GASTBEITRAG

Robo-Advice eröffnet Chancen

Börsen-Zeitung, 27.5.2016 In der heutigen Finanzwelt finden sich viele Privatanleger nur schwer zurecht. Daher brauchen sie Unterstützung und Beratung, um ihr Geld bestmöglich zu investieren. Die überwältigende Mehrheit der Deutschen verzichtet bei...

Robo-Advice eröffnet Chancen

In der heutigen Finanzwelt finden sich viele Privatanleger nur schwer zurecht. Daher brauchen sie Unterstützung und Beratung, um ihr Geld bestmöglich zu investieren. Die überwältigende Mehrheit der Deutschen verzichtet bei der Geldanlage jedoch auf professionellen Rat, wie “BlackRock Investor Pulse”, eine jährliche Umfrage unter deutschen Privatanlegern, zeigt. Dies führt dazu, dass sie Tagesgeld und Spareinlagen den Vorzug gibt. Allerdings bringen Baranlagen nicht die Erträge, die Anleger brauchen, um ihre langfristigen finanziellen Ziele zu erreichen.Vor diesem Hintergrund schauen Regulierungsbehörden in Europa zunehmend auf den neuen Trend der digitalisierten Vermögensverwaltung: Robo-Advice. Einerseits begrüßen sie das Potenzial für mehr Kundenfreundlichkeit, das mit diesen Online-Portalen für digitalisierte Vermögensverwaltung verbunden ist. Andererseits zeigen sie sich besorgt aufgrund möglicher unbeabsichtigter Risiken. Sind Robo-Advisor also die Antwort auf das Beratungsdefizit der Verbraucher, und falls ja, wie sollten die Regulierungsbehörden darauf reagieren? Meinungen eingeholtEin gemeinsames Konsultationspapier der europäischen Aufsichtsbehörden hat diese Thematik kürzlich aufgegriffen und die Meinungen und Erfahrungen der Finanz- und Versicherungsbranche beim Einsatz von Robo-Advice-Angeboten eingeholt. Nach Einschätzung von Black-Rock sollten im Dialog zwischen den Anbietern entsprechender Portale und den Aufsichtsbehörden vier Aspekte im Vordergrund stehen.Zunächst sollte geklärt werden, ob Robo-Advisor bessere Resultate für die Anleger liefern. Dabei ist zum einen entscheidend, ob die Portale einfacheren Zugang zu professioneller Finanzberatung bieten, insbesondere im Hinblick auf die Asset Allocation. Zum anderen ist zu prüfen, ob dies mit geringeren Kosten einhergeht. Der Fokus sollte hierbei in erster Linie auf leicht zugänglichen, ertragsorientierten Anlagestrategien liegen. Das unterliegende Produktspektrum sollte aus Indexfonds, ETF sowie aktiv gemanagten Fonds mit guter Wertentwicklung bestehen.Zweitens sollte es darum gehen, ob Robo-Advisor für Anleger vom Verfahren her einfach zugänglich sind. Die derzeit geltenden papierlastigen Know-your-Client- (KYC) und Geldwäscheprävention-Verfahren (AML) wirken mitunter abschreckend. In diesem Zusammenhang werden interessante Neuerungen wie Live-Video-Technologien eingeführt, die eine visuelle Authentifizierung von Personen und die Prüfung von Dokumenten ermöglichen.Parallel dazu signalisierte Lord Hill, EU-Kommissar für Finanzdienstleistungen, auf europäischer Ebene seine Unterstützung für eine europäische digitale ID für Finanzdienstleistungen. Diese zielt darauf ab, dass der Anleger seine Finanzdaten selbständig verwalten und auf sichere Art und Weise an berechtigte Empfänger weitergeben kann. Ansätze wie diese könnten die bisherigen KYC- und AML-Verfahren revolutionieren. Durch eine effektivere Zusammenführung der Daten zur Vermögenszusammensetzung könnte ein Anleger seinem Berater ein umfassendes Bild seiner Vermögenswerte und Verbindlichkeiten vermitteln.Darauf aufbauend, könnte der Berater ein detailliertes Kundenprofil einschließlich der Bedürfnisse und Risikoneigung erstellen, das sich bei Änderung der persönlichen Lage des Kunden dynamisch anpassen ließe. Darüber hinaus würde die Entwicklung von Branchenstandards und eines einheitlichen Serviceniveaus nicht nur Kontoüberträge, sondern auch die Übersicht über Konten erleichtern. So könnte auf Seiten des Anlegers und des Beraters ein besserer Überblick über die Vermögenssituation erreicht werden. Drittens sind konsistente Ergebnisse für alle Finanzberater von großer Bedeutung. Moderne Technologien sind zunehmend besser in der Lage, den Beratungsprozess effizienter zu gestalten. Da jeder Prozess nur so gut sein kann wie die Qualität der Daten, die zum Profil des Kunden und seinen Bedürfnissen erhoben werden, ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit einer robusten und kundenorientierten Eignungsprüfung der Produkte. Mit Blick auf die Kundenbetreuung ist es wichtig, dass auch Robo-Advisor Zugang zu persönlicher Anlageberatung bieten – sei es per Telefon, Online-Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch. Die Einbindung von Beratern ist entscheidend für den Erfolg von Robo-Advice-Lösungen. Servicequalität entscheidendSchließlich steht und fällt der Nutzen von Robo-Advice-Angeboten mit der Qualität von Kontroll- und Governance-Mechanismen. Der Onboarding-Prozess sollte gründliche Prüfungen und Validierungen umfassen. Algorithmen und Investmentauswahl sollten strikt kontrolliert werden, um Verzerrungen auf Modellebene zu vermeiden. Eine Schlüsselrolle kommt ferner der Servicequalität zu, wobei die transparente Darstellung der Beratungskosten und der angebotenen Produkte besonders wichtig ist. Mit der Umsetzung der Richtlinie für Märkte für Finanzinstrumente (Mifid II) und der Verordnung über Anlegerinformationen für Investmentprodukte und kapitalbildende Lebenspolicen (Priips) auf Ebene der Europäischen Union werden gegenwärtig umfassende neue Standards eingeführt. Demnach muss jedes Unternehmen, das über sein Online-Portal sensible Kundendaten erfasst, über robuste Verfahren für Compliance und Datensicherheit verfügen.Diese vier Aspekte sollten Anbieter von Robo-Advice und die Aufsichtsbehörden bei der weiteren Entwicklung der digitalisierten Vermögensverwaltung im Blick haben. Wenn sie entsprechende Vorkehrungen treffen, können Robo-Advisor sowohl Anlegern als auch Anlageberatern interessante Chancen eröffnen.—-Peter Lohse, Head of Legal & Compliance für Deutschland, Österreich und Osteuropa BlackRock