Stablecoin UST gerät in Turbulenzen
Von Björn Godenrath, Frankfurt
Über das Wochenende ist der algorithmische Stablecoin UST auf seine Festigkeit getestet worden und dabei in Turbulenzen geraten. Die Probleme fingen an, als sich der Depositenabfluss über das Anchor-Protokoll innerhalb von 36 Stunden auf 2,6 Mrd. Dollar kumulierte, so Berechnungen des Researchers Westie Capital. Über Anchor erhalten UST-Besitzer hohe Lending-Renditen, wenn sie ihren Stablecoin dort deponieren – was ein elementarer Teil des Anreizmechanismus im Ökosystem des UST-Emittenten Terraform Labs ist. Da auch über Curve UST abgezogen wurden, sackte der Stablecoin im Binance-Handel bei hohem Volumen auf 0,9875 Dollar ab.
Mit dem Abweichen von der Dollar-Bindung steht die Glaubwürdigkeit von UST auf dem Spiel, wollen die Terra-Betreiber doch ein großes Rad drehen in DeFi. Dafür hatte Terra-Chef Do Kwon den Aufbau einer Bitcoin-Reserve begonnen, die im Verbund mit der Reserve der hauseigenen Kryptowährung Luna für ein Ausbalancieren des Stablecoin sorgen soll. Dafür hat Kwon schon Bitcoin erworben, doch ist das System noch nicht installiert, so dass UST nun vorzeitig vom Markt getestet wurde. Die Heftigkeit, mit der hier zu Werke gegangen wurde, spricht dafür, dass es sich um eine gezielte Attacke handelte.
Andererseits hat Terra über ihre Stiftung Luna Foundation Guard (LFG) schon so viel Reserven angehäuft, dass es ihr leicht fiel, am Montag morgen eine Ausleihung an einen Marketmaker zur Stabilisierung von UST zu veranlassen. Konkret wurde ein Bitcoin-Kredit im Wert von 750 Mill. Dollar an Jump Trading bewilligt, um die Dollar-Bindung sicherzustellen. Jump Trading ist ein Wall-Street-Händler mit Krypto-Tochter. Sobald sich die Situation beruhigt habe, soll Jump weitere 750 Mill. Dollar in Form von UST erhalten, um weitere Bitcoin zu erwerben.
Damit hat die Stiftung schnell Handlungsfähigkeit bewiesen. Auf Binance wurde UST am späteren Montag bei 0,9951 Dollar gehandelt. Die Episode demonstriert, dass algorithmische Stablecoins schwer in der Balance zu halten sind, wenn die Volatilität überhand nimmt. Die Reserven bei UST sehen aber für den Moment solide aus. Auf der Plusseite kann UST-Schöpfer Kwon verbuchen, dass es ihm gelungen ist, Luna so mit Wert aufzuladen, dass man damit das wohl werthaltigste digitale Asset erwerben konnte. Die Frage ist nur, was passiert, wenn man die hohen Incentives nicht mehr aufrechterhalten kann oder will. Bis dahin dürfte sich das bislang als Schneeballsystem funktionierende Terra-Ökosystem aber mit so viel Liquidität vollgesogen haben, dass Flexibilität besteht. Dann braucht es nur noch Verwendungszwecke von UST, die neben dem Einsatz als programmierbarer Dollar darin bestehen könnten, als Zahlungsmittel über das Lightning Network zu gehen – eine solche Integration von Stablecoins läuft ja gerade.