Sanktionen verunsichern Investoren
bl/lee/wü Mailand/Paris
Die als Reaktion auf den Angriff auf die Ukraine verhängten Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor sorgen im übrigen europäischen Bankensektor für Verunsicherung. Die Börsenbewertungen der Banken mit Russland-Geschäft brachen zum Wochenstart zum Teil zweistellig ein, der Branchenindex Eurstoxx Banks rutschte um mehr als 5% ab, womit er die in den ersten Wochen des Jahres verbuchten Gewinne wieder vollständig abgegeben hat. Französische Banken sind im internationalen Vergleich am stärksten in Russland engagiert (siehe Grafik). So gehört Société Générale in Russland zu den wichtigsten ausländischen Finanzinstituten. Im vergangenen Jahr verbuchte ihre Tochtergesellschaft Rosbank Erträge von 643 Mill. Euro und einen Nettoertrag von 115 Mill. Euro. Laut Bank of Russia gehört das Institut damit zu den 13 systemrelevanten Banken des Landes.
Begrenztes Exposure
In der Bilanz macht Rosbank mit einem Exposure von 18 Mrd. Euro jedoch gerade mal 1,7% des Gesamtexposures von Société Générale aus. Vor diesem Hintergrund seien negative Effekte auf die Gewinn-und Verlust-Rechnung zwar wahrscheinlich, aber verkraftbar, heißt es in einem aktuellen Report von LBBW Research. Die Analysten sehen darin weder die Solvenz noch die geplanten Ausschüttungen in Gefahr.
Laut Informationen von „Les Echos“ soll der Anteil der Firmenkunden von Rosbank, die von Sanktionen wie dem Ausschluss von Swift betroffen sein könnten, zudem lediglich 15% betragen. Bezüglich der Finanzierung soll Rosbank autonom sein. Man beobachte die Situation auf allen Ebenen der Organisation sehr genau, erklärte Société Générale auf Anfrage. Man respektiere die gültigen Regeln und habe Maßnahmen im Zusammenhang mit neuen Sanktionen sowohl antizipiert als auch sehr schnell umgesetzt.
Société Générale hat für die russische Tochter jetzt wieder eine nach der Annexion der Krim eingerichtete Krisenzelle aktiviert. Société Générale-Chef Frédéric Oudéa habe Mitarbeitern aus der Asien-Pazifik-Region kürzlich erzählt, US-Banken hätten ihn angesprochen, ob Société Générale im Falle von Sanktionen über Rosbank als Bindeglied fungieren könnte, um Transaktionen, an denen Russland beteiligt ist, managen zu können, berichtet Bloomberg.
Von den italienischen Banken sind Unicredit und Intesa Sanpaolo am stärksten in Russland engagiert. Die HVB-Mutter Unicredit wollte kürzlich sogar eine staatliche russische Großbank übernehmen, verzichtete darauf aber wegen der geopolitischen Konstellation. Die LBBW-Analysten bezeichnen das Russland-Exposure von Unicredit als „substanziell, aber verkraftbar“. Zum Jahresende hätten die risikogewichteten Aktiva (RWA) des Russlandgeschäfts bei 9,4 Mrd. Euro gelegen, was 2,9% des Konzern entspreche. Auch bei der niederländischen ING bestehe kein Grund zur Besorgnis, da das Kreditengagement in Russland und der Ukraine mit 5,3 Mrd. Euro noch nicht einmal 1% des Konzernengagements ausmache.
Gravierender stellt sich die Situation für die Raiffeisen Bank International (RBI) aus Österreich dar, deren russische Tochter Aktiva im Wert von rund 17 Mrd. Euro ausweist. Der Chef des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo hatte am Montag mit einem Radiointerview für Aufsehen gesorgt. „Da haben wir echt ein Thema, da wird man jetzt einen Schutzschirm spannen müssen, damit das nicht zu echten Problemen bei der RBI führt“, sagte Gabriel Felbermayr dem ORF. Die Oesterreichische Nationalbank lehnte einen Kommentar ab.
Die RBI sei mit ihren Investments in Russland in Prozent der Bilanzsumme die wahrscheinlich am stärksten betroffene Bank überhaupt, ergänzte Felbermayr. Auch der LBBW-Report stellte die hohe Belastung durch die Eskalation der Ukraine-Krise heraus. Anders als der Wifo-Chef sehen die Analysten das Institut jedoch nicht existenziell bedroht, auch wenn die harten Sanktionen deutliche Auswirkungen auf Gewinne und Assets haben dürften. Eine weitreichende Eskalation könne jedoch die Dividende in Frage stellen.