GASTBEITRAG

Regulierung erschwert Vergabe von Bankdarlehen

Börsen-Zeitung, 24.4.2018 Das klassische Bankdarlehen bekommt Konkurrenz: Anleihen, spezielle Mezzanine- und Kreditfonds, Versicherungen und Family Offices, Nachrangdarlehen - zum Teil über Crowdfunding-Plattformen - haben Zulauf in der...

Regulierung erschwert Vergabe von Bankdarlehen

Das klassische Bankdarlehen bekommt Konkurrenz: Anleihen, spezielle Mezzanine- und Kreditfonds, Versicherungen und Family Offices, Nachrangdarlehen – zum Teil über Crowdfunding-Plattformen – haben Zulauf in der Immobilienfinanzierung. Dieser Trend hat mehrere Ursachen. Ein entscheidender Faktor treibt private Häuslebauer und professionelle Immobilieninvestoren gleichermaßen um: das Auseinanderdriften von Markt- und Beleihungswerten.Entscheidend für die Finanzierungsform ist der Fremdkapitalanteil, in der Immobilienwirtschaft Loan-to-Value (LTV) genannt. Damit ist die Höhe des aufgenommenen Fremdkapitals in Relation zum Wert des Objektes gemeint. Doch was genau ist der Objektwert? Üblicherweise wird der Marktwert einer Immobilie verwendet. Der Wert ergibt sich in der Regel aus dem Kaufpreis oder einem gutachterlich ermittelten Verkehrswert. Neben dem englischen Terminus LTV wird in Deutschland häufig auch der Begriff Beleihungsauslauf genannt. Doch unterhalb des Bruchstrichs gibt es einen entscheidenden Unterschied: Während sich der LTV auf den Marktwert bezieht, liegt dem Beleihungsauslauf der Beleihungswert zugrunde. Zwischen diesen beiden Kennziffern hat sich angesichts der Preisanstiege in vielen deutschen Städten eine große Lücke aufgetan, die sich permanent vergrößert. Worst-Case-BetrachtungDer Beleihungswert ist ein Mindestwert, quasi eine Worst-Case-Betrachtung. Er soll während des gesamten Finanzierungszeitraums auch unter ungünstigen Umständen problemlos erzielt werden können. Damit sichert sich der Kreditgeber für den Fall ab, dass etwa eine Zwangsversteigerung notwendig wird. Er darf per Definition niemals über dem tatsächlichen Marktwert liegen. Wie der Beleihungswert in Deutschland zu ermitteln ist, regelt das Pfandbriefgesetz und, daran angelehnt, die Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV). Sie sieht mehrere Ermittlungsverfahren vor, die in der Regel kombiniert werden: das Sachwertverfahren, das Vergleichswertverfahren und das Ertragswertverfahren. Die entsprechenden Komponenten werden von einem Gutachter ermittelt. Das für gewerbliche Immobilienfinanzierungen wichtige Ertragswertverfahren setzt vereinfacht gesagt auf der Nettojahresmiete multipliziert mit einem Kapitalisierungsfaktor auf. Dieser Faktor fällt in der Beleihungswertermittlung regelmäßig wesentlich niedriger aus als die tatsächlich am Markt gezahlten Multiples. Im vereinfachten Ertragswertverfahren, das allerdings nur für kleinere Objekte gilt, beträgt der Faktor laut Bewertungsgesetz 13,75. Das entspricht einer rechnerischen Mietrendite von 7,3 % pro Jahr. Für größere Objekte haben die Gutachter zwar Spielraum, doch vom Marktniveau bleiben sie zumeist weit entfernt. Der niedrigst mögliche Kapitalisierungszins für Gewerbeimmobilien beträgt 6 %, das entspricht einem Faktor von 16,6. Für Core-Objekte in Berlin werden aktuell jedoch Multiples von 30 und mehr bezahlt. Mehr Eigenkapital nötigZwar sind auch die Beleihungswerte in den vergangenen Jahren gestiegen, aber weniger dynamisch als die Marktwerte. Die Schere geht auseinander. Die Differenz kann 50 % und mehr betragen. Ein LTV nach internationalem Maßstab von 60 % entspricht dann rein rechnerisch einem Beleihungsauslauf von 120 %. Im Mittel beträgt der LTV in der gewerblichen Immobilienfinanzierung sogar 65 %. Damit liegt der Kredit regelmäßig oberhalb des offiziellen Beleihungswertes.Für klassische Bankdarlehen hat das Folgen. Banken und Sparkassen müssen ihre Aktiva mit Eigenkapital unterlegen. Besonders wenig Eigenkapital muss für Realkredite angerechnet werden. Das sind grundpfandrechtlich besicherte erstrangige Immobilienfinanzierungen mit einer Beleihungsgrenze von bis zu 60 %. Für sie müssen die Institute gemäß Basel-III-Umsetzung eine Risikogewichtung von nur 35 % für Wohn- und 50 % für Gewerbeimmobilien ansetzen. In Relation zum tatsächlichen Finanzierungsvolumen entspricht das in unserem Beispiel aber nur 30 % LTV. Den darüber hinausgehende Kreditteil muss die Bank mit wesentlich mehr Eigenkapital unterlegen, was höhere Zinsen zur Folge hat. Übernimmt das Kreditinstitut diese Tranchen nicht vollständig, muss der Immobilieninvestor genau wie ein privater Eigenheimfinanzierer entweder zusätzliches Eigenkapital aufbringen – oder er sucht weiteres Fremdkapital. Dabei kommen spezialisierte Fremdkapitalgeber ins Spiel, die den erstrangigen Kreditteil den Banken überlassen und speziell diese nachrangigen Junior- und Mezzanine-Tranchen übernehmen – zu oftmals zweistelligen annualisierten Zinssätzen. Auch oberhalb der GrenzeAllerdings dürfen Banken und Sparkassen sehr wohl diese Kreditteile übernehmen – sie müssen nur ausreichend Eigenkapital vorweisen. Zudem sollten sie den Immobilienmarkt vor Ort perfekt kennen und das Risiko sowie die zu erwartende Wertentwicklung der jeweiligen Immobilie ausreichend genau beurteilen können. Dann spricht auch für ein konservativ agierendes Kreditinstitut nichts dagegen, sich auch oberhalb des Beleihungswertes zu engagieren und LTV-Tranchen zu wagen, die mehr als nur homöopathische Zinsmargen versprechen. Das klassische Bankdarlehen wird dabei nicht verdrängt, sondern ergänzt.—-Marcus BuderBereichsleiter Gewerbliche Immobilienfinanzierung der Berliner Sparkasse