"Regulierung nicht überdrehen"

Banken und Industrie sorgen sich um Unternehmensfinanzierung unter Basel IV

"Regulierung nicht überdrehen"

wf Berlin – Die privaten Banken und die deutsche Industrie warnen davor, im Finanzmarkt die Regulierungsschraube zu überdrehen. “Wir müssen aufpassen, dass wir mit der Regulierung von heute nicht die Probleme von morgen kreieren”, sagte Christian Ossig, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bankenverbandes BdB in Berlin. Der BdB und der Industrieverband BDI zeigen in einem gemeinsamen Positionspapier die negativen Folgen der neuen Ansätze von Basel IV auf.Norbert Reis, Vorstandsmitglied von HSBC Trinkaus & Burkhardt, sprach sich in Berlin mit Blick auf die beim Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht diskutierten neuen Vorhaben (Basel IV) für eine Regulierungspause aus. Auch der Europaabgeordnete und Finanzmarktexperte Michael Theurer (FDP) plädierte dafür, über nichts Neues zu diskutieren, bevor Basel III in der Praxis erprobt sei.Reis verwies auf einschneidende Folgen für die Unternehmensfinanzierung, die sich schon heute aus der Regulierung ergeben. “Es wird zunehmend schwierig, langlaufende Kredite an schwach geratete Unternehmen zu vergeben”, sagte er. Die Fristentransformation müsse der Kunde selbst übernehmen. Damit trage er das Risiko einer Anschlussfinanzierung. Der Regulator sei bestrebt, Risiken aus den Banken herauszunehmen. Damit verschwänden die Risiken aber nicht, sondern würden nur an andere Stelle verlagert. Regulierung und Niedrigzinspolitik setzten Banken unter den Zwang, sich mangels Profitabilität aus Geschäftsfeldern zurückzuziehen, sagte Reis. So mache das Marketmaking nur noch einen Bruchteil des Volumens aus, das es vor der Finanzkrise hatte. “Wir haben heute eine Situation, in der das gesamte europäische Bankensystem nicht mehr profitabel ist und sich sehr schwertut, Risiken zu tragen”, konstatierte Reis. Regulierung färbt abAus Unternehmensperspektive warnte Thomas Goerdt, Group Treasurer beim Kupferproduzenten und -recycler Aurubis, davor, durch die Regulierung der Banken Probleme in die Industrie “hineinzudrücken”. Diese Angst treibe die Industrie um, sagte Goerdt, der Mitglied im Ausschuss für Unternehmensfinanzierung und Finanzmärkte des BDI ist. Wenn mit Basel IV nicht genutzte Kreditlinien verteuert würden, dann rüttele dies an der Finanzierungsfähigkeit der Unternehmen und an den Liquiditätspuffern, die die Industrie benötige. Goerdt sprach sich für “starke Banken und verlässliche Institute” aus, die die Unternehmen begleiten könnten. Ein rohstoffverarbeitendes Unternehmen wie Aurubis etwa benötige Absicherungsgeschäfte für sich und seine Kunden.In dem gemeinsamen Positionspapier verlangen BdB und BDI, dass die bewährte Unternehmensfinanzierung nicht gefährdet werden dürfe. Basel IV könnte zu einer deutlichen Erhöhung der risikogewichteten Aktiva und damit der erforderlichen Eigenkapitalunterlegung führen, warnen die Verbände. Würden die Risikomodelle zu sehr standardisiert, könnten die in Deutschland vergleichsweise geringen Unternehmensrisiken nicht mehr adäquat abgebildet werden. Zudem drohe die Fristentransformation durch Basel IV perspektivisch aus den Bankbilanzen herausgedrängt zu werden und damit die langfristige Risikoübernahme einzuschränken. Solche Maßnahmen hätten geringen Grenznutzen, aber hohe Grenzkosten.”Wir glauben an die Überlegenheit der internen Modelle”, setzte Ossig dem geplanten Eigenkapitalregime entgegen. Dieses erlaube risikoärmeres Geschäft und bessere Differenzierung als der Standardansatz. Im Herbst, so kündigte Ossig an, wolle der Bundestag einen Entschließungsantrag zu Basel IV und gegen das Überdrehen der Regulierungsschraube auf den Weg bringen. Alle drei Säulen der Kreditwirtschaft stünden dahinter.