GEDANKEN ZUR FINANZ-UND STAATSSCHULDENKRISE

Stabilisierung des Bankensektors ist noch nicht am Ziel

Wer nach einer Regulierungspause ruft, sollte Ursache und Wirkung nicht verwechseln - Brandbeschleuniger aus den Bilanzen herauslösen

Stabilisierung des Bankensektors ist noch nicht am Ziel

Von Hannes Rehm, HannoverDer Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2014 in Davos zu Recht festgestellt, dass die Bankenregulierung seit Ausbruch der Finanzkrise deutliche Fortschritte gemacht hat und dass seitdem mehr als eine halbe Bill. Euro an zusätzlichem Kapital in den Bankensektor geflossen ist. Gleichwohl seien neue Krisen nicht ausgeschlossen; es gelte, das Finanzsystem noch widerstandsfähiger zu gestalten.Beiden Aussagen wird man nicht widersprechen. Vor allem besteht kein Anlass, weiteren Handlungsbedarf in Abrede zu stellen. Allein die Tatsache, dass das Verhältnis der Summe der Bankbilanzen zum globalen Bruttosozialprodukt heute fast doppelt so hoch liegt wie zu Beginn der Finanzkrise 2008, gibt zu denken. Es geht nicht um das “Ob”, sondern um das “Wie” der weiteren Stabilisierung des Sektors. Dabei stellen sich im Wesentlichen vier Fragen:Erstens: Hat die Krise mit all ihren Folgen und Kollateralschäden tatsächlich zum nachhaltigen Bewusstseinswandel der in der Branche Verantwortlichen geführt? Die Frage gehört an den Anfang, weil überall, wo die Selbstdisziplinierung nicht das Handeln bestimmt, das dadurch entstehende Vakuum durch (weitere) Normensetzung gefüllt wird. Unheilvolle VerstrickungZweitens bestehen immer noch Zweifel, ob die westlichen Industrieländer wirklich bereit sind, auf nationale Regulierungsvorteile im Interesse ihrer Finanzplätze zu verzichten.Drittens belastet die unheilvolle Verstrickung einer noch nicht ausgestandenen Bankenkrise mit einer fortdauernden Staatsschuldenkrise die Perspektive für eine wirklich durchgreifende Restrukturierung des Bankensektors.Viertens ist das Projekt einer europäischen Bankenunion zwar im Konzept auf den Weg gebracht, aber in wesentlichen Fragen seiner politischen Umsetzung und operativen Funktionsfähigkeit noch offen.Beginnen wir mit den Akteuren selbst: Wenn sich jetzt bei den Banken und ihren Verbänden die Stimmen mehren, dass es mit der Regulierung sein Bewenden haben und eine “Regulierungspause” eingelegt werden müsse, sollten Ursachen und Wirkung nicht verwechselt werden. Seit 2008 haben die Steuerzahler nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und in den USA enorme Mittel aufgebracht, um die Verwerfungen in der Bankenindustrie zu glätten und deren Rückwirkungen auf die Realwirtschaft zumindest abzumildern. Intensive LobbyarbeitMan sollte nicht darauf setzen, dass die Politik ein weiteres Mal mit einem großen Kraftakt und unter Hintanstellung anderer gesellschaftspolitischer Prioritäten eine Branche stützen wird, wenn sie in dieser nicht mehr die Balance von unternehmerischer Freiheit und korrespondierender Verantwortung erkennt. Regelwerke können Leitplanken für das Handeln schaffen, sie ersetzen aber nicht eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Zusätzliche Eingriffe werden immer dann notwendig, wenn dieser Zusammenhang von den Handelnden nicht akzeptiert wird.Im Übrigen sind die zunehmende Regelungsintensität und deren Ausdifferenzierung zu einem nicht unerheblichen Teil das Ergebnis intensiver Lobbyarbeit der Branche selbst. Das Regelwerk Basel III und die sogenannte Leverage Ratio bieten dafür vielfältige Belege. Die Leverage Ratio, welche ergänzend zur Risikodifferenzierung des Basel-III-Ansatzes die insofern ungewichteten Bilanzsummen von Kreditinstituten mit Blick auf das Kernkapital