Razzia in den Büros des Bankenverbands
Die Staatsanwaltschaft Köln hat Büros des Bankenverbands nach Beweismaterial in Sachen Cum-ex durchsucht. Die Razzia kommt für die wichtigste Lobbyorganisation in Deutschland zur denkbar ungünstigsten Zeit. Denn der Verband, der die privaten Banken vertritt, sucht noch immer nach einem neuen Präsidenten.ak/lee Köln/Frankfurt – Die Staatsanwaltschaft Köln hat am Dienstagmorgen Büros des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) in Berlin und Frankfurt durchsucht. Hintergrund sind Ermittlungen im Zusammenhang mit Cum-ex-Verfahren. Der Bankenverband bestätigte die Razzia, über die zuvor die “Süddeutsche Zeitung” berichtet hatte.In einer Stellungnahme betonte der Verband, dass sich die Ermittlungen nicht gegen den Bankenverband oder Mitarbeiter der Organisation richten. Die Staatsanwaltschaft Köln bestätigte das: Ziel der Durchsuchung sei das Finden von Beweismitteln, die beim Fortführen der zahlreichen Ermittlungen zu Cum-ex-Transaktionen helfen und Sachverhalte besser aufklären sollen.Die Rolle des Bankenverbands im Milliardenskandal der Cum-ex-Geschäfte war bereits im Untersuchungsausschuss des Bundestags beleuchtet worden. Der Verband hatte zwar im Jahr 2002 bereits auf die Regelungslücke bei Cum-ex-Transaktionen hingewiesen. Später jedoch war die Rolle des BdB eher zweifelhaft. Der erste Versuch, die Cum-ex-Praktiken im Jahressteuergesetz 2007 einzudämmen, ging weitgehend auf einen Vorschlag des BdB zurück. Der jedoch ließ ausländische Leerverkäufer außer Acht, so dass die Cum-ex-Geschäfte munter weitergingen und nach Aussagen von Zeugen im März abgeschlossenen ersten Cum-ex-Strafprozess in Bonn dann erst richtig angeheizt worden waren. Mit der Federführung des Bankenverbands beim Gesetzentwurf 2007 sei der Bock zum Gärtner gemacht worden, hatte der Kronzeuge S. angegeben. Applaus über TwitterDie Opposition in Berlin beklagt, dass im Untersuchungsausschuss die Rolle des Bankenverbands nicht vollständig aufgearbeitet worden sei. “Dem Cum-ex-Untersuchungsausschuss wurden damals wichtige Unterlagen zum Lobbying verweigert”, twitterte der Linken-Finanzpolitiker Fabio De Masi am Dienstag. “Jetzt besteht dank mutiger Richter die Chance, Einsicht zu nehmen.”Beim BdB hieß es dagegen, dass man vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden kooperiere und alle angeforderten Unterlagen zur Verfügung stelle. Hinter vorgehaltener Hand wurde Verwunderung darüber geäußert, dass die Staatsanwaltschaft es trotzdem für nötig halte, Razzien durchzuführen, um in den Besitz der Dokumente zu kommen.Die öffentlichkeitswirksamen Durchsuchungen kommen für den Bankenverband zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, sucht die Lobbyorganisation nach der Rücktrittsankündigung von Commerzbank-Chef Martin Zielke doch noch immer nach einem neuen Präsidenten. Angesichts der schweren volkswirtschaftlichen Krise infolge der Covid-19-Pandemie wünscht man sich in Berlin dem Vernehmen nach, dass auch Zielkes Nachfolger von einem inländischen Institut kommt. Denn die Bedeutung der Auslandsbanken auf dem deutschen Markt wie auch innerhalb des Bankenverbands ist in den vergangenen Jahren zwar erheblich gewachsen. Angesichts der Welle an Belastungen, die auf den gesamten Bankensektor zurollt, sähen viele in der Organisation das Amt lieber in den Händen eines Bankers, dessen Institut seinen Heimatmarkt in Deutschland hat.Da noch unklar ist, wer Zielke an der Spitze der Commerzbank beerben soll, wäre Christian Sewing der natürliche Kandidat. Doch der Chef der Deutschen Bank hat dem BdB bereits vor einigen Wochen öffentlich einen Korb gegeben, mit der nachvollziehbaren Begründung, dass er sich voll und ganz auf den laufenden Konzernumbau konzentrieren möchte, den er vor rund einem Jahr angestoßen hat. Nun wird spekuliert, dass Hans-Walter Peters, persönlich haftender Gesellschafter der Hamburger Privatbank Berenberg, sich der Aufgabe ein weiteres Mal annimmt. Er hatte das Amt erst im April nach Ablauf des vierjährigen Turnus an Zielke weitergegeben. Eine Entscheidung für die Spitzenpersonalie ist nach Angaben des Bankenverbands bislang nicht gefallen.Die deutlich ausgeweiteten Cum-ex-Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft betreffen nach Angaben des NRW-Justizministers Peter Biesenbach (CDU) aus dem Juni inzwischen 880 Personen. Damit habe sich die Zahl der Beschuldigten binnen eines Dreivierteljahres mehr als verdoppelt.