Regulierungsumfeld gewinnt Konturen
Der Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise liegt mittlerweile rund ein Jahrzehnt zurück. Die umfangreichen Veränderungen des regulatorischen Umfelds, die daraus resultieren und das Geschäft der Institute nachhaltig und massiv beeinflussen, sind jedoch noch immer in vollem Gange. Das künftige Regulierungsumfeld gewinnt mit der weit fortgeschrittenen europäischen Harmonisierung von Covered Bonds sowie der klar vorgezeichneten Weiterentwicklung und Vollendung des Reformprojekts Basel III zwar zunehmend Konturen. Doch andere Vorhaben befinden sich noch in einem früheren Stadium. Und neue Themen werfen ihre Schatten voraus.Zu den bedeutendsten Regulierungsvorhaben zählt für die Pfandbriefbanken ohne Zweifel die Harmonisierung der nationalen Regeln für gedeckte Schuldverschreibungen. Ziel ist es, den europäischen Markt für Covered Bonds noch homogener, transparenter und damit attraktiver für Anleger und Emittenten zu gestalten. Das Gesetzgebungsverfahren ist bereits weit fortgeschritten: Im März dieses Jahres veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Covered-Bond-Richtlinie und eine Verordnung zur Schärfung des Artikels 129 der Eigenkapitalverordnung CRR (Capital Requirements Regulation). Mit seinem prinzipienbasierten Ansatz erfüllt der Entwurf zentrale Forderungen der Pfandbriefbanken. Noch NachbesserungsbedarfIm Detail besteht aus Sicht des Verbandes allerdings noch Nachbesserungsbedarf. Während die Deckungswerte für traditionelle Covered Bonds gemäß CRR genau abgegrenzt werden, ist dies bei den Vermögenswerten für die weiteren Covered Bonds gemäß Richtlinie nicht der Fall. So zieht der Richtlinienentwurf den Rahmen für deckungsfähiges Geschäft deutlich weiter als für traditionelle Covered Bonds wie Pfandbriefe, aber wie es auch bislang in der OGAW-Richtlinie (OGAW, Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) der Fall ist. Das ist zwar dem Grunde nach beabsichtigt und mag zweckmäßig sein, allerdings sollten aus Sicht der Pfandbriefbanken im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Anforderungen detaillierter und strikter definiert werden, um den Spielraum für eine Erweiterung der deckungsfähigen Aktiva klar zu begrenzen und die Assetklasse Covered Bonds insgesamt nicht zu verwässern.Entscheidend ist, dass gedeckte Refinanzierung nicht beliebig wird. Damit wäre niemandem gedient: dem Produkt nicht, den Investoren nicht, den Emittenten nicht – und auch der Politik nicht, die mit dem Ziel gestartet ist, Banken ein ergänzendes stabiles Refinanzierungsinstrument an die Hand zu geben.Der Beschluss des Europäischen Parlaments zur Richtlinie muss bis zum ersten Quartal 2019 vorliegen, damit das Gesetzesverfahren noch von der amtierenden EU-Kommission abgeschlossen werden kann. Für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht bleiben den Mitgliedstaaten zwölf Monate, also bis Anfang 2020. In der dann ohnehin fälligen Novelle des Pfandbriefgesetzes sehen die Pfandbriefbanken auch das Thema einer möglichen Fälligkeitsverschiebung von Pfandbriefen im Fall der Insolvenz einer Pfandbriefbank, das der Markt bereits seit geraumer Zeit diskutiert, gut aufgehoben.Ein weiteres wichtiges Thema für die Pfandbriefbanken ist die Vollendung des Reformpakets Basel III, die sich nach einem langwierigen Prozess ebenfalls auf der Zielgeraden befindet. Der im Dezember vergangenen Jahres erzielte Kompromiss gibt den Instituten nun eine gewisse Planungssicherheit. In der Schlussphase der Verhandlungen konnte auf technischer Ebene auch noch einiges erreicht werden. Beispielsweise haben in letzter Minute noch Erleichterungen in die Berechnung des Output Floors Eingang gefunden, die dessen Wirkung auf das pfandbriefspezifische Geschäft dämpfen.Gleichzeitig stellt jedoch die vereinbarte Untergrenze für die Eigenkapitalunterlegung von 72,5 % weiterhin eine signifikante Belastung für zahlreiche Banken dar und macht insbesondere risikoarme Geschäfte wie Teile der Immobilienfinanzierung deutlich unattraktiver. Bei der Umsetzung des Reformpakets in europäisches Recht muss es daher aus Sicht der Pfandbriefbanken noch zu Entlastungen kommen – etwa mit Blick auf die Risikogewichte in der gewerblichen Immobilienfinanzierung. Bis zur Implementierung, die in Europa frühestens 2020 beginnt, werden die quantitativen und qualitativen Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle geprüft, was die Hoffnung auf eine Umsetzung mit Augenmaß nährt. Um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, wird es dabei vor der Umsetzung in Europa wichtig sein zu prüfen, wie die USA mit den Beschlüssen aus Basel umgehen.Auch bei der Entwicklung einer Methodik zur europäischen Beleihungswertermittlung blicken die Pfandbriefbanken nach Brüssel. Die aktuelle Überarbeitung der Eigenkapitalverordnung sieht vor, die Beleihungswertermittlung in Europa bis zum Jahresende 2019 in Form eines technischen Regulierungsstandards (RTS) zu vereinheitlichen. Ein entsprechender Vorschlag der Europäischen Bankenaufsicht EBA zur Ausgestaltung einer solchen Methodik kann nicht vor