Staatsfonds setzt Mut voraus
Wenn die Delegierten der CDU ab dem heutigen Freitag in Leipzig zusammentreten, werden sie in den Anträgen die Idee für eine Reform der kapitalgedeckten Altersvorsorge vorfinden: Aus Hessen, Baden-Württemberg und dem Arbeitnehmerflügel CDA wurde bereits zuvor jeweils das Schema eines öffentlichen Fonds lanciert, der möglichst viele Menschen, die nicht explizit widersprechen, an einer kapitalmarktbasierten Altersvorsorge teilhaben lässt. Nachdem sich die Spitze der Grünen bereits auf einen “Bürgerfonds” verständigt hat und sich auch eine Rentenkommission der Partei grundsätzlich offen zeigt, könnten sich nun die Christdemokraten der Forderung anschließen. Die Idee einer “Deutschlandrente” etwa, die vom schwarz-grün regierten Hessen vorgeschlagen wurde, zeichnet sich somit in der ein oder anderen Variante als politisches Projekt ab – sofern sich in Leipzig eine Mehrheit findet.Der Charme der Idee besteht darin, dass er eine große Zahl an Menschen zu geringem Aufwand einbinden würde. Endlich käme eine Anlage am Kapitalmarkt, vor allem in Aktien, in der Breite an. Das ist dringend notwendig, denn wegen der ungünstigen Demografie und geringer Geldvermögen steht Deutschland in der Altersvorsorge vor einer Herkulesaufgabe. Es wäre eine gute Nachricht, sollte das Konzept in unterschiedlichen politischen Lagern Mehrheiten finden.Die Finanzbranche steht leider auf der Bremse. Versicherer, Fondshäuser und Bausparkassen haben erst am Dienstag ein gemeinsames Positionspapier vorgelegt, das in ausdrücklicher Abgrenzung zur “Deutschlandrente” eine Stärkung der Riester-Rente, also der geförderten privaten Altersvorsorge, fordert. Ein vereinfachtes Zulagenverfahren, eine Lockerung der Garantie, eine Ausweitung auf neue Personengruppen und entschlackte Produkte wären in der Tat ein Fortschritt für die private Vorsorge. Doch die gleichzeitige Ablehnung eines öffentlichen Fonds macht deutlich, dass die Branche vor allem Konkurrenz fürchtet.Dabei sollte es gar nicht Ziel des Fonds sein, bestehende Produkte und Systeme zu ersetzen. Es geht um eine Ergänzung: Ein Kern des Anliegen ist es, auch Menschen ohne eigene Kapitalanlage einzubinden, damit sie am künftigen Wohlstand beteiligt werden. Das ist wichtig, weil der Spielraum für das Umlageverfahren in einer alternden Gesellschaft absehbar sinken wird. Um sicherzustellen, dass möglichst viele Menschen erreicht werden, ist ein automatischer Mechanismus zuverlässiger und günstiger als ein breites Vermittlernetz, das nicht alle erreicht. Die Option für jeden Einzelnen, einen Verzicht auf die Teilnahme an dem Fonds zu erklären (Opt-out), gewährleistet zugleich die Entscheidungsfreiheit, auf die Kritiker zu Recht pochen.Natürlich folgt aus einer guten Idee noch lange kein tragfähiges Konzept – die Einwände gegen den Fonds sind aber lösbar: Ein Argument lautet, dass der Staat auch nicht besser investieren könne als ein privater Akteur. Das ist korrekt, aber mit einer breit gestreuten Anlage und einer langfristigen Perspektive bei den einzelnen Investments würde ein öffentlicher Fonds wenig falsch machen. Andere warnen vor Zweckentfremdung durch die Politik: Ein Fonds muss also nach transparenten Regeln agieren, während die alltägliche Führung möglichst abseits vom Berliner Politikbetrieb erfolgen sollte. Schon heute legen Bundesbank und der Atomfonds im öffentlichen Auftrag Milliarden an. Der Warnung vor einem unfairen Preisvorteil schließlich lässt sich begegnen, indem alle Kosten des Fonds aus dem verwalteten Vermögen beglichen werden. So wäre ein Anleger, der im Rahmen eines Opt-out ein Angebot eines privaten Anbieters bevorzugt, nicht systematisch im Nachteil.Das größte Risiko liegt ganz woanders: Es ist die Angst vor der Aktie. Viele Sparer haben Beitragsgarantien liebgewonnen, die im aktuellen Marktumfeld natürlich kaum Spielraum für eine chancenorientierte Anlage lassen. Schon in der betrieblichen Altersvorsorge läuft die Loslösung von der Garantie schleppend, auch im Riester-System wäre eine Aufweichung nicht ohne Weiteres durchsetzbar. Ebenso wäre eine Beitragsgarantie für einen öffentlichen Topf fatal. Ein weiteres Vorsorgevehikel mit garantierter Null braucht kein Mensch.Ein allgemeiner Fonds mit hoher Aktienquote setzt also den Mut für einen Kulturwandel in der Altersvorsorge voraus, und die Befürworter müssen sich ins Zeug legen, gerade wenn die Aktienkurse einmal in die Knie gehen. Die Gefahr ist groß, dass die Idee an diesem Punkt scheitern wird. Doch einen Versuch ist es wert. ——Von Jan SchraderDie Idee eines öffentlichen Fonds als Baustein der kapitalgedeckten Altersvorsorge ist überzeugend. Doch die deutsche Angst vor der Aktie steht dem Projekt im Weg.——