Sachwertbranche muss umdenken und digitale Kanäle beim Absatz einbeziehen

Um Kunden zu überzeugen, ist jedoch das Nebeneinander verschiedener Wege wichtig

Sachwertbranche muss umdenken und digitale Kanäle beim Absatz einbeziehen

Von Eric RombaHauptgeschäftsführer und Sprecher des bsi Bundesverband Sachwerte und Investmentvermögen e.V.Die Digitalisierung ist überall. Der Wandel von analog zu digital durchdringt inzwischen alle Bereiche unserer Gesellschaft: Ob Medien, Kultur, Bildung, Verwaltung, Konsum oder Politik – ohne das Internet ist keiner dieser Bereiche mehr denkbar. Vor allem in der Wirtschaft beschleunigt sich der digitale Wandel permanent. Er fördert neue Prozesse, formt neue Märkte und revolutioniert die Kommunikation zwischen Menschen, Unternehmen und Produkten – und zwar weltweit. Knapp 3 Milliarden Menschen nutzen inzwischen das Internet. In Nordamerika und Westeuropa sind es sogar mehr als 80 % der Menschen.Technologieunternehmen sind global auf dem Vormarsch. Amazon, Apple, Google, Microsoft und Facebook haben gemeinsam eine Marktkapitalisierung von fast 2 Bill. US-Dollar, was etwa 11 % des US-amerikanischen Bruttoinlandsproduktes entspricht – und die USA sind die größte Volkswirtschaft der Welt. Auch vor Deutschland macht der Digitalisierungstrend nicht halt. Der TecDax hat in den vergangenen fünf Jahren um 136 % zugelegt. Der Dax hat im selben Zeitraum “nur” 80 % hinzugewonnen.Folgerichtig, aber durchaus später als in anderen Branchen hat die Digitalisierung nun auch die Finanzbranche erreicht: Nutzten 2004 noch 13 Millionen Menschen das Online-Banking, waren es 2014 schon 37 Millionen, Tendenz steigend. Parallel ist auch das Vertrauen in die Nutzung digitaler Services bei Finanzdienstleistungen gewachsen: Im Jahr 2000 waren 3,9 Millionen Menschen Kunden einer Direkt- oder Onlinebank. 15 Jahre später waren es schon fast fünfmal mehr, nämlich 18,2 Millionen Kunden.Das große Potenzial, das in dieser Entwicklung steckt, hat jene Unternehmen auf den Plan gerufen, die für Innovationen zuständig sind: Start-ups. Weltweit wachsen die Venture-Capital-Investitionen in Fintechs, wie die Start-ups des Finanzdienstleistungssektors heißen. Von 520 Mill. US-Dollar im Jahr 2010 auf mehr als 19 Mrd. Euro im Jahr 2015. In Deutschland gibt es aktuell knapp 300 solcher Fintechs. Sie tüfteln an neuen Ideen für Finanzierungen, Geldanlagen, Versicherungen und vieles mehr. Parallel haben viele deutsche Banken im vergangenen Jahr angekündigt, ein Viertel ihrer Filialen schließen zu wollen, zumeist, weil sie unrentabel geworden sind. Gleichzeitig bauen sie ihre Angebote im Internet aus. Was bedeutet diese Entwicklung für die Sachwertinvestmentbranche, die ihre Produkte fast ausschließlich über Banken und freie Finanzdienstleister an den Kunden gebracht hat? Auch sie muss umdenken und die digitalen Wege künftig mit einbeziehen, wenn es um den Absatz ihrer Produkte geht. Denn ohne diesen Schritt wird sie viele Kunden in Zukunft kaum noch erreichen: Heute sind fast 100 % der 18- bis 50-Jährigen im Internet aktiv. Und auch über 50-Jährige nutzen das Internet regelmäßig. Am häufigsten greifen dabei alle Altersgruppen auf das Internet für ihre elektronische Post zurück. Am zweithäufigsten aber informieren sie sich über Produkte, die sie kaufen wollen. Und viele kaufen dann auch online.Diese online getroffenen Kaufentscheidungen basieren einerseits auf Informationen über das konkrete Produkt, andererseits aber auch auf anderen Quellen, wie zum Beispiel Nutzerbewertungen. Online-Kunden schätzen die Vielfalt an Informationen, die sie im Internet vorfinden. Sie nutzen verschiedene Quellen, um sich eine Meinung zu bilden, und sie nutzen verschiedene Wege, um Produkte zu nutzen – vom Kauf über das Leihen bis zum Teilen. Kurz: Online aktive Kunden wollen Flexibilität, Transparenz und die Hoheit über ihre Informationen und Entscheidungen.Internet und Digitalisierung – das klingt vor allem nach jungen Nutzern. Kann man die (potenziellen) Anleger von Sachwertinvestments überhaupt im Internet erreichen? Man kann: Knapp die Hälfte der Menschen, die schon einmal Geld in