Berichterstatter im EU-Parlament

„Solvency II ist zu konservativ kalibriert“

Der für Solvency II federführende EU-Abgeordnete Markus Ferber hat seine Vorschläge für eine Reform vorgelegt. Er fordert mehr Flexibilität für die Anlagen von Versicherern und eine noch stärkere Verhältnismäßigkeit der Regulierung.

„Solvency II ist zu konservativ kalibriert“

ahe Brüssel

In der Debatte um das Solvency II-Regelwerk hat der für die geplante Reform zuständige EU-Abgeordnete Markus Ferber neue Vorschläge vorgelegt, die den Versicherern mehr Flexibilität bei der Geldanlage geben und bei ihnen zusätzliches Kapital freisetzen sollen. „Solvency II ist zu konservativ kalibriert“, betonte der CSU-Finanzexperte in Brüssel. Das hindere Versicherungen daran, als Langfristinvestoren zu agieren und sorge für maue Renditen für Versicherungsnehmer. „Wenn man an den richtigen Stellschrauben dreht, können Milliardenbeträge freigesetzt werden, ohne dass es zu Abstrichen bei der Finanzstabilität und dem Verbraucherschutz kommt.“

Die EU-Kommission hatte in ihren Reformvorschlägen aus dem vergangenen September bereits Kapitalerleichterungen von kurzfristig bis zu 90 Mrd. Euro für Europas Versicherungsbranche vorgeschlagen. Ferber bessert diese Vorschläge in seinem Berichtsentwurf nun unter anderem mit dem Plan nach, attraktivere Rahmenbedingungen für Investitionen in Eigenkapitalinstrumente zu schaffen. Als Eigenkapital sollen künftig nicht nur Anlagen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gelten, sondern in der ganzen OECD, was dann beispielsweise die Schweiz miteinbeziehen würde. Zudem fordert Ferber technische Anpassungen bei der Extrapolation der Zinskurve und bei der Risikomarge, die die Volatilität absenken und für niedrigere Rückstellungen sorgen sollen. So soll der Konvergenzparameter auf 20% gesetzt werden, was auch die Investitionen in nationale Staatsanleihen senken soll. Allerdings sieht auch der EU-Abgeordnete an dieser Stelle Vorsicht geboten: „Wenn man bei Solvency II bei der Modellierung der Zinskurve überzieht, stellt man langlaufenden Lebensversicherungen praktisch das Todesurteil aus.“

Grundsätzlich hat sich die Solvency-Regulierung für Versicherer nach Einschätzung von Ferber bewährt. Das aktuelle Regelwerk gelte heute als internationaler Goldstandard in der Branche, weshalb es bei der nun anstehenden Reform eher um eine „Evolution statt Revolution“ gehen müsse, betonte er. Ferber ist auch mit der geplanten neuen Kategorie von Versicherern mit geringem Risikoprofil grundsätzlich einverstanden, die er als „vernünftigen Ansatzpunkt“ bezeichnet. Allerdings will er die Verhältnismäßigkeit der Regulierung für kleine und risikoarme Versicherer noch weiter stärken.

Höhere Schwellenwerte

Hierzu schlägt er nun höhere Schwellenwerte für den Anwendungsbereich von Solvency II vor und auch höhere Schwellenwerte für die neue Unternehmenskategorie. Absolute Schwellenwerte sollen zudem in relative verändert werden und Eigenversicherer sollen künftig automatisch als risikoarm eingestuft werden. Grundsätzlich fordert Ferber wieder mehr Mitsprache auch des EU-Parlaments bei der genauen Ausgestaltung der Versicherungsregulierung, die aktuell stark über sogenannte delegierte Verordnungen stattfindet. An zentralen politischen Fragen wie der Berechnung von Zinskurve, Risikomarge und Volatilitätsanpassung müssten die EU-Gesetzgeber inhaltlich mitentscheiden.

Gestrichen werden sollen dagegen einige neue Anforderungen an die Unternehmen für die Ferber nur einen geringen Mehrwert sieht. Dazu gehören eine neue Reporting-Struktur, Audit-Verpflichtungen für die Bilanz oder neue Aufsichtsregeln. Auch will Ferber den von der EU-Kom­mission vorgesehenen Prüfauftrag an EIOPA wieder einkassieren, die eine aufsichtsrechtliche Vorzugsbehandlung grüner Investitionen analysieren sollte.

Äußerst zufrieden zeigte sich Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Der Berichtsentwurf sorgt für Klarheit bei Kapitalanforderungen, lässt Spielraum für nachhaltige Investitionen und bringt mehr Proportionalität, also Berichtserleichterungen für kleinere Versicherer. Gut so“, heißt es in einer Stellungnahme. Die Vorschläge werden nun zunächst parlamentsintern diskutiert. Die EU-Mitgliedsstaaten haben ihre Beratungen zur Solvency-Reform schon weitgehend abgeschlossen und wollen sich am Freitag beim Treffen der EU-Finanzminister endgültig einigen.

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