KOMMENTAR

Sinnvoller Kuhhandel

Eine Aufsicht hat ein natürliches Interesse daran, als starker und unabhängiger Akteur wahrgenommen zu werden und den Eindruck von Mauscheleien zu vermeiden. Und so mühte sich die deutsche Finanzaufsicht BaFin vor einigen Monaten spürbar, den sich...

Sinnvoller Kuhhandel

Eine Aufsicht hat ein natürliches Interesse daran, als starker und unabhängiger Akteur wahrgenommen zu werden und den Eindruck von Mauscheleien zu vermeiden. Und so mühte sich die deutsche Finanzaufsicht BaFin vor einigen Monaten spürbar, den sich abzeichnenden Kompromiss mit Anbietern von Bonitätsanleihen nicht als “Kuhhandel” dastehen zu lassen und als legitime Lösung darzustellen. Nachdem die Aufsicht vor anderthalb Jahren ein Vertriebsverbot für die Produkte in Erwägung gezogen hatte, um private Sparer zu schützen, begnügt sich die Behörde nun mit einer Selbstverpflichtung der Branche.Der Vorwurf, damit gegenüber den beaufsichtigten Banken zu zaghaft zu sein, ließ nicht lange auf sich warten. Bereits vor einem Jahr, kurz nach Veröffentlichung der Selbstverpflichtung, warnten die Verbraucherzentralen vor mangelndem Vertrauen in die Aufsicht. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich der Kuhhandel, den die BaFin nicht als solchen bezeichnen will, aber als elegante Lösung: Die Behörde setzt strengere Regeln durch, ohne sich auf juristische Auseinandersetzungen einzulassen, und sie wählt einen Weg zwischen einem weitreichenden Eingriff und Untätigkeit. Die Drohung eines Vertriebsverbotes hat einen disziplinierenden Effekt entfaltet und die Branche unter Zugzwang gesetzt. Zaghaft war die BaFin nicht.Natürlich lässt sich fragen, ob Privatleute Bonitätsanleihen oder auch andere Zertifikate brauchen, obwohl sich nahezu jedes Verhältnis aus Risiko und Renditechance mit gewöhnlichen Aktien und Anleihen oder im Mantel von Investmentfonds abbilden lässt. Aber wie auch immer die Antwort von Anlegerschützern aussieht, Bonitätsanleihen sind bestimmt nicht mit zwielichtigen Produkten wie den Hütchenspieler-Instrumenten mit Nachschusspflicht vergleichbar, mit denen windige Anbieter aus dem EU-Ausland in Deutschland Privatleute über den Tisch zogen und zu Recht von der BaFin in die Schranken gewiesen worden sind. Finanzprodukt ist nicht gleich Finanzprodukt, und auch ein kritisch beäugtes Instrument wie die Bonitätsanleihe bringt noch lange nicht kollektive Anlegerinteressen ins Wanken. Das muss sich im Vorgehen der Aufsicht spiegeln.Wie genau der Schutz von Anlegern und das Gut der Vertragsfreiheit ausbalanciert werden sollten, ist zwischen Produktanbietern und Anlegerschützern naturgemäß umstritten. Grundsätzlich ist es aber gut, wenn sich die Aufseher nicht auf eine Alles-oder-nichts-Entscheidung festlegen lassen, sondern ihren Ermessensspielraum nutzen und mit den regulierten Banken über eine Lösung diskutieren. Die Aufsicht hat sich auf einen Kuhhandel eingelassen – aus guten Gründen.