Rolle rückwärts im Baseler Ausschuss
Die Abhängigkeit von den Bonitätseinstufungen der Ratingagenturen zu reduzieren – dies war eines der Ziele der Regulierung infolge der Finanzkrise. Nun rudert der Baseler Ausschuss zurück, wie seine Vorschläge zur Eigenkapitalunterlegung von Forderungen an Banken und Unternehmen im Kreditrisiko-Standardansatz zeigen.bn Frankfurt – Die Abhängigkeit der Banken von Bonitätsnoten der Ratingagenturen nimmt weniger stark ab als bisher geplant. Auf Betreiben der Finanzbranche hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht am Donnerstag einen Rückzieher gemacht bei seinem im Dezember 2014 publik gemachten Vorhaben, den Einfluss der externen Ratings auf die Eigenkapitalunterlegung von Forderungen nach dem Kreditrisiko-Standardansatz komplett zu kappen. In den Reaktionen auf dieses erste Konsultationspapier seien Sorgen zum Ausdruck gekommen, denen zufolge ein kompletter Verzicht auf Ratings “unnötig und unerwünscht” sei, teilt der Ausschuss nun mit. Andere Adressen hätten diesen Ansatz als überkomplex oder zu risikounempfindlich kritisiert.Im Falle von Engagements gegenüber Banken und Unternehmen habe der Ausschuss sich in seinem zweiten Konsultationspapier daher dazu entschieden, die Verwendung von Ratings in einer “nicht mechanistischen Weise” wieder einzuführen, heißt es. Dieses sperrige Eigenschaftswort muss der Ausschuss bemühen, denn in ihrer Verordnung über Ratingagenturen hatten etwa EU-Parlament und -Rat 2009 festgelegt, dass die EU-Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA in Leitlinien, Empfehlungen und Entwürfen für technische Standards nicht mehr auf Ratingagenturen Bezug nehmen sollten auf eine Weise, welche ein “alleiniges oder mechanistisches” Vertrauen in diese Gesellschaften fördern könnte. Europas Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherer und Wertpapiermärkte hatten entsprechende Verweise in ihren Dokumenten denn auch eigens eliminiert.Nun macht die internationale Aufseher-Riege einen Schritt zurück im Bemühen, die Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen. Eine extreme Abhängigkeit der Investoren von externen Ratings gilt als eine der Hauptursachen für die Verheerungen in den damaligen Bankbilanzen. Auf Kreditrisiken entfällt der bei weitem größte Anteil des von Banken vorzuhaltenden Eigenkapitals. Im Falle der Commerzbank etwa gingen 2014 rund 80 % der über das Volumen des benötigten Eigenkapitals entscheidenden Risikoaktiva auf solche Risiken zurück. Der Rest verteilt sich auf Markt- und operative Risiken. Eine letzte WelleDie Überarbeitung des Standardansatzes für Kreditrisiken soll Teil einer letzten Welle von Initiativen sein, mit welchen der Baseler Ausschuss seine Agenda der Reformen infolge der Finanzkrise abschließen möchte, wie sein Generalsekretär William Coen vor wenigen Wochen im Interview der Börsen-Zeitung erklärte: “Wir haben fast den Punkt erreicht, an dem die Banken nur noch genügend Zeit benötigen, um die Regeln umzusetzen, und dasselbe gilt für die Aufseher.”Für Rechtsgebiete, welche aus regulatorischen Gründen die Verwendung externer Ratings nicht mehr zulassen, hält der Ausschuss alternative Ansätze bereit. Ihre Exposures gegenüber Banken sollen Finanzinstitute dort demnach ebenso wie Engagements ohne Rating grundsätzlich einer von drei Risikoklassen zuordnen, vorausgesetzt, dafür sind jeweils bestimmte Minimalkriterien erfüllt. Unternehmensforderungen sollen ein Risikogewicht von 100 % erhalten, wenn es kein Rating gibt, von 75 %, wenn sie als “Investment Grade”-Forderung gelten, und von 85 %, wenn es sich um Engagements bei kleinen und mittleren Unternehmen handelt. Ein Risikogewicht von 100 % bedeutet, dass Eigenkapital in Höhe von 8 % des Forderungsvolumens zu hinterlegen ist.Die Aufseher räumen ein, dass mit den unterschiedlichen Ansätzen nun die Vergleichbarkeit von Rechtsgebieten, je nachdem, ob deren Regulierung die Nutzung externer Ratings erlaubt, leiden könne. Vorschläge, wie solche Differenzen minimiert werden könnten, würden begrüßt, heißt es.Zudem hat der Ausschuss die vorgeschlagenen Risikogewichtungen für Immobiliendarlehen verändert. Von ursprünglichen Plänen, die Schuldendeckungsquote als Risikotreiber zu betrachten, haben die Aufseher dabei Abstand genommen “angesichts der Herausforderungen, eine globale Kennzahl, die über Rechtsgebiete hinweg einheitlich angewendet werden kann, zu definieren und zu kalibrieren”. Ein Schlüsselkriterium für die kreditgebende Bank soll nun vielmehr die Einschätzung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners werden. Generell sollen alle Exposures im Zusammenhang mit Immobilien in dieselbe Assetklasse eingestuft werden. Auch sollen die Risikogewichte steigen in Fällen, in welchen die Tilgung maßgeblich von Cash-flows abhängt, welche von der für den Kredit als Sicherheit dienenden Immobilie erzeugt werden. Nullgewichtung außen vorDie Eigenkapitalunterlegung von Forderungen an Staaten, Zentralbanken sowie den öffentlichen Sektor ist nicht Teil des Vorschlags. Das Komitee betrachte solche Exposures als Teil einer “breiteren und holistischen Überprüfung von Staatsrisiken”, teilt der Ausschuss mit.Die Konsultation der am Donnerstag veröffentlichten Vorschläge läuft bis 11. März. Eine Studie soll 2016 die Auswirkungen untersuchen. Ende kommenden Jahres soll der revidierte Standardansatz fertiggestellt werden.