begrenzen soll, war ursprünglich als klare, unkomplizierte Norm gedacht. Mittlerweile ist diese als Frucht erfolgreicher Interessenpolitik mit rund 70 Einzelregelungen behaftet.Es kommt nicht von ungefähr, dass in den USA die Vereinnahmung der Regulierer und Aufseher durch die Regulierten als “Regulatory Capture” ein fester Begriff ist. Und schließlich vermitteln die Verlautbarungen der Bankenaufsicht über die Umsetzung ihrer Vorgaben nicht den Eindruck, dass diese zügig angegangen und dabei festgestelltes Fehlverhalten in den Banken sanktioniert wird.Für all das bedarf es keines “Kulturwandels”, ein in der sachlichen und zeitlichen Dimension der intendierten Veränderung eher unscharfer Begriff. Eine Nummer kleiner wäre ausreichend: Beachtung der gesetzlichen (Compliance) und der selbstverpflichtenden Normen (Corporate Governance Kodex). Mehr AkkordierungEs reicht die Kästnersche Maxime: “Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.” Es kann nicht das Interesse der Beteiligten sein, dass am Ende aller Irrungen und Wirrungen, nach unzähligen Untersuchungen, Verfahren und Prozessen sich in der öffentlichen Meinung die Auffassung verfestigt, für die Bankwirtschaft gelte das zynische Wort des polnischen Satirikers Stanislaw Jerzy Lec, dass man, um die Moral zu heben, die Ansprüche senken müsse.Mit Blick auf die zweite Anforderung, eine hinreichende Akkordierung der internationalen Bankordnungspolitik, zeigt die Vergangenheit, dass man die notwendige Konsensfähigkeit nicht durch zu ambitionierte Konzepte überfordern sollte. Wahrscheinlich wird ein Weniger an Detailregeln ein Mehr an akkordierter Umsetzungsfähigkeit bringen. Worum es geht, zeigt sich in den nationalen Egoismen bei der vorgesehenen Ingangsetzung von Basel III ebenso wie in den bislang geringen Fortschritten bei der internationalen Regulierung der Schattenbanken und der Hedgefonds. Haftungsmasse erhöhenIn einem wesentlichen Element der Bankordnungspolitik zeichnet sich dagegen ein Konsens dahingehend ab, dass mittel- und langfristig die Eigenkapitalanforderungen weiter verstärkt werden sollen. Diese Linie wird seit einigen Jahren von der Bankengesetzgebung in den USA, in Großbritannien und in der Schweiz verfolgt. Sie überzeugt, weil sie unter Abwägung aller sonstigen Gestaltungsoptionen zum einen eine relativ große Gewähr dafür bietet, dass sich die Eigentümer von Kreditinstituten allein wegen der Höhe ihres Engagements mehr als bislang üblich für die Geschäftspolitik ihres Instituts interessieren und gegebenenfalls aufgrund ihrer Organstellungen rechtzeitig handeln werden. Zum anderen lenkt eine deutliche Erhöhung der Haftungsmasse das Ausfallrisiko dorthin, wo es hingehört: zu den Eigentümern. Anat Admati und Martin Hellwig (“Des Bankers neue Kleider”, 2013) weisen überzeugend nach, dass auf diese Weise auch das Ausmaß und die verzerrenden Wirkungen von staatlichen Garantien und Subventionen verringert würden. Gleichzeitig würde die Gefahr zurückgedrängt, dass einzelne Banken “too big to fail”, das heißt systemrelevant, werden. Auf Zwang verzichtetAngesichts der bereits seit Beginn des Jahrtausends erkennbaren Tendenz der Aufsicht über die großen Finanzplätze, die Eigenkapitalanforderungen anzuheben, war es wenig verständlich, dass die deutschen Institute die für die Kapitalverstärkung im Finanzmarktstabilisierungsgesetz von 2008 vorgesehenen Instrumente kaum genutzt haben. Das Motiv für dieses Gesetz war nicht nur eine aktuelle Liquiditäts- und Refinanzierungshilfe, sondern auch die Flankierung von Weichenstellungen in langfristig tragfähige Geschäftsmodelle durch zusätzliches Kapital. Diese Intention wurde durch das sogenannte Bad-Bank-Gesetz von 2009 ergänzt.Aus guten ordnungspolitischen Gründen hatte der deutsche Gesetzgeber auf eine zwangsweise Inanspruchnahme dieser Instrumente verzichtet und auf die unternehmerische Weitsicht von Management und Eigentümern gesetzt. