diskussion weist also über das übliche Gerangel divergierender Interessen von Aufsicht und den kontrollierten Banken hinaus. Die Praxis der europaweiten Bankenaufsicht, eine wahrlich anspruchsvolle Aufgabe, ist noch entwicklungsfähig.