ZINSWETTEN

Stammgäste im Finanzkasino

Banker, auch ehemalige, vor Gericht: Das kennt man nicht erst seit Beginn der Finanzkrise. Die Geschichte ist, von Ausnahmen abgesehen, so spannend wie "Hund beißt Mann". Zumal die Meinung, beim Kreditgewerbe handele es sich um eine kriminelle...

Stammgäste im Finanzkasino

Banker, auch ehemalige, vor Gericht: Das kennt man nicht erst seit Beginn der Finanzkrise. Die Geschichte ist, von Ausnahmen abgesehen, so spannend wie “Hund beißt Mann”. Zumal die Meinung, beim Kreditgewerbe handele es sich um eine kriminelle Vereinigung, an manchem Stammtisch längst als mehrheitsfähig gelten darf. Eine frühere Oberbürgermeisterin und eine Ex-Stadtkämmerin vor einer Großen Wirtschaftsstrafkammer: Das hat dagegen etwas von “Frau beißt Hund”. Da horcht selbst das lethargischste Publikum auf. Schließlich geht es – ein verbindendes Element beider Konstellationen – ums eigene Geld, nämlich das der Steuerzahler. So auch in dem nun angelaufenen Untreueprozess um Zinswetten der Stadt Pforzheim. Banker sind freilich in diesem Fall auch dabei und – wegen Beihilfe – mitangeklagt.Man muss Banker, die zumindest semiprofessionellen Kunden wie Kommunen Cross-Border-Leasing, Spread Ladder Swaps und weitere Finanzinnovationen mit wohlklingenden Namen angedreht haben, nicht voreilig und über Gebühr in Schutz nehmen. Dass Paragraf 1 des Kreditwesengesetzes laute, “Schuld ist immer die Bank”, gehört indes zu den Fake News der Frühzeit, mag diese Legende unter Bankkunden auch eine beliebte Maxime sein: Geht die Wette auf, Gewinn einstreichen. Läuft es in die falsche Richtung, die Bank wegen Verletzung der Beratungspflicht verklagen.Doch zum Zocken gehören jeweils mindestens zwei. Und so außergewöhnlich der Fall Pforzheim schon wegen der Höhe der aufgelaufenen Verluste von ursprünglich 57 Mill. Euro ist: Im globalen Finanzkasino sind Stadtkämmerer oder Landräte als Stammgäste bekannt. Sie setzen das Geld der Steuerzahler buchstäblich aufs Spiel, allzu oft verjuxen sie es. Ältere Analysen etwa des Bundes der Steuerzahler belegen, dass das verlustträchtige Daddeln der Kommunen mancherorts mehr oder weniger an der Tagesordnung war. Das Land Hessen zum Beispiel, in dem etwa der Rheingau-Taunus-Kreis wiederholt verhaltensauffällig wurde, hat vorbildlich Konsequenzen gezogen und der kommunalen Ebene Finanzspekulationen sowie namentlich Devisenkredite ohne Wechselkursabsicherung verboten.Es ist zu begrüßen, dass die Hasardspiele hochrangiger Amtsträger jetzt einmal strafrechtlich aufgearbeitet werden. Mit der Annahme, dass in Pforzheim wenigstens der gesunde Menschenverstand ausgeschaltet wurde, gerät man noch nicht in Konflikt mit der Unschuldsvermutung. Ob es sich um Untreue – ein Vorsatzdelikt – gehandelt hat, wollen die Mannheimer Richter bis Januar 2018 ergründen.