Schwellenländer rücken in den Fokus

Wenig liquide Währungen erleichtern Manipulation - Schweizerische Aufsicht prüft Banken - London wichtigster Markt

Schwellenländer rücken in den Fokus

Vieles deutet darauf hin, dass die mutmaßlichen Kursmanipulationen im Devisenhandel vor allem Währungen von Schwellenländern betreffen. Die Liquidität dieser geteilten Märkte ist so gering, dass Insidergeschäfte sehr leicht möglich sind.Von Daniel Zulauf, ZürichNach den vor dem Wochenende publik gewordenen Untersuchungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) und der schweizerischen Wettbewerbskommission (Weko) über mögliche Wechselkursmanipulationen von Banken hat am Montag auch EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia die Einleitung einer Vorprüfung angekündigt. Und im Juni hatte bereits die britische Financial Conduct Authority bestätigt, dass sie mit “relevanten Parteien” über Manipulationsvorwürfe spreche.Die Behörden geben sich aber äußerst schmallippig und verweigern sowohl Angaben zu den von den Untersuchungen betroffenen Banken als auch zu den mutmaßlich manipulierten Währungen. Manche Informationen sickern aber dennoch tröpfchenweise durch. So könnte wieder einmal die UBS, das weltweit viertgrößte Institut im Devisenhandel, im Fokus der Bankaufseher stehen. Der Konzern hat in den vergangen Tagen nach unbestätigten Informationen des Zürcher Internetbloggers und Finanzjournalisten Lukas Hässig zwei Spitzentrader aus dem Devisenhandel entlassen. Auch bei J.P. Morgan in London soll es unlängst einer Entlassung gekommen sein.Bei den deutschen Kreditinstituten sieht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aber derzeit “keinen Anlass für eine Sonderprüfung”, wie die Behörde am Dienstag mitteilte. Im internationalen Geschäft mit Devisen zählt die Deutsche Bank zu den führenden Instituten, neben Citigroup, Barclays und der UBS. Allein schon die hohe Konzentration dieser Marktteilnehmer, die in dem rund 5,3 Bill. Dollar schweren Markt für rund 40 % des Geschäftes verantwortlich sind, steht im Widerspruch zu der immer noch weit verbreiteten Meinung, dass sich die Devisenmärkte aufgrund ihrer schieren Größe für Preismanipulationen gar nicht eignen. Indien war anfälligTatsächlich aber gibt es im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Kursmanipulationen nun Hinweise, dass sich Unregelmäßigkeiten vor allem in den wenig liquiden Teilmärkten von Währungen von Schwellenländern abgespielt haben könnten. Infolge regulatorischer Faktoren wie Kapitalverkehrskontrollen ist der Handel in diesen ohnehin nicht sehr volumenstarken Währungen zusätzlich fragmentiert, was die Ausführung von Insidergeschäften durch Banken erleichtert.Hinweise, dass sich bei Währungen von Schwellenländern womöglich Devisenmanipulationen abgespielt haben, kamen zuletzt vor allem aus Indien. Nach unbestätigten Informationen indischer Medien soll sich die Finma in ihren Untersuchungen bereits mit den zuständigen Behörden des Subkontinentes abgestimmt haben.Wie viele andere Währungen aus Schwellenländern auch legte die Rupie in den vergangenen Monaten eine atemberaubende Berg-und-Tal-Fahrt hin. Im April mussten die Inder für einen Franken noch rund 55 Rupien bezahlen, vier Monate später waren es bereits 75 Rupien oder 36 % mehr, mittlerweile liegt der Kurs bei rund 68 Rupien. In den Sommermonaten hatten viele ausländische Investoren in Erwartung eines geldpolitischen Kurswechsels in Amerika Kapital aus den Schwellenländern abgezogen und damit die dortigen Währungen unter Druck gebracht. Indien und andere Länder gehen inzwischen der Frage nach, ob die Kursbewegungen durch Spekulationsgeschäfte mit Finanzderivaten verstärkt worden sind. Ähnlich wie LiborIm Zentrum des Interesses stehen die sogenannten Non-Deliverable Foreign Exchange Forwards (NDFs). Die nicht börsengehandelten Kontrakte eignen sich womöglich für Manipulationen, den ihre Preise werden – ähnlich wie beim Libor – zu einem bestimmten Zeitpunkt von den Banken bestimmt. Das tägliche Fixing dient der Festlegung von Nachschusszahlungen, den Margin Calls.Bei den Papieren handelt es sich um Terminkontrakte, bei denen sich die Parteien darauf einigen, am Verfalltag nur die Differenz zwischen dem Terminkurs und dem aktuellen Wechselkurs zu begleichen. Die Instrumente können zur Absicherung von Wechselkursrisiken eingesetzt werden, ohne dass große Beträge verschoben werden müssen. NDFs werden üblicherweise für Währungen von Ländern mit Kapitalverkehrskontrollen eingesetzt. Dazu gehören neben Indien auch andere aufstrebende Nationen wie Brasilien, Russland und Indonesien. NDF-Kontrakte werden typischerweise an internationalen Plätzen wie Zürich, London und Singapur gehandelt.Anzeichen von Manipulation gab es offenbar schon zuvor. Bereits im Januar hatte Reuters berichtet, dass in Singapur zahlreiche Banken angewiesen wurden, ihre NDF-Fixing-Praktiken auf Missbräuche zu untersuchen. Ende Januar berichtete das Wall Street Journal aus Singapur, zahlreiche Banken hätten aufgrund von internen Untersuchungen über Devisenmanipulationen insgesamt bis zu 30 Händler auf die Straße gesetzt. Genannt wurden auch die Deutsche Bank, Royal Bank of Scotland, Standard Chartered und die UBS. Die in Singapur vermuteten Manipulationen sollen sich bei der indonesischen Rupie, dem thailändischen Baht oder dem malaysischen Ringgit abgespielt haben.Der mit Abstand größte Offshore-Markt für die NDF-Kontrakte in Währungen aus Schwellenländern ist London mit einem Marktanteil von rund 40 %. Der NDF-Umsatz hat nach einer Studie, welche die City of London bei der London School of Economics in Auftrag gegeben hatte, seit 2008 um 70 % auf fast 20 Mrd. Dollar pro Tag zugenommen. In London werden vor allem brasilianische Real, russische Rubel, indische Rupien und chinesische Renminbi gehandelt.