Urteil

„Sie sind der Erfinder von Cum-ex 2.0“

Mit Hanno Berger hat das Landgericht Bonn einen der zentralen Akteure in der Cum-ex-Welt verurteilt. Für Geschäfte der Warburg Bank, die auf seine Initiative zustande kamen und mehr als 270 Mill. Euro Steuerschaden verursachten, muss er acht Jahre in Haft.

„Sie sind der Erfinder von Cum-ex 2.0“

ak Bonn

 Das mediale Interesse ist groß. Fünf Fernsehkameras sind auf Hanno Berger gerichtet, als der 72-jährige frühere Steueranwalt den Saal im Bonner Landgericht durch eine Seitentür betritt. Um kurz nach 14 Uhr am Dienstag spricht der Vorsitzende Richter Roland Zickler, der schon den allerersten Cum-ex-Strafprozess in Deutschland geführt hatte, das Urteil: Der ehemalige Starjurist Berger, zuvor auch hoher Beamter in der hessischen Finanzverwaltung, muss für acht Jahre ins Gefängnis. „Es handelt sich um eine besonders schwere Form von Wirtschaftskriminalität“, bescheinigt Zickler dem 72-jährigen Angeklagten, den er wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung in drei Fällen von Cum-ex-Geschäften mit der Warburg Bank schuldig spricht.

Berger habe zwar die entsprechenden Erklärungen an die Finanzbehörden nicht selbst unterschrieben, sei aber an entscheidender Stelle eingebunden gewesen. In der internen Warburg-Kommunikation sei vom „Berger-Modell“ die Rede gewesen. Zu Bergers Rolle in der Cum-ex-Szene sagt Zickler: „Sie haben es nicht erfunden, aber Sie haben es in die Breite getragen.“ Ohne Berger wäre ein Schaden in diesem Ausmaß nicht möglich gewesen. Denn der Steuerjurist hatte die Cum-ex-Modelle mit Hilfe von Fonds weiterentwickelt, als der Gesetzgeber von 2007 an versucht hatte, den Aktienkreisgeschäften einen Riegel vorzuschieben. „Sie sind der Erfinder von Cum-ex 2.0“, sagt Zickler.

Kopfschütteln bei Berger

Die gut einstündige Urteilsbegründung verfolgt Berger mit häufigem Kopfschütteln. Zickler greift das mehrfach auf, auch bei der Bewertung von Bergers Teilgeständnis vom August, als er einen Vorsatz vom Jahr 2009 an eingeräumt hatte. „Wir haben große Zweifel, dass das Geständnis von Unrechtseinsicht und Reue getragen ist“, sagte Zickler. Das hätte sich noch strafmildernder ausgewirkt. Berger habe nach seinem Teilgeständnis immer wieder versucht, dem Gericht klarzumachen, wie falsch es denn liege. Der Prozessverlauf sei so manchmal quälend gewesen, und zu einer nennenswerten Verfahrensabkürzung habe Bergers Einlassung auch nicht geführt. 34 Verhandlungstage hat die Kammer bis zum Urteil gebraucht.

Bis zum letzten Prozesstag dauerte noch das Tauziehen um die Rückzahlung der Profite aus den Cum-ex-Geschäften. Bergers Ex-Kanzleipartner S. wollte unbedingt vermeiden, in die Einziehung der gesamten Taterträge von gut 27,3 Mill. Euro gesamtschuldnerisch einbezogen zu werden. Er hatte kurz vor dem Urteil seinen Treuhänder in der Schweiz angewiesen, seinen Anteil an das Bundeszentralamt für Steuern zurückzuzahlen. 5 Mill. Euro davon sind am Montag auch bei der Behörde angekommen. Die Überweisung des Restes steht noch aus – kurioserweise wegen Compliance-Fragen der ausführenden Bank. Doch am Ende hatte S. Erfolg: Er entging der Einziehungsanordnung durch das Gericht, das sich mit seinem Beschluss jetzt auf Berger konzentrierte. Der soll jetzt seinen Gewinn von fast 13,7 Mill. Euro zurückzahlen.

Berger hat sich in Bonn vor Gericht als mittellos dargestellt. Zickler macht deutlich, dass die Kammer ihm diese Darstellung nicht glaubt. Die Profite aus den Cum-ex-Geschäften seien in ein komplexes System von Offshore-Gesellschaften ge­schleust worden. Das habe bis heute funktioniert. Es sei noch kein Cent von Berger zurückgeflossen. Als strafverschärfend wertet das Gericht auch das Verhalten Bergers gegen eine Sachbearbeiterin des Bundeszentralamts für Steuern. Die hatte in der Spätphase der Cum-ex-Geschäfte die elektronischen Steuerrückerstattungen gestoppt und eine genauere Prüfung veranlasst. Berger hatte der Frau Schadenersatzklagen gegen sie persönlich in Millionenhöhe angekündigt. Zickler warf Berger vor, die Beamtin „in unsagbarer Art und Weise bedroht“ zu haben.

Wiesbadener Urteil steht aus

Am Ende spricht Zickler auch Bergers Persönlichkeitsstruktur an: Der habe einen Habitus eingenommen, in dem es ihm schwerfalle, Sichtweisen zuzuhören und sie anzunehmen, wenn sie seinen Standpunkten widersprächen. Berger sei „zugrunde gegangen an der fehlenden Möglichkeit der rechtzeitigen Umkehr“.

Die Freiheitsstrafe für Berger könnte noch näher an das Höchstmaß von 15 Jahren rücken, sollte das Landgericht Wiesbaden den Steueranwalt in dem parallel laufenden Cum-ex-Verfahren schuldig sprechen. Die Strafen werden jedoch nicht addiert, sondern könnten zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst werden. Die mehrmonatige Auslieferungshaft von Berger in der Schweiz wird voll angerechnet.