Stark genug für ungeordneten Brexit
Die Bank of England hat den sieben Großbanken, die sich dem alljährlichen Bilanztest unterziehen mussten, ein gutes Zeugnis ausgestellt. Sie könnten auch stärkeren Verwerfungen als in der globalen Finanzkrise standhalten. Auch einen ungeordneten Brexit würden die Institute wegstecken. hip London – Die Bank of England geht nach dem jüngsten Bilanztest davon aus, dass die britischen Großbanken schwerwiegendere Verwerfungen als die globale Finanzkrise überstehen könnten. Das finanzpolitische Komitee (FPC) habe ein Szenario für einen Brexit ohne Übereinkunft mit Brüssel und ohne Übergangsperiode durchgespielt, der einen schwerwiegenden wirtschaftlichen Schock herbeiführen würde. Auf Grundlage eines Vergleichs dieses Szenarios mit dem Bilanztest komme das FPC zu dem Schluss, dass das britische Bankensystem stark genug wäre, um den Bedürfnissen der britischen Verbraucher und Unternehmen auch im Falle eines ungeordneten EU-Austritts nachzukommen. Die Finanzstabilitätsexperten haben auch noch ein milderes Szenario geprüft: einen Brexit, der zwar Unruhe stiften, aber weniger Schaden anrichten würde. Schlimmer als die FinanzkriseFür den Fall eines ungeordneten Brexit gehen sie davon aus, dass das britische Bruttoinlandsprodukt wegen Verzögerungen an den Grenzen und des Vertrauensverlusts an den Finanzmärkten um 8 % schrumpft – noch stärker als durch die globale Finanzkrise. Die Preise für Gewerbeimmobilien brechen in ihrem Szenario um knapp die Hälfte ein, die für Wohnimmobilien um 30 %. Während die Arbeitslosigkeit nicht so stark ansteigen würde wie im Bilanztestszenario der Notenbank, unterstellen sie eine Teuerungsrate auf 6,5 % und einen Anstieg des Leitzinses auf 5,5 % (derzeit: 0,75 %). Zum Vergleich: In der Finanzkrise hatte die Inflation in der Spitze 4,75 % erreicht, die Bank Rate 5,25 %.Beide Szenarien unterstellen als Grundannahmen, dass zwischen Großbritannien und der EU plötzlich Zölle erhoben werden und andere Handelshemmnisse entstehen. Großbritannien erkennt EU-Produktstandards an, umgekehrt ist das jedoch nicht der Fall. Die EU unternimmt nichts, um das Risiko von Verwerfungen an den Derivatemärkten zu vermeiden. Fünf Jahre lang werden keine neuen Handelsabkommen abgeschlossen. Die ökonomische Unsicherheit steigt, und die Finanzierungsbedingungen verschlechtern sich. Für den Fall eines ungeordneten Brexit kommen folgende Annahmen erschwerend hinzu: Großbritannien verliert bestehende Handelsabkommen mit Nicht-EU-Ländern, auf deren Grundlage es derzeit als EU-Mitglied Handel treibt. Die Grenzinfrastruktur wird den neuen Anforderungen lange nicht gerecht. Anleger verlangen mit Blick auf die große Unsicherheit eine deutlich höhere Risikoprämie für auf Sterling lautende Assets. Die Rendite von Staatsanleihen steigt um 100 Basispunkte, der Spread zwischen dem risikofreien Zins und dem Kupon von erstklassigen Unternehmensanleihen (Investment Grade) auf 300 Basispunkte.Barclays, deren Kernkapitalquote im Stressszenario des Bilanztests der europäischen Bankenaufsicht EBA auf den niedrigsten Wert aller teilnehmenden Banken gesunken war, und die Lloyds Banking Group, die ebenfalls schwach abgeschnitten hatte, sahen auch im Stressszenario der Bank of England nicht gut aus. Sie waren gezwungen, bei voller Implementierung von IFRS 9 Bail-in-fähige Anleihen (Additional Tier 1, AT 1) in Eigenkapital zu wandeln, weil ihre Kernkapitalquote unter die Schwelle von 7 % gerutscht war. Außer ihnen nahmen HSBC, Nationwide, Royal Bank of Scotland (RBS), Santander UK und Standard Chartered an dem Bilanztest teil.Das FPC begrüßte das jüngste Statement der Europäischen Kommission, demzufolge sie sicherstellen will, dass EU-Gegenparteien nach März 2019 weiter auf die Dienste britischer zentraler Gegenparteien (CCPs) beim Derivate-Clearing zurückgreifen dürfen. Allerdings müssten die Kontrakte entweder übertragen werden oder per Ende März auslaufen (Close-out), wenn es keine größere Klarheit über das Ausmaß, die Konditionen und das Timing der angekündigten Maßnahmen der EU gebe, heißt es im gestern ebenfalls vorgelegten Finanzstabilitätsbericht. Dieser Prozess müsste aus Sicht des FPC im Dezember beginnen.Der sogenannte antizyklische Kapitalpuffer werde bei 1 % der risikogewichteten Aktiva belassen.