Russlands Bankensektor stabilisiert sich

Erstes Durchatmen nach Katastrophenjahr - Notenbank entzieht binnen drei Jahren 284 Banken die Lizenz

Russlands Bankensektor stabilisiert sich

Von Eduard Steiner, MoskauEs gehört zum Markenzeichen von Kremlchef Wladimir Putin, seine Top-Beamten ab und an öffentlich zu rügen. Dagegen ist auch Elvira Nabiullina nicht gefeit. Eigentlich mache die Zentralbank-Chefin seit ihrer Ernennung im Jahr 2013 alles richtig, ließ Putin am Mittwoch wissen: Die einzige Schuld der Zentralbank sei, dass sie alle Maßnahmen schon früher hätte setzen müssen. Putin spielte auf ihre Kontrollfunktion an – und auch die Konsolidierung des zersplitterten Bankenmarktes. Diese sei ja ein allgemeiner Trend. “Russland ist in diesem Sinn keine Ausnahme.”Vom Ausmaß und von der historischen Dimension her stimmt der letzte Satz nicht. Binnen drei Jahren hat die Zentralbank 284 Banken die Lizenz entzogen, weil entweder das Kapital zu gering war, zu unvorsichtig Kredite vergeben wurden oder überhaupt Geld gewaschen wurde. Allein im laufenden Jahr 2016 waren 74 – wohlgemerkt nicht systemrelevante – Geldinstitute betroffen. “Es ist eine Befreiung von schwachen Spielern”, sagte Nabiullina schon vor ein paar Monaten in einem Interview.In der Tat geben auf dem Sektor nur wenige Banken den Ton an: So vereinen die fünf größten Geldinstitute 56,6 % und die ersten 20 Banken ganze drei Viertel der gesamten Bilanzsumme auf sich, schreibt die Nationale Ratingagentur (NRA) in einem Branchenbericht. Die Zentralbank steigt bei der Konsolidierung dennoch weiter aufs Gas. Dazu baut Nabiullina im Moment auch die Bankenaufsicht fundamental um und hat damit Diskussionen ausgelöst. Vor allem bei Sanierungen, die bislang der Agentur für Einlagensicherung zukamen, verschafft sich die Zentralbank nun die Kontrolle.Was das Bankengeschäft selbst betrifft, so ist nach einem Katastrophenjahr 2015 zumindest eine Stabilisierung eingetreten. 2015 war der Gewinn in dem gesamten Sektor – angesichts der Kontraktion des BIP um 3,7 % – um zwei Drittel eingebrochen, nachdem im Dezember 2014 ein großflächiger Bank Run in allerletzter Minute hatte abgewendet werden können. Der Absturz des Rubel, der niedrige Ölpreis, die Sanktionen und der Rückgang der real verfügbaren Einkommen machten den Geldhäusern zu schaffen. Die negativen Umstände wirken 2016 abgeschwächt weiter, so dass das BIP im Gesamtjahr weiter leicht kontrahiert. Aber der Anpassungsprozess an die neue Realität ist weitgehend abgeschlossen. Der Rubel konnte sich leicht erholen. Und die Zentralbank hat den Leitzins Mitte September – zum zweiten Mal in diesem Jahr – auf nunmehr 10,0 % gesenkt. Sberbank steigert GewinnNimmt man vor diesem Hintergrund die landesweit größte und staatliche Bank Sberbank, die die Hälfte aller Spareinlagen und ein Drittel aller Kredite auf sich vereint, zum Maßstab, so steigen die Gewinne wieder. Ausgehend von der im Staatsbudget veranschlagten Dividende errechnete die Zeitung “Wedomosti”, dass die Sberbank 2016 insgesamt 500 Mrd. Rubel Gewinn einfährt, was leicht über den meisten Analystenprognosen liegt. Im Vorjahr hatte das Institut nach internationalen Rechnungslegungsstandards 223 Mrd. Rubel verdient, im ersten Halbjahr 2016 waren es bereits 263,1 Mrd. Rubel (nach russischen Rechnungslegungsstandards 229,4 Mrd. Rubel). “Das Bankensystem ist nach den zwei ziemlich schwierigen Jahren insgesamt stabil”, sagte Nabiullina dieser Tage: Die Gewinne, die sich jenen von 2014 annähern, ermöglichen, das Kapital zu erhöhen.Die Sberbank treibt wie eh und je den Sektor, der laut Zentralbank im ersten Halbjahr einen Nettogewinn von 359,9 Mrd. Rubel erzielte, nachdem im ersten Halbjahr 2015 nur 51,5 Mrd. Rubel verdient worden waren. Am lukrativsten zeigte sich das Firmenkundengeschäft. Dem NRA-Bericht zufolge hat sich auch der Rückgang bei der Kreditvergabe verlangsamt – im zweiten Quartal wurden 0,9 % weniger Kredite vergeben, in der Summe 44,9 Bill. Rubel. Rasant wuchsen zuletzt jedoch die Hypothekarkredite – in den ersten neun Monaten um ganze 40 %. Relativ gute Nachrichten kommen auch von den faulen Krediten. War ihr Anteil am Kreditportfolio vor einem Jahr noch mit zweistelligen Prozentsätzen gewachsen, so waren es im zweiten Quartal 2016 nur noch 0,65 %. Per 1. Juli galten 7,2 % aller Kredite als notleidend. Die Autoren des NRA-Berichts gehen davon aus, dass sich die Rückgänge bei den Einlagen fortsetzen, da die Einlagenzinsen sinken und die Realeinkommen fallen.