Jahresfrist, also Sommer kommenden Jahres, erwartet werden. Aus Sicht der Pfandbriefbanken wäre eine EBA-Leitlinie anstelle eines Regulierungsstandards effizienter und zielführender, um die Beleihungswertermittlung europaweit zu vereinheitlichen.Schließlich gab es schon einmal einen Entwurf für einen RTS. Dieser Versuch ist aber schlussendlich gescheitert. Statt einer Vollharmonisierung der Beleihungswertmethodik durch technische Standards würde ein prinzipienbasiertes Verfahren mittels einer EBA-Leitlinie lediglich die Risikoparameter setzen, die konkrete Ausgestaltung der Wertermittlung jedoch der nationalen Umsetzung überlassen. So könnten nationale Besonderheiten weiterhin berücksichtigt werden. Schließlich sind Immobilienmärkte national oder gar regional unterschiedlich strukturiert und folgen unterschiedlichen Zyklen. Eine EBA-Leitlinie könnte dann auch eine breitere Ausdifferenzierung der methodischen Vorgaben für die Beleihungswertermittlung in Deutschland anstoßen, um auch hier die regional sehr unter-schiedlichen Marktentwicklungen besser abzubilden und auf diese Weise die Pfandbriefrefinanzierung langfristig zu festigen. Beispiel für NachhaltigkeitDie Beleihungswertermittlung als besonders konservative und langfristig orientierte kreditwirtschaftliche Praxis ist – wie der Pfandbrief auch – ein gutes Beispiel für Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft. Deren Bedeutung an den Kapitalmärkten – und deren Wertschätzung in der Politik – hat in der jüngeren Vergangenheit stark zugenommen. Erst Anfang März dieses Jahres hat die Europäische Kommission den EU-Aktionsplan “Finanzierung nachhaltigen Wachstums” veröffentlicht. Ziel ist es insbesondere, mehr Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken. Im Mittelpunkt des Maßnahmenkatalogs der Kommission stehen dabei aus Sicht des vdp insbesondere die Klassifizierung grüner (und sozialer) Assets, die Verständigung über Standards für sogenannte “Green Bonds”, die Formulierung von Pflichten institutioneller Investoren und Assetmanager sowie die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Eigenkapitalunterlegung.Der Verband begrüßt die Pläne der EU-Kommission für ein nachhaltiges Finanzwesen grundsätzlich und teilt ihre Ziele. Um die weitere Entwicklung der dynamischen, jungen Assetklasse nicht zu behindern, sollten Vorgaben aus Brüssel jedoch ausreichend flexibel sein. Zudem muss vor der Einführung geringerer Eigenkapitalunterlegungspflichten gründlich analysiert werden, ob tatsächlich ein stabiler Zusammenhang zwischen grünen oder allgemein nachhaltigen Vermögenswerten und einem niedrigeren Ausfallrisiko besteht, der eine bevorzugte Kapitalunterlegung rechtfertigen könnte. Darum geht es beispielsweise in der EeMAP-Initiative (Energy-efficient Mortgages Action Plan) des “Euro-pean Covered Bond Council”. Während der Pilotphase, die auch einige Pfandbriefbanken aktiv begleiten, soll in den kommenden zwei Jahren die Ausfall- und Verlustwahrscheinlichkeit nachhaltiger Immobilienfinanzierungen erhoben werden. Fit für die Digitalisierung?Die vielfältigen und umfangreichen Regulierungsvorhaben auf europäischer Ebene mögen im Detail strittig und in der Umsetzung mühsam sein. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass geeignete europäische Regeln von großer Bedeutung sind für die Stabilität des Finanzwesens insgesamt, für den Schutz gedeckter Schuldverschreibungen sowie den langfristigen Erfolg der Pfandbriefbanken. Doch insbesondere für Letzteres braucht es noch mehr. Denn die technologischen Umwälzungen, Stichwort “Disruption”, die wir zurzeit erleben, stellen auch die Banken vor große Herausforderungen.In diesem Kontext ist der Anfang März dieses Jahres von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Fintech-Aktionsplan ein Ausrufezeichen aus Brüssel. Damit soll der Finanzsektor dabei unterstützt werden, neue Technologien wie Blockchain, künstliche Intelligenz oder Cloud-Dienste schneller und effizienter für sich zu nutzen. Zu diesem Zweck soll der Regulierungsrahmen für Finanzdienstleistungen auf Hindernisse für Digitalisierung und Finanzinnovationen hin untersucht werden. Die Pfandbriefbanken begrüßen dieses Projekt, so allgemein es derzeit auch noch sein mag, da mit Blick auf die Brüche und Umwälzungen, die mit der Digitalisierung einhergehen, technische und rechtliche Hindernisse für digitale Prozesse entlang der Wertschöpfungskette der Kreditinstitute unbedingt ausgeräumt werden müssen.All dies verdeutlicht: Mag sich auch das regulatorische Umfeld der Banken rund zehn Jahre nach dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise immer mehr konkretisieren und die Planungssicherheit schrittweise zunehmen, eine Atempause, obwohl von vielen herbeigesehnt, ist den Banken nicht ver-gönnt. Die Veränderungsgeschwindigkeit bleibt hoch. Die Pfandbriefbanken nehmen diese Herausforderung an und können sich auf ihren Verband verlassen, der sie auf allen Ebenen bestmöglich unterstützt.—-Louis Hagen, Präsident des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken, vdp, und Vorstandsvorsitzender der Münchener Hypothekenbank