LEITARTIKEL

Sicherheitsrisiko Geldwäsche

Der Geldwäsche-Skandal um die Danske Bank nimmt nicht nur nahezu im Wochenrhythmus größere Ausmaße, sondern mittlerweile Züge eines Thrillers an. EU-Justizkommissarin Vera Jourova spricht vom größten Skandal Europas. Zumindest bis der nächste...

Sicherheitsrisiko Geldwäsche

Der Geldwäsche-Skandal um die Danske Bank nimmt nicht nur nahezu im Wochenrhythmus größere Ausmaße, sondern mittlerweile Züge eines Thrillers an. EU-Justizkommissarin Vera Jourova spricht vom größten Skandal Europas. Zumindest bis der nächste ruchbar wird. Hieß es im Frühjahr noch, dass über die estnische Filiale rund 4 Mrd. Dollar gewaschen wurden, so waren es im Juli 8 Mrd. Dollar. Bei der Veröffentlichung der Ergebnisse einer internen Untersuchung am 19. September sprach Danske von “verdächtigen Zahlungen” über bis zu 235 Mrd. Dollar, die Tausende fragwürdiger Kunden von 2007 bis 2015 in Tallinn abgewickelt hatten. Zwei Wochen später war die Rede von grenzüberschreitenden Überweisungen in Estland über 1 Bill. Dollar von 2008 bis 2017, was auf die Beteiligung weiterer Banken hindeute.Die USA sind in diesem Thriller in die Rolle des Anklägers geschlüpft, und sie gehen dabei alles andere als zimperlich vor. Man mag mit dem rabiaten, unilateralen Vorgehen der US-Behörden nicht einverstanden sein, zumal Strafen oder auch nur deren Androhung als Mittel dienen können, die europäische Konkurrenz weiter auf Distanz und so schön klein zu halten. Man kann angesichts der bisherigen Bilanz der Geldwäschebekämpfung in Europa aber auch fast schon erleichtert sein, dass überhaupt einer durchgreift.In der zersplitterten Aufsichtslandschaft fehlt die ordnende Instanz, die fähig und willens ist, Geldwäsche bzw. Fehlverhalten und Mängel in ihrer Bekämpfung zu erkennen und zu ahnden. Die Probleme sind meist hausgemacht: teils unklare Zuständigkeiten, zu wenig Personal, einzelstaatliche Eitelkeiten, mangelnde Kommunikation, das Festhalten an nationaler Kompetenz, die Inkompetenz des großen Ganzen zur Folge hat. EZB und EBA sehen sich eher zum Zuschauen verdammt bzw. haben weder gesteigertes Interesse noch die Ressourcen, sich mit den Defiziten von Danske, ING, Deutscher Bank & Co tiefergehend auseinanderzusetzen. Den nationalen Finanzkontrolleuren verbleibt häufig nur noch eines: sich als Tatortreiniger zu betätigen, sprich, nach den Waschgängen die Fusseln aufzulesen. Hierzulande sei die Geldwäschebekämpfung schlicht “zusammengebrochen”, urteilt der Bund Deutscher Kriminalbeamter.Dabei ist eine funktionierende Geldwäschebekämpfung nötiger denn je. Nicht nur einzelne Finanzinstitute drohen angesichts von Reputationsschäden, Strafzahlungen, Kapitalnachforderungen oder gekappten Verbindungen zum US-Finanzsystem zu kippen. Verwicklungen von Banken in Geldwäsche können auch erhebliche Risiken für das Finanzsystem zeitigen, sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos dieser Tage. Wegen der Verfehlungen von Großbanken drohen wiederum ihren Heimatstaaten Ansehensverlust und Rating-Herabstufungen. Die erstklassige Bonität Dänemarks, verlautbarte S & P jüngst, könne angesichts des Danske-Falls Schaden nehmen, somit die günstige Refinanzierung verlustig gehen.Den Bürgern damit die Rechnung für Versäumnisse bzw. fahrlässiges Handeln der Banken aufzutischen, dürfte nach der Finanzkrise nicht mehr vermittelbar sein. Die direkten und Kollateralschäden aus Verfehlungen in der Geldwäschebekämpfung haben das Zeug, Populisten neue Stimmen zuzutreiben, das zeigen die jüngsten Reaktionen in Dänemark. Dort haben die Erkenntnisse über Danske zu einem öffentlichen Aufschrei geführt.Unter Druck gerät das Vertrauen in den Staat und seine Regelungsfähigkeit, mithin auch in das freiheitlich-demokratische Gesellschaftsmodell, aber nicht nur von innen, sondern auch von außen. Der Kreml nutze gewaschene Gelder als Schmiermittel, um Entscheidungsträger im Ausland in seinem Sinne zu beeinflussen, hat das internationale Recherchenetzwerk OCCRP aufgedeckt. Auch Lettlands Führung wirft dem Nachbarn vor, über lettische Banken geschleustes Geld zur Manipulation zu nutzen: Geldwäsche dient demnach als Mittel in einem gegen den Westen gerichteten hybriden Krieg, in dem Mittel wie Cyberattacken, Fake News und Bestechung eingesetzt und die Taten verschleiert oder geleugnet werden. Das Ziel: Missliebige Staaten und ihre Vertreter zu diskreditieren, Vertrauen zu zerstören und Friktionen auszunutzen, um letztlich die Gesellschaften, deren Bestandteile ohnehin immer weiter auseinanderdriften, zu destabilisieren.Geldwäsche ist längst mehr als ein Problem der Finanzbranche. Die Sprengkraft, die der Thematik innewohnt, wächst sich zum veritablen Sicherheitsrisiko aus.—–Von Tobias FischerDie direkten und Kollateralschäden aus Verfehlungen in der Geldwäschebekämpfung haben das Zeug, Populisten neue Stimmen zuzutreiben.—–