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Der Bad-Bank-Ansatz wurde in Kombination mit Eigenkapitalhilfen nur zur Abwicklung der WestLB und zur Restrukturierung der HRE genutzt. Die Eigenkapitalhilfen sind für eine längerfristige Ausrichtung nur von der Commerzbank und der Aareal Bank beansprucht worden. Die Landesbanken haben – aus welchem Selbstverständnis auch immer – ausschließlich Zuflucht bei ihren Ländern gesucht. Deren Hilfe war angesichts der Haushaltslagen begrenzt, und die Auflagen, die wegen des europäischen Beihilferechts auch bei diesen Unterstützungen akzeptiert werden mussten, waren in der Regel noch einschneidender als für das notifizierte Instrumentarium des Finanzmarktstabilisierungsfonds (Soffin).So wurde eine Chance nachhaltiger Stabilisierung des Sektors vertan. Die Konsequenzen werden möglicherweise bei den anstehenden Bilanzbewertungen und Stresstests im Vorhof der europäischen Bankenunion sichtbar werden. Dann wird mit zusätzlichem Kapital nachgeholt werden müssen, was damals versäumt wurde. Jedenfalls sollte nicht die Haltung Platz greifen, man dürfe die Märkte nicht durch ein dann evident werdendes zusätzliches Risikopotenzial verunsichern. Das Gegenteil ist richtig: Will man mit der Bankenunion die Vertrauensbasis in die Bankindustrie stärken, ist – um noch einmal Draghi zu zitieren – “Licht immer besser als Dunkelheit”.Eine weitere wesentliche Dimension einer europäischen Aufsicht ist die Separierung bestimmter Risiken, die gegebenenfalls auch mit zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen verknüpft werden kann. Der von der EU-Kommission vorgelegte Richtlinienentwurf (Barnier-Vorschlag) ist im Sinne einer weiteren Akkordierung der Bankordnungspolitik deshalb zielführend, weil er sich auf einige grundsätzliche Vorgaben für europäische Großbanken beschränkt, innerhalb derer die nationalen Aufsichten einzelfallbezogen und insofern flexibel reagieren können. Damit wird auch eine gewisse Kompatibilität mit den entsprechenden nationalen Regelwerken in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA ermöglicht.Dieser Ansatz sieht die Abtrennung der Handelsaktivitäten dann (und nur dann) vor, wenn das betroffene Institut ein für die Aufsicht nicht ausreichendes Risikomanagement zur Verhinderung finanzieller und systematischer Risiken praktiziert. Das generelle Verdikt der “Banking Community”, hier würden die Weichen in ein Trennbankensystem gestellt, geht deshalb ebenso an der Sache vorbei wie die Behauptung, künftig könnten dann die Banken ihren Kunden nicht mehr alle Produkte anbieten. Die Organisation des Vertriebs “aus einer Hand” wird durch Separierung der Haftung und gegebenenfalls korrespondierende höhere Kapitalanforderungen für einzelne Bereiche nicht verhindert, wie z. B. die bereits praktizierten “Allfinanzkonzepte” zeigen. Gefährliche KlumpenrisikenDie Richtlinie will zudem den Eigenhandel und die eigene wirtschaftliche Beteiligung an Hedgefonds verbieten, um das Too-big-to-fail-Problem einzugrenzen. Zu Recht wies Prof. Jan Pieter Krahnen (Uni Frankfurt) jüngst darauf hin, dass mit diesem Ansatz auch die Grundlagen für die aufsichtsrechtlich vorgesehenen “Living Wills” (Testamente) gelegt werden. Spätestens dann müssen die organisatorischen Vorkehrungen für die Abwicklung bzw. Abspaltung einer Bank respektive von deren Bereichen sowieso vorgelegt werden.Der dritte Handlungsbereich