SERIE GELDWÄSCHE (10): AUSLANDSPERSPEKTIVEN

Schärfere Standards für die Kunstindustrie

Kleine Firmen sind am stärksten von den neuen Regeln betroffen - Die Branche klagt über finanzielle und administrative Belastungen

Schärfere Standards für die Kunstindustrie

Bis vor kurzem haben Geldwäscher gerne auf den kaum regulierten Kunsthandel zurückgegriffen. Doch die Aufsichtsbehörden nehmen die Branche immer genauer unter die Lupe. In London müssen sich Marktteilnehmer bis Juni bei der Steuerbehörde registrieren.Von Andreas Hippin, LondonDer Kunsthandel hat zwielichtigen Personen und Organisationen lange die Möglichkeit geboten, auch größere Beträge zu waschen. In der Regel passierte das nicht wissentlich oder vorsätzlich, es ergab sich aus der Natur der Sache. Denn Kunstobjekte sind leicht zu transportieren, lassen sich vergleichsweise einfach zu Geld machen, Käufer wie Verkäufer sind oft auf Anonymität bedacht. Werke bekannter Künstler sind bemerkenswert liquide. Vermittler und Berater wollen nicht, dass Kunden erfahren, wie hoch ihre Kommission war. Makler wollen die Namen ihrer Klientel nicht offenlegen, um nicht von Konkurrenten ausgebremst oder vom Käufer bzw. Verkäufer einfach umgangen zu werden. Bis vor einigen Jahren war es nicht ungewöhnlich, dass jemand etwas ersteigerte und der Rechnungsbetrag dann von einem anderen Konto beglichen wurde. Auch durch überhöhte oder zu niedrige Verkaufspreise lassen sich Transfers arrangieren, ohne dass gleich die Staatsanwaltschaft Verdacht schöpft.Im vergangenen Jahr belief sich das Transaktionsvolumen an dem nach wie vor kaum regulierten Markt nach Schätzung von Art Basel und UBS weltweit auf 64,1 (i. V. 67,7) Mrd. Dollar. Bislang teuerstes Einzelgemälde, das je auf einer Auktion verkauft wurde, ist Leonardo da Vincis “Salvator Mundi”. Vor drei Jahren erhielt bei Christie’s in New York ein anonymer Käufer für 450 Mill. Dollar den Zuschlag. Medienberichten zufolge soll es sich dabei um den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman gehandelt haben. Als teuerstes Gemälde eines noch lebenden Künstlers ging 2018 David Hockneys “Portrait of an Artist” für 90 Mill. Dollar an einen nicht genannten Käufer. Für viele ist Kunst lediglich eine Anlageform. Binnen drei Jahren veräußert in Großbritannien mehr als die Hälfte der Käufer ihr Kunstwerk wieder (siehe Grafik). Identität wird kontrolliertLondon ist nicht nur für den weltweiten Kunsthandel ein wichtiger Standort, sondern auch für Finanzkriminalität aller Art. Große Auktionshäuser wie Christie’s und Sotheby’s, denen hier kein Fehlverhalten unterstellt werden soll, verfügen allerdings über umfassende Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche. Die Finanzaufsichtsbehörden schicken sich nun an, die Kontrolle zu übernehmen. Schon in der vierten EU-Geldwäschedirektive, die vor drei Jahren in britisches Recht übertragen wurde, nahmen sie Händler “hochwertiger” Güter ins Visier. Bislang ist aber nicht nur in Großbritannien wenig passiert. “Von den rund 115 000 Meldungen geldwäscheverdächtiger Aktivitäten im Jahr 2019 in Deutschland kamen nur 40 aus dem Kunstsektor”, sagt Kerstin Wilhelm, Partner bei der Kanzlei Linklaters in München. “Lediglich zwei wurden von Güterhändlern abgegeben.” Nun müssen Händler und Auktionshäuser die wahren Identitäten ihrer Kunden verifizieren und eine Reihe anderer Maßnahmen ergreifen, um die Nutzung von Kunst für kriminelle Zwecke zu verhindern. Ein Geldwäschebeauftragter muss ernannt werden, umfassende Fortbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter sind durchzuführen. Verdachtsfälle müssen der National Crime Agency gemeldet werden. Zuständig ist die Steuerbehörde HMRC (Her Majesty’s Revenue & Customs), zu deren Aufgaben aber auch