"Spitzenforschung und Klinkenputzen"
Die unmittelbare Nähe zur BaFin, zur Bundesbank und zur europäischen Banken- und Versicherungsaufsicht sieht Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir als wichtigen Faktor im Standortwettbewerb. Frankfurts Entwicklungschancen will er auch für den Fall der Börsenfusion gewahrt wissen.- Herr Minister Al-Wazir, die hessische Landesregierung will den Finanzplatz Frankfurt zum deutschen Fintech-Zentrum entwickeln. Welche konkreten Maßnahmen sind dabei geplant?Wir bieten modernen Finanztechnologien in Frankfurt und der Rhein-Main-Region ein äußerst attraktives Umfeld. In der Wirtschaftswissenschaft, der IT-Sicherheitsforschung, der digitalen Infrastruktur, überall spielen wir in der Champions League. Das unterstützen wir mit kluger Politik: Mit Forschungsförderung, mit Breitbandausbau, mit maßgeschneiderten Finanzierungsangeboten für junge Unternehmen. Auch unsere Fintech-Initiative ist ein Teil dieser Standortpolitik.- IT-Sicherheit und Datenschutz in der Cloud wird gerade in der Finanzbranche zu einem immer wichtigeren Thema. Wie können hier Hessen und die Rhein-Main-Region im Wettbewerb punkten?Damit wir die Digitalisierung erfolgreich gestalten können, benötigen wir vor allem eines: Vertrauen in die neuen Technologien. Sichere Daten sind eine Grundvoraussetzung dafür. Dies gilt insbesondere für den Finanzsektor. Deshalb fördern wir als Land das Sicherheitsforschungszentrum CRISP in Darmstadt mit 6 Mill. Euro in den kommenden drei Jahren. Aber wir sehen auch, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen Nachholbedarf im Bereich der IT-Sicherheit haben. Hier muss der Transfer von der Forschung in die Anwendung noch besser gelingen. Verschlüsselte Datenkommunikation und sichere Datenspeicher sind bislang bei vielen Unternehmen noch eher die Ausnahme. Deshalb gehen wir gezielt auf Unternehmen zu und beraten sie, wie sie mit einfachen Mitteln ihre Datensicherheit deutlich erhöhen können. Wir machen also beides: Spitzenforschung und Klinkenputzen.- Frankfurt ist Regulierungshauptstadt Europas. Welches Kapital will die Landesregierung aus diesem Cluster schlagen?Man muss vielleicht daran erinnern, dass Regulierung noch vor wenigen Jahren nicht wirklich als ein Standortvorteil galt. Das hat sich ja glücklicherweise geändert. Heute gilt die unmittelbare Nähe zur BaFin, zur Bundesbank und zur europäischen Banken- und Versicherungsaufsicht als wichtiger Wettbewerbsfaktor. Und genau hier setzen wir neue Akzente. Es ist uns beispielsweise gelungen, die operative Einheit der GLEIF hier anzusiedeln, der Global Legal Entity Identifier Foundation. Der Finanzplatz Frankfurt liefert damit einen weiteren wichtigen Beitrag zur Transparenz und Stabilität der weltweiten Finanzsysteme.- Sehen Sie in den Plänen der Deutschen Börse AG zur Fusion mit der London Stock Exchange ein Risiko für die weitere Entwicklung des Finanzstandortes Frankfurt? Wie wollen Sie im Falle einer Fusion die Sogwirkung des Platzes London auf Frankfurt verhindern?Die Prüfung durch die Hessische Börsenaufsicht hat ja gerade erst begonnen, die benötigten Informationen und Unterlagen liegen noch nicht vollständig vor. Hierzu gehören zum Beispiel die erst noch zu finalisierende Angebotsunterlage für das beabsichtigte Übernahmeangebot an die Aktionäre der Deutschen Börse AG und nicht zuletzt auch die Entscheidung, die die EU-Kommission im Rahmen der Fusionskontrolle treffen wird. Erst auf dieser Basis wird dann eine Gesamtbewertung möglich sein. Am Ende werden wir zu prüfen haben, ob die Durchführung und eine angemessene Fortentwicklung des Börsenbetriebs, konkret der Frankfurter Wertpapierbörse und der Terminbörse Eurex, auch nach einer Fusion und mit einem Hauptsitz der neuen Gesellschaft in London möglich sind.—-Die Fragen stellte Claus Döring.