Safe-Forscher fordern Aufsichtsreform

Europäische Marktaufsicht als Lehre aus Wirecard

Safe-Forscher fordern Aufsichtsreform

fir Frankfurt – Das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung Safe hat nach den Erfahrungen aus dem Wirecard-Skandal eine Reform der Aufsichtsbehörden angemahnt und Vorschläge unterbreitet, wie sie sattelfest zu machen sind, um Vergleichbares künftig zu verhindern. Dazu zählen mehr Befugnisse für die Finanzaufsicht BaFin, die Schaffung einer europäischen Marktaufsichtsbehörde, mehr Rechte für Aufsichtsräte und eine stärkere Haftung externer Rechnungs- und Wirtschaftsprüfer.In einem Gutachten zu Wirecard im Auftrag des Europäischen Parlaments kommen die Forscher zu der Erkenntnis, dass “alle Verteidigungslinien” gegen Unternehmensbetrug reformbedürftig seien und entsprechende Defizite den Skandal mit ermöglicht hätten – einschließlich interner Kontrollsysteme, externer Audits, der Wirtschaftsprüfer- sowie der Marktaufsicht BaFin. Sie betrachten den Fall aber auch als Chance, Dinge zum Besseren zu wenden: “Tatsächlich verstehen wir den Wirecard-Skandal in Deutschland als ein Schlüsselereignis für den europäischen Kapitalmarkt, das eine regulatorische Reform der Finanzmarktaufsicht auslöst, die letztlich die Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Kapitalmärkten verbessert.”In dem am Freitag veröffentlichten Bericht namens “What are the wider supervisory implications of the Wirecard case?” sprechen sich die internationalen Finanz- und Rechtswissenschaftler, unter ihnen Safe-Direktor Jan Pieter Krahnen, dafür aus, die nationalen Aufsichtsbehörden in Europa einer übernationalen Institution zu unterstellen. Mehr Rechte für BaFinIm Bewusstsein, dass auch nationale Interessen bei der Marktaufsicht eine Rolle spielen können, sollten die einzelnen Aufsichtsbehörden der sogenannten Europäischen Aufsicht für den Kapitalmarktbinnenmarkt (European Single Capital Market Supervisor/ESCMS) verpflichtet werden. Aufgrund der detaillierten Kenntnisse der nationalen Behörden über die Situation im jeweiligen Land plädieren die Wissenschaftler für ein europäisches Aufsichtsnetzwerk mit klaren Berichtslinien der nationalen Aufseher zu einem zentralen Hub. Eine solche Konstruktion werde den nationalstaatlichen Aufsehern mehr institutionelle Unabhängigkeit verschaffen und ihre Vereinnahmung durch heimische Akteure erschweren, so die Einschätzung der Autoren. Darüber hinaus sprechen sie sich für weitreichende Aufsichts- und Eingriffsrechte inklusive forensischer und investigativer Instrumente für die BaFin aus, um ihrem Auftrag zum Schutz von Marktintegrität und Anlegerschutz gerecht zu werden.Auch das oft gescholtene zweistufige System der Bilanzkontrolle, die Arbeitsteilung zwischen BaFin und der privaten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), machen die Gutachter als eine “Ursache für die Kraftlosigkeit der Wertpapiermarktaufsicht in Deutschland” aus. Damit sollte nach ihrer Auffassung einzig die Aufsicht betraut werden.Um mögliche Missstände bei börsennotierten Unternehmen auszumachen, bringen sie finanzielle Anreize für Whistleblower ins Spiel und fordern, dass Aufseher Leerverkäufe nicht ohne Weiteres verbieten dürfen. Die BaFin hatte für Wirecard im Zeitraum Februar bis April 2019 ein Leerverkaufsverbot erlassen.Weitere Vorschläge der Safe-Forscher betreffen eine Stärkung von Aufsichtsräten. So solle die Leitung interner Kontrollabteilungen von Unternehmen direkt dem Aufsichtsrat Bericht erstatten. Außerdem sollten börsennotierte Gesellschaften verpflichtet werden, einen eigenen Prüfungsausschuss zu etablieren, dem mehrheitlich unabhängige Finanzexperten angehören sollten, so auch der Vorsitzende.”Der Wirecard-Skandal samt seiner enormen internationalen Resonanz begründet aus unserer Sicht die dringende Aufforderung für eine umfassende Neuaufstellung der Aufsichtsregeln für die Kapitalmärkte in Deutschland und darüber hinaus in Europa”, resümiert Krahnen. Er hatte in der Vergangenheit wiederholt eine europäische Marktaufsicht nach dem US-Vorbild Securities and Exchange Commission (SEC) gefordert (vgl. BZ vom 3. Juli).