Im GesprächThorsten Müller, DVFA

„Regulierung verschwindet nicht einfach“

Die EU-Marktaufsicht erwägt, die erzwungene Separierung von Provisionen für Wertpapier-Transaktionen und den Gebühren für das Research rückgängig zu machen. Die DVFA beäugt die Details der Initiative skeptisch.

„Regulierung verschwindet nicht einfach“

Im Gespräch: Thorsten Müller

„Regulierung verschwindet nicht einfach“

Der DVFA-Vorstandsvorsitzende über die regulatorische Kehrtwende beim Research Unbundling

Die EU-Marktaufsicht hat eine Konsultation in Zusammenhang mit der Aufhebung der 2018 erzwungenen Separierung von Provisionen für Wertpapier-Transaktionen und den Gebühren für das Research gestartet. Der Finanzprofi-Verband DVFA beäugt die Vorschläge der ESMA im Detail skeptisch.

fed Frankfurt

Die EU hat vergangenes Jahr damit begonnen, die heftig umstrittenen Regeln über das so genannte Research Unbundling umfassend zu korrigieren, um die erzwungene Entflechtung der Gebühren für Wertpapierhandel und -abwicklung einerseits und Kosten für Finanzanalyse andererseits wieder rückgängig zu machen. In diesem Zusammenhang hat die europäische Behörde eine Konsultation durchgeführt, die vor wenigen Tagen abgeschlossen wurde.

Bedenken des Verbandes

Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), also der Verband der Finanzprofis, findet den Vorstoß zwar generell sinnvoll, hat aber viele Bedenken, was die Überlegungen im Detail angeht. „Die DVFA und der europäische Analystenverband EFFAS begrüßen, dass die EU-Kommission bereit ist, selbst gesetzte Regeln zu ändern, wenn offenbar wird, dass sie nicht funktionieren“, erklärt Thorsten Müller, der Vorstandsvorsitzende der DVFA, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Allerdings zeige ein Blick in die Konsultation, „dass Regulierung, wenn sie erst einmal da ist, nicht einfach verschwindet.“ Denn es gehe nicht um eine ersatzlose Streichung, sondern um Anpassungen von Vorgaben. Es bleibe also absehbar bei regulatorischen Eingriffen.

Enormer Aufwand

Das Research-Unbundling war eine Reaktion auf die Finanzkrise. Ziel war es, mehr Transparenz über die Kosten für Investoren zu schaffen. „Der Aufwand war enorm und das Ergebnis unbefriedigend“, lautet das kritische Urteil Müllers.

Bis zum Inkrafttreten der novellierten EU-Marktrichtlinie MiFiD II, in der das Research Unbundling festgeschrieben wurde, habe es eine gute Versorgung mit Research gegeben, erläutert der DVFA-Vorstandschef und fügt an: „Die MiFiD-Umsetzung war in dieser Hinsicht eine Katastrophe.“ Denn sie habe dazu geführt, dass die Research-Coverage deutlich abgenommen habe, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen. Müller verweist auf Analysen, die nachwiesen, dass die Coverage von MDax-Werten und SDax-Werten deutlich zurückgegangen sei. Unbundling habe diese Entwicklung auf jeden Fall beschleunigt.

Die Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA hat 2021 darauf reagiert und hat die obligatorische Separierung von Sales Commissions und den Gebühren für das Research für Firmen bis zu einer Marktkapitalisierung von 1 Mrd. Euro wieder aufgehoben. Nun geht es darum, diese Schwelle aufzuheben und somit die verpflichtende Trennung auch für das Research für größere Unternehmen aufzugeben.

Beispiel Research-Qualität

Müller veranschaulicht seine Vorbehalte gegenüber dem Vorgehen der ESMA an konkreten Beispielen. In der Konsultation werde zum Beispiel eine jährliche Qualitätsprüfung des Research thematisiert, das ein Assetmanager eingekauft hat. Teil dieser Evaluierung könnten laut ESMA Wettbewerbsanalysen über potenzielle alternative Researchanbieter sein. „Jeder Vermögensverwalter hat aber ohnehin ein ureigenstes Interesse daran, zu überprüfen, ob die Qualität seines Research stimmt und wer gegebenenfalls ein geeigneter Alternativanbieter sein könnte“, sagt Müller. Dazu brauche es keine Regulierung. Noch dazu hätten Investoren sehr unterschiedliche Präferenzen. Ein Hedgefondsmanager sei womöglich short-term driven, lege also vor allem Wert auf Schnelligkeit. Für einen long-only-Vermögensverwalter stüden andere Dinge im Vordergrund. „Das sind hoch individuelle Fragestellungen, die wirklich keine Regulierung erfordern“, betont der DVFA-Vorstandsvorsitzende.

Ein anderes Beispiel betrifft die in der Konsultation vorgeschlagenen gestaffelten Preismodelle und Vergütungsdeckel. Damit sollen Investment Firmen vor zu hohen Researchpreisen geschützt werden. „Dass sich die Konsultation für Preismodelle interessiert, dokumentiert den Versuch für regulatorisches Mikromanagement“, beklagt Müller. „Dabei gilt, dass jeder Assetmanager und jedes Researchhaus sich auch ohne Regulierung auf einen Preis verständigen werden.“

Kritik an Mikromanagement

Die Total Expense Ratio ist nach den Worten Müllers ein hervorragendes Instrument, damit jeder Anleger erkennen könne, wie hoch die Gebühren insgesamt in Prozent des Fondsvolumens seien. Und auch die Fondsrenditen würden ausgewiesen. „Deshalb gibt es keine Notwendigkeit für eine kleinteilige Einmischung ins Pricing“, unterstreicht Müller und fügt an: „Wir benötigen eine Regulierung, die Rahmen setzt, aber kein kleinteiliges Mikromanagement.“ Das sei nicht die Aufgabe eines Regulators.

„Regulierung lässt sich nicht einfach ein- und ausschalten“, ist Müller überzeugt. Denn die Marktteilnehmer stellten sich darauf ein und könnten einmal angepasste Unternehmens- und Prozess-Strukturen nicht einfach wieder umstellen. Es sei deshalb unklar, ob die Finanzindustrie auf die Revision des Unbundling reagieren werde. „Vielleicht werden viele betroffene Marktteilnehmer darauf verzichten, eine Infrastruktur wieder rückabzuwickeln, die man eingeführt hat – obwohl man sie schlecht fand – denn das verursacht erneut zusätzliche Kosten und schafft wieder Anpassungsbedarf in den IT-Prozessen und Systemen.“

Von Detlef Fechtner, Frankfurt
BZ+
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