Steuerskandal

Schneise ins Cum-ex-Dickicht

Die Cum-ex-Aufarbeitung kommt voran, viele Wegmarken sind geschafft. Doch die Lehren, die politisch daraus gezogen wurden, reichen nicht aus.

Schneise ins Cum-ex-Dickicht

Es ist viel passiert. Die Aufklärung des größten Steuerskandals in der Geschichte der Bundesrepublik kommt voran. Die Aufarbeitung der Causa Cum-ex hat noch einmal an Fahrt gewonnen. Das ist auch dringend nötig. Denn es ist ein eigentlich unerträglicher Zustand, dass der monströse Griff in die Staatskasse viele Jahre so zögerlich angegangen wurde – auch, weil die Ermittler lange mit viel zu geringen personellen Kapazitäten ausgestattet waren.

Der Umfang des Schadens ist bis heute nicht klar, die geschätzte Untergrenze liegt bei 12 Mrd. Euro allein für den deutschen Fiskus. Der Mannheimer Steuerrechtler Prof. Christoph Spengel hatte jedoch im Herbst vergangenen Jahres eine Forschungsarbeit veröffentlicht, die auf einen Steuerschaden durch Cum-ex, Cum-cum und ähnliche Geschäfte von fast 36 Mrd. Euro kommt.

Die mühsame Aufklärungsarbeit ist weit fortgeschritten, doch noch immer wird der bekannte Kreis der beteiligten Banken und Banker größer. Die Liste der mutmaßlich involvierten Finanzhäuser liest sich wie ein Who is who der deutschen Geldbranche, und sie wird immer länger.

Die Justiz arbeitet sich Schritt für Schritt voran. Sie hat im vergangenen Jahr bedeutende Wegmarken erreicht. Der wichtigste Meilenstein war wohl das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), der das Urteil des ersten Cum-ex-Strafprozesses überhaupt vor dem Bonner Landgericht bestätigte. Der BGH hatte dabei deutlich gemacht, dass es bei den Geschäften weder um legale Gestaltungsmodelle noch um das bloße Ausnutzen einer Gesetzeslücke gegangen sei, sondern „um den blanken Griff in die Kasse, in die alle Steuerzahler einzahlen“.

Weitere wichtige Ereignisse waren ein zweites Urteil des Landgerichts Bonn sowie der Beginn von Cum-ex-Hauptverhandlungen in Wiesbaden und Frankfurt. Eine weitere Wegmarke kam in der vergangenen Woche hinzu. Erstmals hat ein Ex-Banker aus der Warburg-Gruppe seine Schuld und die wissentliche Beteiligung an Cum-ex-Geschäften eingeräumt. Für die Bank selbst dürfte das Geständnis kaum Auswirkungen haben. Denn die Steuerschuld hat das Haus zähneknirschend beglichen. Die Eigentümerfamilien Olearius und Warburg spielen in der Führung der Bank keine Rolle mehr. Doch für die Ex-Partner Christian Olearius, einst Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter, und Max Warburg, gegen die die Staatsanwaltschaft schon länger ermittelt, wird es immer enger.

Welche neue Dynamik der Fall durch das Geständnis des ehemaligen Warburg-Invest-Managers bekommen hat, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen. Brechen jetzt die Dämme des Schweigens auch bei anderen Angeklagten oder Beschuldigten? Außerdem haben die Cum-ex-Geschäfte der alteingesessenen Hamburger Privatbank ja auch eine ganz gewichtige politische Dimension. Ob sich die jüngste Entwicklung auch auf den Untersuchungsausschuss in Hamburg auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Die Federführung bei der Ermittlungsarbeit hat die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, die inzwischen zur Hauptabteilungsleiterin aufgestiegen ist. Das deutlich aufgestockte Team umfasst mittlerweile gut 20 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, sechs weitere sollen im Laufe dieses Jahres hinzukommen. Ihr arbeiten bei Finanzverwaltung und Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen noch einmal rund 80 Leute zu. Doch betrachtet man den Umfang der Ermittlungen zusammen mit der Komplexität der Materie, relativiert sich diese vermeintlich große Zahl schon wieder: In Köln sind mittlerweile gut 100 Verfahren anhängig, die Zahl der Beschuldigten liegt nach neuesten Zahlen bei mehr als 1300.

Die Arbeit der Ermittler hat auch gezeigt, dass es mit der Aufarbeitung der Cum-ex-Geschäfte, denen 2012 endlich ein Riegel vorgeschoben werden konnte, nicht getan ist. Cum-cum-Gestaltungen und ähnliche Transaktionen liefen danach munter weiter. Die Lehren, die politisch aus dem Cum-ex-Steuerskandal gezogen wurden, reichen nicht aus. Es bleibt der Eindruck, dass die Strafverfolgungsbehörden den Entwicklungen weiterhin nur hinterherhecheln können – und das mit immer noch knappen Ressourcen. Dabei wäre eine ordentliche Prävention viel wünschenswerter. Eine effektiv gestaltete, durchschlagende Bekämpfung von Geschäften in der Finanzbranche, deren Kern Steuerhinterziehung ist, ist dringend geboten. Der politische Wille dazu ist noch nicht groß genug.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.