die Ermittlungen in den zahllosen Fällen gehören, in denen sich Betrüger Covid-Hilfskredite erschlichen haben. Bis zum 10. Juni haben Kunstmarktteilnehmer noch Zeit, ihr Geschäft bei der HMRC zu registrieren.”Die neuen Regeln gelten auf viel breiterer Grundlage”, sagt Robert Payne, Senior Associate im Privatkundenteam der Kanzlei Forsters, die ihren Sitz im noblen Londoner Stadtteil Mayfair hat, der neben dem Auktionshaus Christie’s auch zahllose Kunstgalerien beherbergt. “Sie sollen viel mehr Transaktionen und eine größere Bandbreite von Kunsthändlern abdecken. Das ähnelt der zunehmenden Regulierung, die wir in den vergangenen Jahren in vielen anderen Branchen gesehen haben, in denen das Risiko der Geldwäsche besteht.” Compliance sei unter den neuen Regeln mehr als nur eine Pflichtübung. Die Beteiligten müssten das einer Transaktion zugrunde liegende Prinzip verstehen und die Identitäten der wirtschaftlich Berechtigten kennen. Für viele der großen Klienten von Forsters seien die neuen Regeln lediglich die Formalisierung bereits bestehender Praktiken, sagt Rebecca Welman, Associate bei Forsters. “Wahrscheinlich werden es die kleineren Firmen sein, die am stärksten von den neuen Regeln betroffen sind.” Die meisten seien sich zwar der Bedeutung der Bekämpfung von Geldwäsche am Kunstmarkt bewusst, doch gebe es Kritik an der von der Aufsicht verfolgten Einheitslösung. Bemängelt werde, dass der Gesetzgeber die den kleineren Firmen auferlegten finanziellen und administrativen Lasten nicht in Betracht gezogen habe. “Für Einmannbetriebe, die mit großen Volumina von nicht so hochpreisigen Objekten umgehen, sind die neuen Regeln viel beschwerlicher”, sagt Welman. “Nach dem zweiten Lockdown kämpfen viele dieser Firmen ohnehin ums Überleben.” Es sei fraglich, ob die kleineren Händler ihre gestiegenen Kosten an die Kunden weiterreichen könnten, sagt Payne. Sie hätten auch nicht viel Zeit bekommen, um die nötigen Systeme aufzubauen. Branchenkenner fürchten, dass es zu einer Marktbereinigung kommen wird.”Eine unwillkommene Folge der neuen Regeln könnte sein, dass mehr Transaktionen in weniger regulierten Jurisdiktionen jenseits der EU stattfinden”, sagt Ben Packer, Partner bei der Kanzlei Linklaters in London. Zur Verbesserung der Anti-Geldwäsche-Maßnahmen der Banken hätten branchenübergreifende Gremien stark beigetragen, weil sie Teilnehmer zusammengebracht hätten, um sich über Best Practices auszutauschen. “Die Financial Conduct Authority (FCA) hat echte Fortschritte dabei gemacht, den Standard der Compliance bei den Anti-Geldwäsche-Maßnahmen in der Finanzdienstleistungsbranche zu heben”, sagt Packer. “Ob die Steuerbehörde HMRC mit ihrem breiten Aufgabenbereich und ihren begrenzten Ressourcen am Kunstmarkt dasselbe tun kann, wird sich zeigen.” Immerhin, die Entwicklung scheint vielerorts in die gleiche Richtung zu gehen. Zuletzt strich das US Treasury Office in einem Bericht die Defizite bei der Geldwäschebekämpfung am Kunstmarkt heraus. “Mein Eindruck ist, dass es auf internationaler Ebene eine Bewegung in Richtung schärferer regulatorischer Standards für die Kunstbranche gibt”, sagt Welman. Deshalb bestehe vermutlich nicht die Gefahr, dass London seine Position als eines der wichtigsten Zentren des internationalen Kunsthandels verlieren könnte. Ob Großbritannien die Bekämpfung der Geldwäsche nach dem EU-Austritt noch ebenso vehement verfolgen wird? “Die Regierung hat zu erkennen gegeben, dass diese Regeln, die als Teil von EU-Initiativen eingeführt wurden, vom Brexit nicht beeinflusst werden und dass sie weiter gelten sollen”, sagt Payne. Zuletzt erschienen: Wenn die Vorgaben kollidieren (13. Januar) “Man erwischt halt nicht das Dunkelfeld” (12. Januar) Geldwäsche schreckt Europa auf (9. Januar)