Spezialfonds unter Schock

Im April flossen 4,6 Mrd. Euro ab - Weniger betroffen als in der Finanzkrise 2008

Spezialfonds unter Schock

Normalerweise reagiert der Absatz von Spezialfonds nur geringfügig auf Börsenkurse. In der Coronakrise aber verzeichnen die Vehikel erstmals seit Jahren einen milliardenschweren Abfluss. Die Branche rätselt noch über die Ursache: Eine Rolle spielt vermutlich der Bedarf von Unternehmen nach Liquidität.jsc Frankfurt – Die Coronakrise hat nach den Publikumsfonds auch die Spezialfonds erwischt und den Absatz belastet: Im April flossen netto 4,6 Mrd. Euro aus deutschen Spezialfonds ab, wie aus Daten der Deutschen Bundesbank hervorgeht. Publikumsfonds haben sich im Berichtsmonat hingegen wieder gefangen und einen Zufluss von netto 2,8 Mrd. Euro erzielt. Im März, als die Aktienkurse weltweit angesichts der Coronakrise in die Tiefe gerauscht waren, war es noch umgekehrt: Während Publikumsfonds einen Abfluss von 5,3 Mrd. Euro verzeichnet hatten, flossen Spezialfonds netto noch 10,0 Mrd. Euro zu.Der verspätete Negativabsatz von Spezialfonds dürfte mit der Funktion der Produkte zusammenhängen: Institutionelle Investoren nutzen die Vehikel typischerweise für die langfristig ausgerichtete Kapitalanlage, während schnell verfügbare Mittel in Publikumsfonds liegen, etwa in ETFs, Geldmarktfonds sowie in Rentenfonds mit Papieren von geringer Laufzeit. Diese Produkte haben es Investoren ermöglicht, große Summen rasch abzuziehen. Spezialfonds werden derweil insbesondere von Versicherern und Altersvorsorgeeinrichtungen genutzt, um die Mittel langfristig anlegen. Deshalb ist der Absatz der Spezialfonds weniger vom Börsengeschehen abhängig. Wenn das Geld knapp wirdVerschiedene Branchenvertreter vermuten, dass nun aber gewöhnliche Unternehmen in der Wirtschaftskrise auf Bargeld angewiesen waren und nach Publikumsfondsbeständen im März auch Spezialfondsanteile im April aufgelöst haben – und damit inmitten einer Phase wieder steigender Börsenkurse Geld abzogen. Allerdings sind die Stimmen uneinheitlich. Ein größerer Spezialfondsanbieter bestreitet auf Nachfrage einen solchen Effekt, während ein anderes Haus die Vermutung bestätigt.Laut Bundesbank sank der Spezialfondsabsatz erstmals seit September 2017 unter die Nulllinie: Damals war der Abfluss aber nur gering. Milliardenschwere Abflüsse hat das Segment indes in einigen Monaten der Finanzkrise verzeichnet, als die Angst vor einem Kollaps des Finanzsystems umging. Insgesamt fielen die Abflüsse in der Coronakrise geringer aus als während der Finanzkrise. So flossen im Oktober 2008 laut Bundesbank insgesamt netto 19,8 Mrd. Euro aus Spezialfonds und Publikumsfonds ab – der zurückliegende April steht mit minus 1,8 Mrd. Euro in der Statistik. Relativ zum verwalteten Vermögen ist der Abfluss sogar noch geringer, denn Ende September 2009 lag der Fondsbestand bei 965 Mrd. Euro, während die Branche per Ende März dieses Jahres 2 223 Mrd. Euro verantwortet hat. Die Angaben der Bundesbank sind wegen Unterschieden in der Erfassung nur ungefähr mit den Daten des Fondsverbands BVI vergleichbar.Aus Sicht der Anleger weisen Finanz- und Coronakrise zwei wesentliche Unterschiede auf, wie Peter Barkow sagt, Geschäftsführer und Managing Director der Beratungsfirma Barkow Consulting, der die Daten näher beobachtet hat. Erstens ging der damaligen Wirtschaftskrise eine Finanzkrise voraus, so dass das Vertrauen in das Finanzsystem erschüttert war. Heute sind die Kontaktbeschränkungen in der Coronakrise Ursache des Einbruchs, nicht aber das Finanzsystem selbst. Zweitens griff die Coronakrise abrupt um sich, während sich die Finanzkrise langsam aufbaute und nach und nach immer mehr Marktsegmente erfasste, ehe mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2009 ein Knall erfolgt sei.