betrifft ein nach wie vor ungelöstes Problem: den gefährlich hohen Anteil der Staatsfinanzierung durch Banken und vor allem durch die EZB. Deren Geldpolitik hat gerade für die Banken in den Krisenländern Anreize geschaffen, die günstige Refinanzierung mit Zentralbankgeld für Anlagen in Staatskrediten zu nutzen. Worum es geht, mögen die folgenden Zahlen verdeutlichen: Die Anteile des jeweiligen nationalen Bankensektors an den von Banken gehaltenen nationalen Staatsanleihen betragen in Spanien 89 %, in Italien 76 %, in Frankreich 67 % und in Deutschland 72 %. Dadurch sind in vielen Bankbilanzen Klumpenrisiken entstanden, die deutlich über die Obergrenzen von Großkrediten an einzelne Kreditnehmer hinausgehen. Diese Obergrenze liegt in der EU für Kredite an nichtstaatliche Adressen bei 25 % des anrechenbaren haftenden Eigenkapitals einer Bank. Privilegierte EmittentenBefördert wurde diese Entwicklung von der Tatsache, dass Bankforderungen an Zentralstaaten, Zentralbanken und andere öffentliche Stellen bei der Unterlegung mit Eigenkapital mit dem Risikogewicht null anzusetzen sind. Dies setzt einen beachtlichen Anreiz, Kredite an die öffentliche Hand herauszulegen. Obwohl die Erfahrung zeigt, dass auch Staatstitel nicht risikolos sind, sieht die Bankordnungspolitik – auch im Ansatz von Basel III – für öffentliche Titel weiter die Nullgewichtung vor. Die öffentlichen Kreditnehmer privilegieren sich aber nicht nur hinsichtlich der Entbindung von der Kapitalunterlegung, auch in den Refinanzierungsregeln von Basel III und in den Versicherungsaufsichtsregeln haben sie sich deutliche Vorteile gegenüber anderen Emittenten verschafft.Der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Martin Blessing, hat jüngst Vorschläge unterbreitet, wie Banken Staatsanleihen schrittweise mit Eigenkapital unterlegen sollten. Die Reaktion der Vertreter öffentlicher Emittenten war ein verhaltenes “Ja, aber”. Es ist richtig, dass – wie jetzt angekündigt – bei der Durchführung des Stresstests das sachlich Gebotene durch Bewertung dieser Titel zu Marktpreisen (Handelsbuch) oder zusätzliche Kapitalunterlegung des Ausfallrisikos (Anlagebuch) nachgeholt wird. Sollen Transparenz und Klarheit über die Strukturen und Risiken europäischer Bankbilanzen geschaffen werden, ist dieser Schritt dringend geboten. Solange die Verschränkung von Finanz- und Bankenkrise nicht aufgelöst ist, wird es auch keine durchgreifende Restrukturierung der Bilanzen geben. Wichtige Details noch offenZur vierten Herausforderung, der Gestaltung einer europäischen Bankenunion: Hier sind die Dinge im Grundsätzlichen erfreulicherweise weit gediehen, wesentliche Einzelfragen sind allerdings noch offen und werden kontrovers diskutiert. Das gilt für die Kompetenzen bei den Entscheidungen über die Abwicklung von Banken, bei denen das Europäische Parlament Mitwirkungsrechte reklamiert. Ebenso wenig sind wichtige Einzelheiten der Organisation und Durchführung der Abwicklung geklärt. Die jüngsten Entwicklungen deuten darauf hin, dass ungeachtet der vorgesehenen “Bail-ins” von Eigentümern, Gläubigern und Einlegern ein Element des Kompromisses die Rekapitalisierung europäischer Banken durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sein wird. Dann würde auch unter dem Regime der Bankenunion die Sozialisierung von Traglasten der Bankensanierung durch den europäischen Steuerzahler fortgesetzt.Vielleicht würde sich die Diskussion auch politisch einfacher gestalten, wenn man im Vorfeld der Bankenunion die Brandbeschleuniger für eine Potenzierung von Bankenkrisen aus den Bilanzen herauslöst. Dafür müssten die Kreditinstitute die Möglichkeit bekommen, “toxische” Aktiva