Ruf nach Entlastung wird lauter
Die kleinen und mittelgroßen Volks- und Raiffeisenbanken ächzen in besonderem Maße unter den regulatorischen Lasten. Gibt es seitens Politik und Aufsicht keine Erleichterungen, sehen diese Institute als Folge der eigenen, durch die Zinspolitik der EZB noch verschärften Probleme auch die Finanzierung wesentlicher Teile des Mittelstandes in Gefahr.ski Frankfurt – Kleinste Banken müssen auf Basis der Proportionalität über Befreiungsregelungen und Bagatellgrenzen von weiten Teilen der bürokratischen Belastungen vollständig ausgenommen werden. Diese Forderung wurde am Mittwoch auf der Jahresmitgliederversammlung der Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken (IG) in Fulda vor dem Hintergrund des aktuellen deutsch-britischen Vorstoßes zur Entlastung kleinerer Institute von Regulierungsvorschriften bekräftigt. Warnung vor den FolgenDie 2004 gegründete IG, der bundesweit zurzeit 415 der gut 1 000 Volks- und Raiffeisenbanken angehören, begrüßt die Initiative. Die Gruppierung weist darauf hin, dass es eine uralte, schon im Zusammenhang mit dem früheren Akkord “Basel II” vorgebrachte Forderung der Interessengemeinschaft sei, bestimmte kleine Banken, entsprechend dem Vorgehen der USA, komplett aus Teilen des Baseler Regelwerks herauszunehmen.Politik und Aufsicht müssten die Bedingungen in der Regulatorik dringend ändern, sagte Berend H. Gortmann, Bundessprecher der IG, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Einmal entstandene Veränderungen in der Bankenwelt könnten nämlich nicht rückgängig gemacht werden. Negative Regulierungsfolgen für die Stabilität des Finanzsektors, verbunden mit mangelhaften Finanzierungsangeboten für die dortigen mittelständischen Unternehmen, seien in anderen EU-Staaten bereits deutlich sichtbar.Auch hierzulande sieht die IG die Finanzierung weiter Teile der Wirtschaft gefährdet. Gewerbetreibende, Handwerksbetriebe, der Agrarsektor und mittelständische Unternehmen könnten sich nicht über Kapitalmarktinstrumente finanzieren. Die für die deutsche Volkswirtschaft wichtigen Akteure und Arbeitgeber seien vielmehr dauerhaft auf Bankenfinanzierungen angewiesen. Hier sehen gerade die genossenschaftlichen Ortsbanken eine ihrer Domänen. Ihre unternehmerische Verantwortung gegenüber Mittelstandskunden sei ein besonderes Element der Geschäftsbeziehung.Diese bewährte Struktur sei – mit Blick auf das einfache Geschäfts- und Risikoprofil der vielen kleinen und mittleren Genossenschaftsbanken – durch unangemessene Regulierungsanforderungen bedroht, wie es auf der Versammlung hieß. Etliche Ortsbanken sähen sich perspektivisch nicht mehr in der Lage, die aus ihrer Sicht völlig unverständliche Bürokratie zu bewältigen. Rund drei Viertel aller Genossenschaftsbanken weisen eine Bilanzsumme von weniger als 750 Mill. Euro aus.Die Ertragslage der Ortsbanken werde durch “die politisch motivierte Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank” zusätzlich belastet, so die IG. Strukturelle Veränderungen in der Bankenlandschaft und damit in der Versorgung breiter Bevölkerungsschichten deuteten sich bereits konkret durch eine Welle von Filialschließungen an, beklagt die Gemeinschaft unter Hinweis auf die jüngste Bankstellenstatistik der Bundesbank, die einen im vorigen Jahr beschleunigten Filialschwund zeigt (vgl. BZ vom 14. April). Die Sichtweise der Bundesbank, wonach eine Schrumpfkur durch Fusionen und Anpassung der Filialnetze erwünscht sei, können die kleinen und mittleren Genossenschaftsbanken Gortmann zufolge wegen der Bedeutung ihres Geschäftsmodells für die Realwirtschaft nicht teilen. “Primärbankenholding”Mit der beabsichtigten Zusammenführung von DZ Bank und WGZ Bank sieht die IG die Struktur des genossenschaftlichen Oberbaus auf der Zielgeraden. Mit der Fusion verbinde man die Erwartung, dass nachhaltig Kostensynergien gehoben werden, die in den Ertragsrechnungen der Volks- und Raiffeisenbanken ankommen müssten. Daneben werde insbesondere die angestrebte Neuaufstellung der Verbundunternehmen begrüßt, die perspektivisch in einer Gleichstellung außerhalb der Zentralbank von einer “Primärbankenholding” gesteuert werden sollen. Die bisherigen DZ Bank-Töchter Union Investment, R + V Versicherung und Bausparkasse Schwäbisch Hall rückten so mit ihrem Leistungsspektrum für die Endkunden näher an die marktbearbeitenden Institute auf der Ortsebene heran.Unabhängig von der Verbesserung im Oberbau müsse gewährleistet sein, dass die Strategieführerschaft für die genossenschaftliche Finanzgruppe bei den im Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) vereinigten Primärbanken verbleibe, lautet eine weitere Forderung der IG.Was die Verbändelandschaft betrifft, gehen die kleinen Institute davon aus, dass die bestehende Zusammenarbeit auf alle fünf Regionalverbände ausgeweitet werde. Im Interesse sämtlicher Volks- und Raiffeisenbanken gelte es, durch feste Kooperationen schon aus Kostengründen Doppelarbeiten zu vermeiden. Wegen des Fehlens eigener Stäbe erwarteten gerade die kleinen und mittleren Häuser von ihrem Regionalverband in der Banksteuerung eine sehr mitgliedernahe Unterstützung. Gortmann: “Beim schnellen Ruf nach mehr Fusionen auf der Bankenebene sollte die Sinnhaftigkeit von Fusionen unter Einbeziehung von Alternativlösungen verbandsseitig immer angemessen diskutiert und kommuniziert werden.” Das Geschäftsmodell der Ortsbank mit einem starken Finanzverbund habe die Gruppe erfolgreich gemacht, sei prägend für das Genossenschaftswesen und marktseitig gewollt.Gortmann wurde von den anwesenden rund 130 Mitgliedern für drei weitere Jahre in seinem Amt als Bundessprecher der IG bestätigt. Der 59-Jährige ist im Hauptberuf seit 1996 Mitglied des Zweiervorstands der Volksbank Niedergrafschaft im niedersächsischen Uelsen.