geschlossene Sachwertinvestments angelegt haben, ist über 60. Ein weiteres Drittel ist zwischen 50 und 60 Jahre alt. Bezogen auf die Daten zum Online-Nutzungsverhalten verschiedener Altersgruppen kann man schlussfolgern, dass etwa drei Viertel der aktuellen Bestandskunden auch via Internet erreicht werden können.Und das gilt auch für die künftigen Kunden. Für die heute 18- bis 30-Jährigen sind Sachwertinvestments aufgrund ihrer beruflichen Entwicklung und ihrer durchschnittlichen Vermögensverhältnisse in der Regel noch nicht von Interesse. Ganz anders ist es bei den heute 30- bis 50-Jährigen: Sie sind zu 100 % online, jeder Dritte von ihnen hat ein Monatsnettoeinkommen von mehr als 2 000 Euro und jeder Fünfte einen Hochschulabschluss. Diese Altersgruppe verwendet durchschnittlich 12 000 Euro im Jahr dafür, Sach- und Geldvermögen zu bilden, und hat ein durchschnittliches Haushaltsnettovermögen von 50 000 Euro zur Verfügung. Aber erst 5 % von ihnen haben jemals online ein Finanzprodukt abgeschlossen. Ein geschlossenes Sachwertinvestment war bis heute – soweit wir wissen – noch nicht dabei.Das dürfte vor allem daran liegen, dass geschlossene Sachwertinvestments im Internet bislang eher wenig präsent sind. Zwar ist jeder Anbieter heutzutage auch mit einer eigenen Internetseite aktiv, auf der er auch über seine aktuellen Produkte informiert. Was bislang aber fehlte, ist eine zentrale Plattform, auf der sich private Anleger einerseits über die Produktklasse und andererseits über konkrete Anlagemöglichkeiten informieren konnten.Dies hat sich nun geändert: Mit www.sachwertfonds.de haben die Mitglieder des bsi ein digitales Informationsangebot für Sachwertinvestments geschaffen. Die Seite fungiert als ein digitaler Raum, in dem Anleger Antworten auf Fragen wie diese finden: Was sind eigentlich Sachwerte? Was sind Sachwertinvestments? Welche Assetklassen gibt es? Wie funktioniert ein geschlossener Alternativer Investmentfonds (AIF)? Was ist eine Verwahrstelle? Was bedeutet “reguliertes Produkt”? Und was macht eigentlich eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG)?Gekoppelt ist dieses Informationsangebot an eine Plattform, auf der Anleger einen Überblick der aktuellen Angebote der Verbandsmitglieder erhalten. Die Interessenten können zudem weitere Informationen über das konkrete Produkt abrufen. Bei Bedarf haben Anleger dann auch die Möglichkeit, per Link direkt an den Anbieter (und sein Produkt) weitergeleitet zu werden. Die Anbieter können an dieser Stelle aber auch den Vertriebskanal ihrer Wahl ansteuern lassen.Damit sind geschlossene Sachwertfonds zentral im Internet auffindbar. Das ist ein wichtiger Schritt. Die Branche ist inzwischen aber noch einen Schritt weiter: Geschlossene Sachwertinvestments können künftig auch online gezeichnet werden. Die wichtigste Voraussetzung dafür hat das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) geschaffen. Dort steht, dass sämtliche für den Kauf eines Anteils erforderlichen Unterlagen auch elektronisch zur Verfügung gestellt werden können. Das gilt auch für den Zeichnungsschein. Praktisch zeitgleich haben Fintechs wie IDnow das bisher recht aufwendige Identifizierungsverfahren per Post (Post-Ident) digitalisiert. Wer sich also beim Kauf eines solchen Produkts identifizieren muss, kann das inzwischen auch mit einer Web-Cam und seinem Personalausweis tun, ohne dafür das Haus verlassen zu müssen. Die ersten Anbieter von geschlossenen Sachwertinvestments haben sich bereits intensiv mit diesem Prozess auseinandergesetzt und werden diese Option künftig – neben anderen Vertriebswegen – ihren Anlegern anbieten.Erfolgreiche Digitalisierungsprozesse haben ein zentrales Geheimnis: Sie denken ihre Produkte konsequent vom Kunden her und bieten ihm jederzeit die Möglichkeit, jeweils den Weg – beziehungsweise den Kanal – zu wählen, der ihm für seine persönlichen Bedürfnisse passend erscheint. Anders als viele bislang glauben, sind die etablierten Wege über Banken und freie Berater damit keineswegs obsolet. Im Gegenteil: Um Kunden zu überzeugen, brauchen auch die Sachwerte das Nebeneinander verschiedener Wege zum Produkt.