Sparda-Banken im freien Fall
Von Silke Stoltenberg, Frankfurt
Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank setzt den Sparda-Banken bis zur Schmerzgrenze zu: Seit Jahren befindet sich der Überschuss der elf Banken im freien Fall und hat sich innerhalb von nur sechs Jahren mehr als halbiert – von rund 148 Mill. Euro im Jahr 2014 auf 70,7 Mill. Euro im vergangenen Jahr. Hintergrund ist, dass die elf Institute, die sich rein auf das Privatkundengeschäft konzentrieren, kaum Ausweichmöglichkeiten haben, um der sinkenden Zinsspanne etwas entgegensetzen zu können. „Die Situation für unsere Gruppe ist herausfordernd , es ist klar, dass wir in dieser Aufstellung nicht mehr auf frühere Gewinnniveaus zurückkommen, solange die EZB ihre Zinsen so niedrig hält“, räumt Florian Rentsch, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Sparda-Banken, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung ein.
Sein Vorstandskollege Uwe Sterz ergänzt: „Wir streben eine Konsolidierung der Gewinne auf niedrigerem Niveau als in der Vergangenheit an, höhere Überschüsse sind erst dann wieder möglich, wenn das Zinsniveau wieder über alle Laufzeiten positiv ist.“ Denn die Zinsspanne erodiere immer mehr: Betrug der Abstand zwischen dem Einlagenzins und dem Durchschnitt der Zinsen der ausgereichten Kredite der Sparda-Banken im Jahr 2010 im Schnitt noch rund 350 Basispunkte, waren es 2020 nur noch knapp 140 Basispunkte. Zwar führen auch die Sparda-Banken für immer mehr ihrer zuletzt 4,1 Millionen Kunden Negativzinsen ein, abhängig von der Höhe der Einlagen. Aber noch sei auf der Passivseite die Nulllinie nicht unterschritten, da der Kundenzins im Durchschnitt weiterhin über dem (negativen) Marktzins liege.
Es ist absehbar, dass die Zinsspanne noch weiter erodieren wird, da zum einen immer mehr ältere Kredite mit höheren Zinsen auslaufen oder vorzeitig zurückgezahlt werden und zum anderen in den Eigenanlagen der Banken ebenfalls die älteren Wertpapiere mit höheren Kupons sukzessive an ihr Laufzeitende kommen. Das heißt, dass die Banken am Markt mit den Kundeneinlagen immer geringere Renditen erwirtschaften oder zum Negativzinssatz bei der EZB anlegen müssen. Zugleich sinkt die Durchschnittsverzinsung des Kreditbestandes im Zeitablauf.
Von Einlagen überschüttet
Die Sparda-Banken – bislang mit Ausnahme des Instituts in Hessen – versuchten, mit der sukzessiven Einführung von Negativzinsen für die Kunden zum einen das überbordende Einlagenwachstum zu bremsen und zugleich die erodierende Zinsspanne zu stabilisieren, erklärt Sterz. Gerade in Zeiten der Pandemie sind Banken mit Einlagen der Kunden überschüttet worden, da die Kunden aufgrund fehlender Konsum- und Reisemöglichkeiten oder von Kurzarbeit immer mehr Geld auf dem Konto parken. Aber selbst hohes Volumenwachstum auf der Aktivseite könne den durch die Negativzinsen der EZB erzwungenen Margenverfall auf der Passivseite nicht kompensieren, unterstreicht Sterz.
Die Einlagen der Sparda-Banken wuchsen im vergangenen Jahr um 4,9% auf 73,1 Mrd. Euro, während die Kredite lediglich um 1,7% auf 45,2 Mrd. Euro zulegten. Damit erreichten die Einlagen mehr als das Anderthalbfache des Kreditbestands. Das zuletzt eher langsame Wachstum der Darlehen erklärt sich auch damit, dass viele Kunden ihre alten Kredite zu hohen Zinsen vorzeitig tilgen.
