Smarte Anleger, dumme Fonds

Von Jan Schrader, Frankfurt Börsen-Zeitung, 4.11.2016 Es gibt einen einfachen Grund, weshalb Aktien mit einer geringen Schwankungsbreite vergleichsweise gute Chancen auf Kursgewinne haben, wie Roland Rousseau sagt, Risikostratege von Barclays. Weil...

Smarte Anleger, dumme Fonds

Von Jan Schrader, FrankfurtEs gibt einen einfachen Grund, weshalb Aktien mit einer geringen Schwankungsbreite vergleichsweise gute Chancen auf Kursgewinne haben, wie Roland Rousseau sagt, Risikostratege von Barclays. Weil Fondsmanager sich demnach mit der breiten Marktentwicklung vergleichen und diese hinter sich lassen wollen, suchen sie nach möglichen Kursraketen am Aktienmarkt. Sie greifen daher eher zu riskanteren Papieren mit einer höheren Volatilität, wie der Leiter der Risk Strategy Group der britischen Großbank am Donnerstag in einer Diskussion am Rande einer Konferenz der Deutschen Asset Management, der Fondstochter der Deutschen Bank, in Frankfurt argumentiert. Da könnte es aus seiner Sicht naheliegen, Aktienfonds mit schwankungsarmen Titeln auszusuchen. Unter dem Schlagwort “Smart Beta” jedenfalls werden Fonds verkauft, die nach festen Ausschlusskriterien die Aktientitel in einem Index anders gewichten als sonst üblich. Nicht viel teurer als Indexfonds, aber besser – “smart” eben, wie der Name nahelegt – sollen die Strategien sein, mit der sich die Tagung im Luxushotel Villa Kennedy befasst.So einfach sei es nicht, unterstreicht der Finanzprofessor Campbell Harvey, der eine lebhafte Diskussion mit Rousseau beginnt. Sobald genügend Investoren dieser Logik folgen, steigt der Preis der schwankungsarmen Aktien, und die Chancen für die künftige Entwicklung fallen wieder auf Normalniveau zurück, wie der US-Forscher der Duke University und Präsident der American Finance Association sagt. Erfolgsstrategien seien nicht skalierbar, also niemals beliebig häufig anwendbar. “Wenn Sie eine Aktie übergewichten, hat irgendwer den Titel untergewichtet.” Viele Smart-Beta-Fonds seien mitnichten “smart”.Eine Gefahr sieht der Forscher, der auch die britische Hedgefonds-Schmiede Man Group berät, in der breiten Auswahl von Faktoren. Allein in der Forschung seien bereits Hunderte vermeintliche Erfolgsstrategien vorgestellt worden. Bei einer großen Zahl sei es rückblickend leicht, herausragende Strategien zu finden. Eine überdurchschnittliche Kursentwicklung hätten Investoren demnach etwa erzielt, wenn sie in Aktien investiert hätten, die mit dem Buchstaben “S” beginnen, aber auf den Verfall von Titeln gesetzt hätten, die unter “U” aufgeführt sind. Solche absurden Ergebnisse seien nach gängigen Kriterien sogar statistisch signifikant, kritisiert er.Überflüssig sind die Produkte aber nicht, wie Rousseau einwirft. Denn für Investoren gehe es gar nicht allein um eine überdurchschnittliche Leistung, also um Outperformance. Er betont, dass es in der Geldanlage auf Klarheit ankomme: Risikoprämien, also verbesserte Chancen auf Kursgewinne als Belohnung für bestimmte Gefahren, sollen für Investoren nachvollziehbar sein. Wie in der Fahrzeugindustrie, wo Bauteile ausgetauscht werden können, sollen Investoren ihr Portfolio aus Modulen zusammensetzen – je nach Marktphase, passend zur Strategie. Risiko ungleich RisikoDie Gefahren der Strategien seien verschieden. Setze ein Investor etwa auf “Value”-Faktoren, also auf Daten zum Firmenwert, seien besonders hohe Kursverluste vergleichsweise selten, zum Preis einer sonst leicht unterdurchschnittlichen Kursentwicklung. Umgekehrt sei es bei “Momentum”-Strategien, die auf die Fortsetzung von Aufwärtstrends setzen. Sie lieferten oft leicht überdurchschnittliche Ergebnisse, könnten aber auch besonders tief in den Keller rauschen. Welcher Faktor ist also erfolgsversprechend? “Smart” muss die Strategie der Anleger sein. Die Fonds allein sind es nicht. ——–Forscher und Fondsleute streiten in Frankfurt über den Sinn von “Smart Beta”-Strategien.——-