DVFA

Sieben Vorschläge für eine Kapitalmarktunion

Der deutsche Investorenverband DVFA sieht die Zeit reif, noch einmal in Brüssel und Berlin stärker für eine Kapitalmarktunion zu werben. Im Fokus steht dabei vor allem die Finanzierung von KMU, wie die beiden Vorstandsmitglieder Ingo Mainert und Thorsten Müller im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutern.

Sieben Vorschläge für eine Kapitalmarktunion

Von Andreas Heitker, Brüssel

Der Investorenverband DVFA (Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management) wirbt mit einer neuen Initiative für eine nachhaltige Stärkung der europäischen Kapitalmarktunion. Der Verband hat dabei sieben konkrete Forderungen entwickelt, die sich an die Politik sowohl in Brüssel als auch in Berlin wenden, wie die beiden Vorstandsmitglieder Ingo Mainert und Thorsten Müller im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläuterten. Es gehe darum, bei der Überwindung der Coronakrise einen neuen Fokus auf die Kapitalmarktfinanzierung zu legen und so auch neue Wachstumsimpulse zu setzen.

Mainert, der Managing Director sowie CIO Multi Asset Europe von Allianz Global Investors ist, äußerte die Hoffnung, dass die Zeit der Rettungsschirme in der Pandemie bald vorbei ist. Die massive finanzielle Unterstützung über die Staatshaushalte komme mittlerweile an ihre Grenzen, sagte er und warnte zugleich, dass der Bankensektor durch eine noch zu erwartende Insolvenzwelle die Kreditvergabefähigkeit tendenziell noch einschränken werde. Den von der EU-Kommission im vergangenen Herbst veröffentlichten neuen Aktionsplan zur Kapitalmarktunion sieht Mainert als zu abgehoben an, dieser habe keine Dynamik entfaltet. Die Brüsseler Vorschläge seien „nicht in den Maschinenraum hineingekommen“.

Müller, Managing Director of Lighthouse Corporate Finance, verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Folgen des Brexit und das Ausscheiden des Finanzplatzes London aus der EU. Zudem hätten in Brüssel die liberalen Marktkräfte dadurch deutlich weniger Unterstützung, da die britischen Stimmen fehlten, betonte er.

Bei ihren sieben Forderungen legt die DVFA einen Schwerpunkt auf die Finanzierung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU). Der Verband, der rund 1400 Finanzexperten als persönliche Mitglieder zählt, plädierte für wieder bessere Rahmenbedingungen für das KMU-Research, die sich seit der Mifid-II-Einführung noch weiter verschlechtert hätten, sowie für eine grundsätzliche Neudefinition des ganzen KMU-Segments. Der bislang gültige Schwellenwert einer Marktkapitalisierung von bis zu 200 Mill. Euro solle auf 1 Mrd. Euro erhöht werden, um das Segment für institutionelle Investoren tendenziell attraktiver zu machen, hieß es.

Zudem ist die DVFA dafür, die Anforderungen an die Handelsliquidität zu senken oder – alternativ – über eine Selbstverpflichtung zur Einführung von Ziel-Investmentquoten für Kapitalsammelstellen nachzudenken, um mehr Mittel in das KMU-Segment zu lenken. Investitionsanreize könnten auch gesetzt werden, wenn bei der Direktanlage die Kapitalertragsteuer auf Dividenden und Zinsen deutlich gesenkt oder sogar zeitlich ausgesetzt würde. Nach Einschätzung von Müller würde damit ein „gigantisches Signal für Wachstum und Beschäftigung“ ausgesendet. Mainert verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass unter anderem in Italien oder Skandinavien mit Steueranreizen gearbeitet werde. Dies könne auch in Deutschland übernommen werden.

Bei den Forderungen, die sich nicht speziell auf das KMU-Segment beziehen, steht nach Einschätzung der DVFA vor allem die Versicherungsbranche im Blick, in der der Aktienanteil in den Portfolien ständig weiter sinkt. Um wieder auf höhere Quoten zu kommen, sollten die EU-Gesetzgeber die Kapitalanforderungen von Solvency II und die Bundesregierung die HGB-Bilanzierungsvorschriften überprüfen, hieß es in dem Positionspapier. Die EU-Kommission­ hat eine Überprüfung der Solvency-Regeln bereits für den Herbst angekündigt.

Ein entscheidendes Thema für höhere Anlagen in Aktien ist nach Einschätzung der DVFA auch das Thema Altersvorsorge. Gefordert werden auch hier steuerliche Anreize für eine langfristige Aktienanlage, wobei der Verband die Abgeltungsteuer ins Visier nimmt. Bei einer Mindesthaltedauer von fünf Jahren sollten Kursgewinne steuerfrei bleiben, hieß es.

Als „smart“ bezeichnete die DVFA auch die vom BVI jüngst vorgeschlagene Kopplung des Sparer-Pauschbetrags an Inflation und Lohnentwicklung sowie ein Vortragen nicht genutzter Pauschbeträge.

Last but not least forderte der Verband die Bundesregierung auf, die deutschen Delisting-Regeln an die anderer EU-Staaten anzupassen. Deutschland sei eines der wenigen Länder in Europa, bei denen ein Delisting allein durch den Beschluss des Vorstands herbeigeführt werden könne, kritisierte Müller. Hier müsse es eine Harmonisierung geben. Er verwies zugleich darauf, dass es in Deutschland in den Jahren 2016 bis 2020 mehr Delistings als Börsengänge gegeben habe.

Die DVFA hofft darauf, mit ihren Forderungen für eine bessere Kapitalmarktfinanzierung auch in dem anstehenden Bundestagswahlkampf Gehör zu finden. Vorstand Mainert verwies auf einen runden Tisch, den es vor einigen Jahren zum Thema Börsengänge schon im Bundeswirtschaftsministerium gegeben habe. Mit den konkreten neuen Vorschlägen hoffe man nun auch auf eine neue politische Dynamik in Berlin, betonte Mainert in dem Gespräch. Die DVFA müsse und wolle sich auf jeden Fall bei diesem Thema „stärker positionieren“.

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