LEITARTIKEL

Scheinriese Banken-Bail-in

Nein, das Bail-in-Regime für Banken ist nicht tot. Wer aber noch hinschauen möchte beim Gezerre um staatliche Hilfen für Italiens Banken, kann gerade live verfolgen, wie dem Prinzip der Gläubigerbeteiligung der Garaus gemacht wird. Die Front der...

Scheinriese Banken-Bail-in

Nein, das Bail-in-Regime für Banken ist nicht tot. Wer aber noch hinschauen möchte beim Gezerre um staatliche Hilfen für Italiens Banken, kann gerade live verfolgen, wie dem Prinzip der Gläubigerbeteiligung der Garaus gemacht wird. Die Front der Verfechter des Verantwortungsprinzips für Banken bröckelt rasch: Nach Politikern um Matteo Renzi und Italiens Notenbankgouverneur Ignazio Visco, nach BlackRock-Vice-Chairman Philipp Hildebrand und EZB-Vize Vítor Constâncio macht sich für Staatshilfen auch David Folkerts-Landau stark, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Unter 150 Mrd. Euro für Europas Banken will er es nicht machen.2008, als die Finanzkrise eskalierte, war klar, dass nie wieder der Steuerzahler für die Pleite einer Bank zahlen müssen dürfe. In den acht Jahren seither haben Politiker, Aufseher und Regulierer rund um den Globus nicht nur systemrelevante Banken definiert, die Eigenkapitalanforderungen erhöht und Liquiditätsvorschriften sowie Vorgaben zum Verlustpuffer beschlossen, sondern auch Regeln zur Abwicklung maroder Banken eingeführt. Jetzt, da es zur ersten Nagelprobe zu kommen droht, soll das Bail-in-Prinzip nicht mehr gelten. Offenbar ist man keinen Schritt weiter als zu Zeiten der billionenschweren impliziten und expliziten Staatshilfen, und alle Schritte zur Lösung des Too-big-to-fail-Problems wirken plötzlich wie der Scheinriese Herr Turtur aus “Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer”: aus der Ferne bedrohlich, aus der Nähe eher lächerlich. Muss man sich da wundern, dass sich Menschen verschaukelt fühlen und gegen Europa opponieren?Wieder einmal stehen wert- hinter zweckrationalen Erwägungen hintan. Dies ist ein Spiegelbild der Geldpolitik, welche die Schuldenkrise mit noch mehr Schulden bekämpft. Mit ebendiesem Prinzip aber hat man sich ins momentane Dilemma manövriert – mit einer Notenbank, deren Nullzins inzwischen die Ertragskraft auch gesunder Banken untergräbt, einer Politik, die regelmäßig fünf gerade sein lässt, wenn es etwa um den Stabilitätspakt geht, bis hin zur Aufsicht, der nun offenbar der Mut fehlt, Banken den Stecker zu ziehen. Sind diese überhaupt einer Rettung wert? Monte dei Paschi di Siena (MPS) zum Beispiel ist vielleicht nur deshalb die älteste Bank der Welt, weil man versäumte, sie schon viel früher sterben zu lassen. Das Institut, dessen Kredite zu 40 % faul sind, brachte zuletzt infolge dubioser Geschäfte und Missmanagement mehrere Kapitalerhöhungen durch und genoss bereits zwei Mal Staatshilfe. Kunden, Aktionären und Gläubigern blieb genug Zeit, sich zurückzuziehen.Pragmatiker verweisen auf die Vernetzung italienischer Banken untereinander sowie mit dem Staat und auf zahlreiche Kleinanleger, denen die Banken ihre Schuldverschreibungen unterjubelten. Besser aber, es zahlen erst einmal diejenigen, die etwa für ihre Wertpapiere auch gerne hohe Zinsen kassiert haben, als Steuerzahler, die dieses Risiko nicht eingingen. Andere Institute in Italiens überbesetztem Bankensektor müssen rekapitalisiert werden, aber nicht mit Steuergeld, sondern mit dem Kapital der Aktionäre, der Gläubiger und Großeinleger. Dass Hildebrand und Folkerts-Landau nach dem Staat rufen, leuchtet ein: Besser, der Steuerzahler springt ein, als dass Institutionelle, deren größten Hildebrand repräsentiert, Verluste erleiden oder deutsche Häuser, die gegenüber italienischen Banken Forderungen über 90 Mrd. Dollar halten. Verständlicherweise geht die Angst um, die Krise der Banken könnte auf den Staat und letztlich die gesamte Eurozonen-Peripherie übergreifen, da Italiens Banken kräftig in Anleihen ihres Staates investiert sind und ihr Ausfall die Risikoprämien des Staates treiben dürfte. Solche Effekte sollte eigentlich der wie so vieles bei der EZB angesiedelte Europäische Ausschuss für Systemrisiken beurteilen können, der seit 2011 für die Früherkennung, Prävention und Bekämpfung systemischer Risiken zuständig ist. Dass eine Bereinigung in einem maroden Bankensektor ungeachtet leerer Kassen durchaus möglich ist, war in Griechenland zu sehen, wo mehrere Dutzend kleinerer Banken von der Bildfläche verschwanden.Die Losung kann nicht lauten, schlechtem Geld gutes hinterherzuwerfen. In diesem Fall würde das Bail-in-Regime zum Pappkameraden degenerieren. Um die Risiken systemrelevanter Banken beherrschbar zu machen, bliebe dann nur mehr der Weg über harte Trennbankenregeln, die sich schon bisher als schwer realisierbar erwiesen, und über spürbar striktere Verschuldungsgrenzen, gegen welche sich die Branche bereits in moderater Form wendet. Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg. In diesen Wochen zeigt sich, was die Krise gelehrt hat.——–Von Bernd NeubacherFließen in Italien staatliche Bankenhilfen, sind Politik, Aufsicht und Regulierung wieder dort, wo sie schon vor acht Jahren standen.——-