Der Einlagenüberhang lasse sich nicht in einem angemessenen Risiko-Rendite-Verhältnis am Kapitalmarkt anlegen, so Sterz. Früher hätten die Sparda-Banken Pfandbriefe und Bundesanleihen gekauft, die wenig bis keine Eigenkapitalunterlegung benötigen. Nunmehr rentieren diese Papiere negativ. Wertpapiere mit positiven Renditen dagegen zählen zu einer höheren Risikoklasse und erfordern damit eine höhere Eigenkapitalunterlegung, wodurch es Grenzen für die Eigenanlagen der Banken gibt.
Wie Sterz berichtet, sinkt seit Einführung des Negativzinses durch die Notenbank der kumulierte Zinsüberschuss der Sparda-Banken um jährlich 3 bis 5%. Im vergangenen Jahr lag der Rückgang mit 4,5% auf 879,9 Mill. Euro am oberen Ende. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 hatten die Institute noch mehr als 1 Mrd. Euro an Zinsüberschuss gemeldet.
Erfreulicher entwickelte sich im zurückliegenden Jahr das Provisionsergebnis. Es stieg um 5,0% auf 265,3 Mill. Euro. Hier macht sich bemerkbar, dass das kostenfreie Girokonto – einst der zentrale Markenkern der Sparda-Banken – mittlerweile der Vergangenheit angehört. Somit stiegen die Erlöse aus dem Zahlungsverkehr durch die neuen Kontoführungsgebühren wie auch durch Einnahmen aus dem Vermittlungsgeschäft etwa von Wertpapieren oder Fonds. Auch hier ist der Vergleich zu 2014 aufschlussreich: Damals betrug der Provisionsüberschuss nur rund 190 Mill. Euro.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs bezüglich der Änderungsmechanismen bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen betrifft auch die Sparda-Banken, so Sterz. Der oberste Gerichtshof hatte der bislang üblichen Praxis „Schweigen gleich Zustimmung“ bei AGB-Änderungen der Banken mit seinem Urteil ein für die Branche überraschendes Ende gesetzt. „Berechtigte Ansprüche werden befriedigt, aber die Zahl der Anfragen ist bei uns bislang überschaubar, zudem sind nicht alle Banken von uns betroffen“, betont Sterz.
Die Finanzaufsicht BaFin hatte bereits gewarnt, dass bei einzelnen Banken bis zur Hälfte des Jahresüberschusses im Feuer stehen könnte. Das könne er für einzelne Häuser seiner Gruppe nicht ausschließen, meint Sterz. Allerdings habe es in ihrer Gruppe auch Fälle gegeben, bei denen die Kunden bei Einführung der Kontogebühren schriftlich ein Modell auswählen mussten. Hier gab es somit eine explizite Zustimmung, was also im Sinne der neuen AGB-Rechtssprechung wasserfest ist.
„Wir nehmen das BGH-Urteil sehr ernst und werden auf die betroffenen Kunden zugehen“, sagt Rentsch mit Blick auf die BaFin, die die Banken schon gemahnt hat, aktiv zu werden. Ansonsten droht eine Allgemeinverfügung der Aufsicht wie im Streitfalle der Prämiensparverträge (vgl. BZ vom 21. Juni). „Hiervon sind die Sparda-Banken viel geringer als vom BGH-Urteil betroffen, zumal einige Institute das Thema Prämiensparvertrag schon in der Vergangenheit gemeinsam mit den Kunden bereinigt haben“, führt Sterz aus. Konkrete Größenangaben gibt es weder zum AGB-Urteil noch zur Allgemeinverfügung zu den Prämiensparverträgen.
Die Kosten blieben 2020 mit 927,5 Mill. Euro (2014: 820 Mill. Euro) leicht hinter dem Vorjahr zurück – und dies trotz laufender IT-Migrationen innerhalb der Gruppe. Zum einen wird bei sieben Banken das Kernbankensystem gewechselt, nachdem der französische IT-Dienstleister Sopra Steria die Sparda-Datenverarbeitung übernommen hatte, die heute Sopra Financial Technology heißt. Zum anderen sind die restlichen Sparda-Institute zur zentralen genossenschaftlichen Rechenzentrale Fiducia & GAD IT gewechselt.
Kosten zur Vor- und Nachbereitung der Migration sind im normalen Aufwandsposten der Banken enthalten. Die eigentliche Migration dagegen verursachte 2020 einen zusätzlichen außerordentlichen Aufwand von 30 Mill. Euro.
