Inflationsschutz

Sachwerte werden unverzichtbar

Während die USA die Inflation mit entschiedenen Zinserhöhungen bekämpfen können, sind die Staaten Europas auf billiges Geld angewiesen. Die Folge: Der Inflationsdruck steigt. Realwerte bleiben in dieser Lage unter Investoren weiterhin gefragt.

Sachwerte werden unverzichtbar

Viele reden noch darüber, ob sie kommt – dabei ist sie längst da: Die Zinswende hat Deutschland vor wenigen Tagen erreicht. Wobei das Wort Wende etwas größer klingt als das, was da tatsächlich geschah. Es handelt sich nämlich schlicht um einen Vorzeichenwechsel: Erstmals seit April 2019 notieren zehnjährige Bundesanleihen wieder nominal im Plus. Aufwärts geht es auch bei den Spreads in den Peripheriestaaten. Griechenland, Italien, Irland und Co. müssen inzwischen noch deutlich höhere Zinsen für neue Staatsschulden zahlen.

Ende des Immobilienbooms?

Der Grund für die Nervosität an den Zinsmärkten ist schnell gefunden: Die Inflation galoppiert diesseits wie jenseits des Atlantiks – und das inzwischen so schnell, dass die US-Notenbank Fed inzwischen deutlich die Zügel anzieht, vulgo angekündigt hat, die Zinsen kräftig zu erhöhen. Weshalb nun alle auf die Europäische Zentralbank (EZB) starren: Wird sie den USA folgen und damit die hiesige Wirtschaft ebenfalls mit höheren Kapitalkosten belasten? Und droht uns dann ein Ende unseres Aufschwungs und des langjährigen Immobilien- und Sachwertebooms?

Strukturell schwächer

Weder noch. Denn die Lage bei uns ist fundamental anders als in den USA. Erstens waren im Euroraum die Real- und teilweise auch die Nominalzinsen acht Jahre negativ, das hat es in den USA nie gegeben. Auch negative Leitzinsen, wie sie die EZB bei der Einlagefazilität verlangt, sind in USA unbekannt. Genau wie die hier von Geschäftsbanken inzwischen vielfach üblichen Strafzinsen für Sichteinlagen. Zweitens ist das Wachstum in Europa strukturell schwächer. So wuchs das Bruttoinlandsprodukt der USA im vergangenen Jahr um 5,7%, legte im vierten Quartal sogar um 6,9% zu. Das relativiert selbst den Preisanstieg, der zuletzt mit 7,5% den höchsten Wert seit 40 Jahren erreichte. Die Beschäftigung im Land ist zuletzt stark gestiegen, die Arbeitslosigkeit sinkt. Und zugleich sitzen die US-Bürger nach zwei Jahren Pandemie auf viel Geld. All das ermöglicht es der Fed, entschieden gegen die Inflation anzukämpfen.

 Die EZB dagegen steckt im Zinstief fest. Selbst wenn sie es wollte, um die Inflation auszubremsen, sie kann die Zinsen keinesfalls so schnell und entschieden anheben wie die Fed. Denn das viele billige Geld, das sie in den vergangenen zehn Jahren in den Markt gepumpt hat, hat nicht zuletzt die Schuldenlast der EU-Staaten so massiv erhöht, dass die Notenbank mit einem Zinsanstieg nicht nur den Aufschwung abwürgen, sondern auch den eigenen Mitgliedstaaten die Luft zum Atmen nehmen würde. Das gilt nicht nur für die üblichen Verdächtigen, siehe Spread-Ausweitung. Selbst die Triple-A-Nation Deutschland steckt inzwischen in der Zinsfalle. So planen Bund, Länder und Gemeinden laut Bund der Steuerzahler (BdS) allein für dieses Jahr jetzt schon eine Netto-Kreditaufnahme von insgesamt 115 Mrd. Euro. Bislang spielen Zinsen dafür keine Rolle. Aber wenn der Leitzins in Europa nur um einen Prozentpunkt steigen würde, dann kostete das den Bund nach BdS-Berechnungen schon 13 Mrd. Euro pro Jahr zusätzlich. Die schwarze Null wäre passé.

Wenden im Zeitlupentempo

Mit anderen Worten: Die geldpolitische Wende ist da. Aber in Europa absolvieren wir sie im Zeitlupentempo. Die EZB wird ihre Ankaufprogramme für Anleihen zurückfahren, den Spielraum für große Zinsschritte hat sie nicht. Umgekehrt bedeutet das: Die EZB muss und wird die Inflation ein Stück weit laufen lassen. In diesem Jahr wird sie ohnehin sehr deutlich über 2% liegen, das ist jetzt schon klar.

 In einem solchen Umfeld sind Investoren auf Realwerte angewiesen, die einzigen Assets, die ihnen Inflationsschutz und Renditeperspektiven bieten. Investments in Immobilien und andere Sachwerte werden also unverzichtbar, und weil der Anlagedruck steigt, geht auch der Preisauftrieb in dem Segment weiter. Was wir hier erleben, ist keine Blasenbildung. Hier wirken ganz normale Marktkräfte. Wer wiederum in den USA eine Blase fürchtet, kann sich ebenfalls entspannen: Dort sind die Renditeniveaus bei den meisten Assetklassen – gerade auch auf Immobilienmärkten – strukturell höher als im Euroraum. Das wiederum wirkt als Puffer gegen steigende Kapitalkosten. Wenn die Fed nun die Rückkehr zur Zinsnormalität plant, ist das also kein Grund zur Beunruhigung, sondern vielmehr der Beweis für wirtschaftliche Stärke.

 Davon sind wir in Europa weit entfernt. Stattdessen müssen wir uns auf eine Phase mit noch niedrigeren Realzinsen einstellen. Umso wichtiger werden für die hiesigen Investoren innovative Anlagestrategien. Denn die eigentliche Gefahr liegt bei uns gerade nicht in steigenden Kapitalkosten oder einem Preiseinbruch an den Märkten für Real Assets. Sondern in der drohenden Kreditklemme für den Transaktionsmarkt, aus dem sich die Banken als traditionelle Finanziers immer stärker zurückziehen. Das ist weniger einer Frage von Zins und Inflation als die Folge von Regulierung und struktureller Marktschwäche.

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