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Regulierung für die Leithammel

Börsen-Zeitung, 15.8.2015 Es vergeht kaum ein Tag, an dem der Assetmanager BlackRock hierzulande nicht eine Mitteilung nach § 26 WpHG veröffentlichen muss. Meist geht es um das Unter- oder Überschreiten der Meldeschwellen von 3 oder 5 % der...

Regulierung für die Leithammel

Es vergeht kaum ein Tag, an dem der Assetmanager BlackRock hierzulande nicht eine Mitteilung nach § 26 WpHG veröffentlichen muss. Meist geht es um das Unter- oder Überschreiten der Meldeschwellen von 3 oder 5 % der Stimmrechte an einer deutschen börsennotierten Gesellschaft. In aller Regel ist das wenig spektakulär, erinnert aber permanent daran, welch zentrale Rolle BlackRock inzwischen auch als Aktionär in Deutschland spielt. Bei etlichen Dax-Unternehmen ist BlackRock mit mehr als 5 % dabei und deren größter institutioneller Investor. Und es erinnert daran, welche Kursrisiken bestehen, wenn diese Pakete – warum auch immer – einmal über den Markt verkauft werden müssten. BlackRock im FokusWeltweit verwaltet BlackRock 4,72 Bill. US-Dollar und liegt damit als Vermögensverwalter auf Platz 1, mit Abstand vor Vanguard (3,1), State Street (2,5) und Fidelity (2,0). Bei BlackRock entfallen 53 % der Assets auf Aktien und 30 % auf Anleihen. Schon die schiere Größe ist manchen Marktteilnehmern unheimlich; sie provoziert die Frage nach der Systemrelevanz und hat auf Seiten der Politik und jüngst auch wieder der Wissenschaft den Ruf nach Aufsicht, Kontrolle und mehr Transparenz – sprich Regulierung – ausgelöst. Vor allem BlackRock ist in den Fokus geraten, weil man dort neben dem Assetmanagement auch in der Beratung und im Risikomanagement unterwegs ist. So hatte BlackRock in der Finanzkrise von der US-Notenbank Fed, vom Versicherer AIG und von der Investmentbank Bear Stearns große Portfolios mit notleidenden Krediten übernommen und erfolgreich verwertet. Und später hat BlackRock die Europäische Zentralbank beim ABS-Kaufprogramm beraten. Interessenkonflikte? Solche Gedanken verweist man bei BlackRock regelmäßig ins Reich der Fantasie und argumentiert, ähnlich wie einst die Banken, mit den Chinese Walls. Die Frage der GrößeDa sich die internationalen Aufsichtsbehörden nach der Regulierung der Banken jetzt auch die sogenannten Schattenbanken vorknöpfen, zu denen die Assetmanager gehören, wird seit Monaten hinter den Kulissen und auf Lobbyebene heftig gerungen. Die erste Runde scheint an die Assetmanagementindustrie gegangen zu sein. Denn es ist ihr gelungen, die von der Bankenregulierung bekannte “Too-big-to-fail”-Debatte vom Tisch zu bekommen. Schützenhilfe haben die Assetmanager dabei vom Finanzstabilitätsrat FSB sowie von britischen und US-Behörden bekommen. Einen guten Draht zum FSB hat nicht zuletzt BlackRock dank seines Vice Chairman Philipp Hildebrand, der einst als Präsident der Schweizer Nationalbank diesem Gremium angehörte und dort als Vizepräsident fungierte. Und es wäre auch nicht das erste Mal, dass Regulierung genau dort endet, wo Einbußen für das Geschäftsmodell von Wall Street und Londoner City drohen.Demzufolge wird sich die Aufsicht nicht damit befasssen, ob einzelne Fondsgesellschaften möglicherweise “zu groß” und systemrelevant sind und einer besonderen Aufsicht bedürfen. Vielmehr soll auf Marktrisiken fokussiert werden, die sich aus dem Verhalten der Anleger und Assetmanager ergeben können. Vor allem die Liquiditätsrisiken treiben die Aufseher und die für die Finanzstabilität ebenfalls zuständigen Notenbanken um, seit sie vor Jahresfrist die heftigen Marktreaktionen auf die einsetzende Tapering- und US-Zinswendedebatte erleben durften und den Ausverkauf am Bondmarkt. Wie nervös die Märkte auf Ereignisse reagieren, die im Grunde erwartet werden und nur vom Zeitpunkt her unbestimmt sind, hat in diesen Tagen die Abwertung des chinesischen Yuan gezeigt.Noch spielen asiatische Gelder für die großen internationalen Vermögensverwalter eine untergeordnete Rolle. Doch das dürfte sich bei BlackRock bald ändern, nachdem man jüngst die Lizenz zum Aufbau eines eigenen Fondsgeschäfts in China erhalten hat. Wer um die Zockermentalität chinesischer Anleger weiß, wird darin nicht unbedingt ein Mehr an Stabilität im BlackRock-Geschäft sehen. Heikle Zeiten an den Märkten drohen aber schon im Herbst, wenn die US-Notenbank tatsächlich die Zinsen anheben sollte. Es ist wahrscheinlich, dass dann Anleihen- und Aktienkurse parallel in den Keller gehen und größere Umschichtungen in den Portfolios der Assetmanager auslösen. Gefahr des HerdentriebsDass ihr Geschäft ohne Risiko sei, werden auch die Vermögensverwalter nicht behaupten. Schließlich arbeiten sie selbst mit Worst-Case-Szenarien und Risikomodellen, in denen sie die Volatilität der Märkte und die Korrelationen zwischen den Anlageklassen variieren. Das haben übrigens auch die Banken bis zum Jahr 2007 in vollem Vertrauen auf ihre Risikomodelle und die Ratings gemacht, bis ihnen nach der Lehman-Pleite alle vermeintlichen Sicherheiten um die Ohren geflogen sind. Es gibt keinen Grund, heute den Beteuerungen der Assetmanager mehr zu vertrauen als gestern den Zusicherungen der Banken. Richtig ist zwar, dass die Vermögensverwalter als Treuhänder der Anleger unterwegs sind und nur begrenzt eigene Risiken eingehen dürfen und sich insofern im Geschäftsmodell grundlegend vom Leverage-getriebenen Bankenmodell unterscheiden. Doch unter Stabilitätsaspekten ist es unerheblich, ob ein Crash am Ende von Aktionären und Anleiheinvestoren ausgebadet werden muss oder von Bankengläubigern und dem Steuerzahler.Ein Crash ist ein Crash und hat gravierende makroökonomische Folgen. Ausgelöst wird er, wenn Spekulationsblasen platzen, alle Anleger und Fondsmanager durch dieselbe Tür zum Exit streben und Märkte illiquide werden. Kollektiven Irrtum kann zwar kein Regulierer verhindern. Doch die Gefahr des Herdenverhaltens wächst mit der Größe einiger Leithammel. Damit sind sie ein systemisches Risiko und sollten einer besonderen Regulierung unterliegen.—-c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus DöringDurch ihre Marktmacht werden große Vermögensverwalter zum systemischen Risiko und bedürfen besonderer Regulierung.——-