und nichtstrategische Assets aus der Bilanz zu nehmen und diese einem spezifischen Verfahren der Abwicklung bzw. der Verwertung zu unterwerfen.Die grundsätzlichen Elemente eines solchen Vorgehens wurden in Deutschland mit dem “Bad-Bank-Gesetz” geschaffen. Dieser Ansatz könnte in folgenden Schritten auf eine europäische Dimension transferiert werden: Zunächst werden die in Rede stehenden Aktiva und die damit korrespondierende Passivseite zum Buchwert für einen bestimmten Stichtag aus den Bankbilanzen herausgelöst und auf eine nationale Plattform übertragen. Der Träger dieser Plattform sollte der Domizilstaat der jeweiligen Banken sein, dessen Aufsicht zusammen mit der entstehenden Bankenaufsicht der EZB diesen Ansatz begleitet und in einem einheitlichen Verfahren gestaltet. Die Refinanzierung der übertragenen Aktiva bis zum Veräußerungszeitpunkt wird dabei durch den jeweiligen Staat garantiert. Dessen Kapitalmarktfähigkeit, dessen Rating und die daraus abgeleitete staatliche Refinanzierungskraft sind dann der Ansatzpunkt europäischer Solidarhilfen, etwa durch den ESM, nicht das einzelne Institut selbst. Entlastung des KernkapitalsEin solches Konzept beließe die Verantwortung für die Restrukturierung der nationalen Bankwirtschaften, auch unter Einschluss europäischer Auflagen, etwa jener der EU-Abwicklungsrichtlinie, bei den einzelnen Ländern. Auch im Hinblick auf gegebenenfalls notwendige Konsequenzen aus den anstehenden Bilanzbewertungen und Stresstests würde ein Weg für die Redimensionierung des europäischen Bankensektors eröffnet: Die nach Abspaltung der Abwicklungsplattform verbleibenden Kernbanken wären mit Blick auf Ertragslagen und Risikopotenzial deutlich stabiler. Die Entlastung des Kernkapitals von bestimmten Aktiva würde deren Restrukturierung und die Ausrichtung auf zukunftsfähige Geschäftsmodelle unterstützen und neue Spielräume für Kreditvergabe eröffnen.Die damit einhergehende Revitalisierung der originären Bonität der geschrumpften Institute würde deren Rating und Refinanzierungsfähigkeit verbessern. Die Abwicklungsplattformen ihrerseits böten den Vorteil der potenziellen und partiellen Werterholung der aktuell gestressten Aktiva auf der Zeitachse. Sie würden “Fire Sales” entbehrlich machen und die Chance eröffnen, sonst notwendige Stützungen zu reduzieren. Veräußerungsgewinne der Abwicklungsplattformen könnten die Solidarhilfe im Ergebnis reduzieren. Konfliktpotenzial entschärfenUnabhängig von Einzelfragen, die – wie das deutsche Vorbild zeigt – lösbar sind, würde dieser Ansatz im Vorfeld der Bankenunion viel Konfliktpotenzial allein deshalb entschärfen, weil die “Bereinigung” der Bankindustrie nicht einem komplizierten Abwicklungsmechanismus anvertraut, sondern zunächst der Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeit der Nationalstaaten überantwortet würde, die dafür eine europäische Hilfe beanspruchen können. Ein solcher Ansatz würde auch der Intention einer europaweiten Einlagensicherung und der Dotierung eines europäischen Abwicklungsfonds viel von deren politischer und psychologischer Sprengkraft nehmen.Anders als bei der jetzt ins Spiel gebrachten direkten Rekapitalisierung von Banken wäre dann erkennbar, dass deren Mittel im Zweifel nicht dazu herhalten müssen, bei einzelnen Kreditinstituten die bilanziellen Schleifspuren exzessiver Risikofreude und eines Moral Hazard auszubügeln. Vor allem würde deutlich, dass in Europa das Denken und Handeln in Ordnungskategorien sich noch nicht völlig verflüchtigt hat. Dies wäre ein Wert an sich, denn diese Gewissheit ist letztlich die Grundlage für das Vertrauen der Märkte und Bürger in die politische Führung.