EU-REGULIERUNG - KOMMENTAR

Robin Hoods Rückkehr

Ein europäisches Theaterstück des Genres Realsatire kommt zur Wiederaufführung. Regie führen Bundesfinanzminister Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire. Das Stück heißt wahlweise "Finanztransaktionssteuer", "Börsensteuer"...

Robin Hoods Rückkehr

Ein europäisches Theaterstück des Genres Realsatire kommt zur Wiederaufführung. Regie führen Bundesfinanzminister Olaf Scholz und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire. Das Stück heißt wahlweise “Finanztransaktionssteuer”, “Börsensteuer” oder aktuell gerade “Aktiensteuer”. Teile des Textbuchs sind schon im deutschen Koalitionsvertrag angelegt. Der Unterhaltungswert, so viel sei vorweggenommen, schwindet allerdings umso stärker, je länger die Spielzeit des Polittheaters dauert.Friedrich Merz, der potenzielle Nachfolger Angela Merkels mindestens als CDU-Vorsitzender, hat ja gerade mit der diskussionswürdigen Idee für Aufsehen und Aufregung gesorgt, das Altersvorsorgesparen mit Aktien steuerlich zu fördern. Der Reflex von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil (“milliardenschwerer Gefallen für Reiche”) war so sicher wie das Sabbern der konditionierten pawlowschen Hunde beim Klang der Glocke, wenn es noch gar kein Futter gibt. Dabei waren es doch gerade die Genossen, die anlässlich des Weltspartages und angesichts des im Zuge der EZB-Zinspolitik dramatisch veränderten Sparverhaltens der Bundesbürger vom Gesetzgeber Rahmenbedingungen forderten, welche die private Altersvorsorge auf Basis von Aktien- oder Fondssparplänen fördern und den Sparern Rechtssicherheit bis ins Rentenalter garantieren. Sie unterbreiteten dafür auch ganz konkrete Vorschläge.Okay, das waren nicht Klingbeils SPD-Genossen, sondern der Genossenschaftsverband. Die Organisation unter anderem der Volks- und Raiffeisenbanken aus 14 Bundesländern steht aber auch nicht im Verdacht, Interessen des nimmersatten Großkapitals zu vertreten oder zum engeren Freundeskreis der Fondsgesellschaft BlackRock zu gehören, in deren Diensten Merz als Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Ablegers steht – womit er Kritikern Angriffsfläche bietet.Scholz, Le Maire und einige ihrer europäischen Kollegen legen nun das Kontrastprogramm auf: fordern statt fördern. Nicht Anreize für das Aktiensparen setzen, sondern Aktiengeschäfte besteuern. Doch die Argumente für und gegen eine wie auch immer ausgestaltete Robin-Hood-Steuer sind seit Jahren ausgetauscht, und man muss sich wirklich über Politiker wundern, die in Zeiten der flagranten Enteignung der Sparer auch noch den Zugriff des Fiskus auf die ohnehin bescheidenen Kapitalerträge verschärfen wollen. Sie geben vor, die Verursacher der – nun doch allmählich verjährten – Finanzkrise an deren Kosten zu beteiligen, wollen aber in Wirklichkeit nur zusätzliche Einnahmen generieren, jetzt angeblich für den EU-Haushalt.Sind die Politiker so naiv, oder tun sie nur so? Einmal davon abgesehen, dass eine zusätzliche Aktiensteuer auch eine eher befremdliche Form der Finanzplatzförderung wäre, die sich die Bundesregierung ja auf die Fahnen geschrieben hat: Die Zeche würden nicht die Banken und Fondsgesellschaften zahlen, sondern deren Kunden, die privaten Kleinanleger ebenso wie die Unternehmen der Realwirtschaft. Nicht von ungefähr protestiert der Industrieverband BDI, der zu Recht um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland fürchtet, mit am lautesten gegen die Pläne.Robin Hood, wenn es ihn überhaupt jemals gab, ist tot. Man sollte ihn auch in Gestalt einer aberwitzigen Steuer nicht wiederbeleben.