Viele Filialen geschlossen
Auf der anderen Seite gab es im vergangenen Jahr eine deutliche Entlastung auf der Kostenseite durch Filialschließungen. Die Zahl der Geschäftsstellen sank von 410 auf 357 (2014: 433). Davon entfallen allein 23 Geschäftsstellen auf die Sparda-Bank West, die seit 2019 jede zweite Filiale in ihrem Geschäftsgebiet schließt.
Die Cost-Income-Ratio lag zuletzt bei 81%. Zeitgleich zu den Schließungen wurde das digitale Angebot für die Kunden ausgebaut. Die Zahl der Bankmitarbeiter ging von 6105 auf 5891 zurück. Gruppenweit (inklusive Rechenzentrale sowie Kundenservice-Dienstleister Summacom) verringerte sich die Zahl von 6993 auf 6870.
Das Bewertungsergebnis wiederum war im vergangenen Jahr mit 15 Mill. Euro unauffällig. Weder gab es pandemiebedingte Kreditausfälle nennenswerter Art, noch gab es größere Schwankungen bei den Wertpapieren, da sich der Einbruch an den Kapitalmärkten im März im Jahresverlauf egalisierte. Die harte Kernkapitalquote erreichte zuletzt komfortable 16,3%.
Was aber können die Sparda-Banken unternehmen, um ihre Lage zu stabilisieren, da auf eine EZB-Kehrtwende absehbar kaum zu hoffen ist? Als reine Privatkundenbanken sind sie im Vergleich zu anderen Banken gebeutelter durch das Niedrigzinsniveau. Selbst die „Geschwisterbanken“ der genossenschaftlichen Familie, die Volks- und Raiffeisenbanken, haben durch das gleichzeitig von ihnen betriebene Firmenkundengeschäft einen größeren Spielraum, um auf die Zinsmisere zu reagieren, die durch die drastisch erhöhte Regulierung und den digitalen Wandel verschärft wird.
„Mit Blick auf die Zukunft überprüfen alle Sparda-Banken ihre Geschäftsmodelle, aber wir lassen uns dabei nicht auf neue Abenteuer ein wie etwa das klassische Firmenkundengeschäft, sondern wir bleiben dabei auf den Pfaden, in denen wir große Expertise haben: Privatkunden, Immobilien und genossenschaftliche Modelle“, umreißt Sterz die angedachten Optionen. Als Beispiel nennt er zum Beispiel größere Kredite an Wohnungsbaugenossenschaften mit privat genutzten Wohnungen. Dies seien größere Volumina bei geringem Risiko. Auch böten Sparda-Banken nun Maklerdienstleistungen bei Immobilien an, was zusätzliche Gebühren bringt. Zudem entwickeln die Sparda-Banken das Produktangebot für die Kunden zusammen mit den Partnern der Finanzgruppe, wie z.B. Union Investment, DEVK oder R+V, weiter. Und bei den Eigenanlagen wagen sich die Institute auch in andere Assetklassen vor und nehmen nun z.B. Immobilien auf die eigenen Bücher, was Renditen oder Mieteinnahmen bringt.
Aufgaben bündeln
Weitere Fusionen innerhalb der Sparda-Gruppe sind derzeit nicht in Sicht, so Sterz. „Fusionen sind derzeit nicht im Gespräch, schon gar nicht über Verbandsgrenzen hinweg. Zum einen haben wir ausreichend ertragsstarke Banken in der eigenen Gruppe, zum anderen wären die rechtlichen Fragen und die der Markenführung kaum zu lösen.“ Eine Fusion mit einer Volksbank wäre der Identitätsverlust für eine Sparda-Bank. Stattdessen werden bestimmte Aufgabenbereiche wie zum Beispiel Teile der Personalarbeit zusammen mit anderen Instituten auf einer Plattform gebündelt, wie Rentsch berichtet. Auch die Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe mit anderen Verbänden wie etwas mit dem Genossenschaftsverband Bayern (vgl. BZ vom 6.10.2020) wurde bereits verstärkt.
Auch bei den Kosten soll das Bremspedal weiter gedrückt werden. So verlangen bei den laufenden Tarifverhandlungen dem Vernehmen nach die Arbeitgeber eine Nullrunde für gleich zwei Jahre.