Rückschlag für Europakritiker

Gegner und Befürworter der Bankenunion argumentieren mit dem Wohl der Steuerzahler

Rückschlag für Europakritiker

Geteiltes Echo auf die Entscheidung aus Karlsruhe: Während die Kläger den Verlust von nationaler Souveränität beklagen, zeigen sich Bundesregierung, Bundesbank und Finanzpolitiker erleichtert, dass die Bankenaufsicht durch die EZB und der gemeinsame Abwicklungsmechanismus verfassungskonform sind.Von Anna Sleegers, FrankfurtDas Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der europäischen Bankenunion trifft auf geteiltes Echo. Während sich Bundesregierung, Bundesbank und weite Teile der Branche erleichtert über die Entscheidung zeigten, schürten die Kläger um den Berliner Juristen und Finanzprofessor Markus C. Kerber Ängste vor neuen Milliardenbelastungen für die deutschen Steuerzahler und beklagten den Verlust von nationalen Kompetenzen.Der von Kerber gegründete Thinktank Europolis veröffentlichte am Dienstag eine Erklärung, in der es hieß, dass die Debatte über die Souveränitätsverluste und Haftungszunahme durch die europäisierte Bankenaufsicht nicht abgeschlossen sei, sondern erst richtig anfange. “Denn wird sich in der Zukunft zeigen, dass – wie leider bisher – die neuen Regeln nicht angewendet werden, dann bliebe die Kreditwirtschaft weiterhin von den Sanktionen des Marktes verschont”, hieß es in der Mitteilung. Worin der konkrete Verstoß gegen die neuen Regeln besteht, ließ Europolis auch auf Nachfrage offen. Mangelnde KontrolleDie von Kerber vertretenen Kläger bemängeln, dass die Mittel aus der in Deutschland erhobenen Bankenabgabe irreversibel auf europäische Instanzen übertragen würden, ohne dass die Bundesregierung, der Bundestag oder auch die deutschen Kreditinstitute die Verwendung kontrollieren oder beeinflussen könnten. Diese “Haftungszunahme bei vollständigem Herrschaftsverlust” spiegelt in ihren Augen ein Defizit an Souveränitätsbewusstsein sowie den “widerstandslosen Konformismus” großer Teile der Kreditwirtschaft wider.Ähnlich äußerte sich Mittelstandspräsident Mario Ohoven. Das Urteil legitimiere einen weiteren Verlust nationaler Souveränität über den deutschen Finanzsektor. “Damit gehen wir erneut unkalkulierbare finanzielle Risiken ein”, befürchtet Ohoven. Davon ist man auch bei Europolis überzeugt: “Reichen die Mittel im bestehenden europäischen Abwicklungsfonds nicht aus und können Banken kein Geld nachlegen, muss der deutsche Staatshaushalt und damit der Steuerzahler für Bankenausfälle in der Eurozone haften.”Auch Finanzstaatssekretär Jörg Kukies (SPD) argumentierte in seiner Stellungnahme zum Karlsruher Urteil mit der Belastung für den Steuerzahler – kam allerdings zum gegenteiligen Schluss. Die letzte Finanzkrise habe die deutschen Steuerzahler 60 Mrd. Euro gekostet, weil es kein einheitliches Abwicklungsregime gegeben habe, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters. Das habe sich mit der Bankenunion geändert. “Durch die einheitliche Beaufsichtigung ist das jetzt wesentlich besser.”Der Sprecher der EVP-Fraktion im Wirtschafts- und Währungsausschuss (Econ) im Europäischen Parlament und Namensvetter des Europolis-Präsidenten, Markus Ferber, zeigte sich gleichermaßen überzeugt, dass eine grenzüberschreitend organisierte Bankenaufsicht unabdingbar ist. “Wer eine wirksame Bankenregulierung will, muss europäisch denken. Die Bankenunion war die zentrale Lehre aus der Krise und dient am Ende dazu, den Steuerzahler aus der Haftung zu nehmen.”Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr bezeichnete die Entscheidung als eine gute Nachricht für mehr Finanzstabilität in Europa. “Es ist wichtig, dass das Prinzip der einheitlichen Aufsicht und Abwicklung gestärkt wurde, es muss jetzt voll zur Anwendung kommen”, sagte er. Nach Ansicht der FDP-Fraktion müsse die Bankenaufsicht mittelfristig jedoch nicht von der EZB, sondern von einer unabhängigen Behörde ausgeübt werden, um Konflikte zwischen der Geldpolitik und der Bankenaufsicht zu vermeiden. Lob von der BundesbankDie Bundesbank begrüßte den Richterschluss ebenfalls. “Wir sehen es positiv, dass der europäische Fortschritt in Form der einheitlichen Bankenaufsicht in Deutschland verfassungsrechtlich abgesichert ist”, sagte der für die Bankenaufsicht zuständige Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling dem “Handelsblatt”.Auch der Verband der privaten Banken lobte die Bankenunion. Der europäische Aufsichtsmechanismus habe sich in den fast fünf Jahren seines Bestehens eingespielt und bewährt, sagte Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, und ergänzte: “In Zeiten, in denen Bankgruppen zunehmend grenzüberschreitend tätig sind, ist eine zentrale europäische Aufsicht für diese Institute die logische Konsequenz.”Für DIW-Präsident Marcel Fratzscher ist es nun an der Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht der Farce der Europagegner ein Ende bereitet, und nicht mehr “ähnlichen Klagen der immer gleichen Leute” eine Bedeutung beimisst, die sie nicht verdienten. “Die europäische Bankenunion ist eine wichtige Errungenschaft der Währungsunion, von der auch Deutschland profitiert”, sagte der frühere EZB-Ökonom.